Kolumne

T-Online ist offline

01.09.2000
Jürgen Hill, Redakteur CW

Hat er das Handtuch geworfen, oder ist er gegangen worden? Darüber spekuliert die Branche im Zusammenhang mit der Demission von T-Online-Chef Wolfgang Keuntje. Eigentlich ist die Frage nach dem Wie von Keuntjes Abgang eher zweitrangig. Denn der Fall des T-Online-Managers ist nur ein personalisiertes Symptom für die Schwierigkeiten des Telekom-Konzerns.

Die eigentlichen Probleme liegen in der Aufstellung des neuen Telekom-Konzerns, mit dem Ron Sommer sich im globalen Wettbewerb des 21. Jahrhunderts behaupten will. Denn das Konstrukt der vier eigenständigen Telekom-Töchter T-Com International AG, T-Mobile International AG, T-Online International AG und T-Systems funktioniert nicht. Die vier Säulen, die den Gesamtkonzern auf seinem internationalen Expansionskurs stützen sollen, beginnen bereits zu wackeln.

So existiert etwa die Unabhängigkeit von T-Online nur auf dem Papier. In der Praxis ist der Internet-Provider auf die Infrastrukturleistungen der Telekom in Sachen Netzzugang angewiesen. Ein Fakt, der jedoch niemanden davon abhält, den Kunden bei Offline-Problemen von Pontius zu Pilatus zu schicken. So wimmelt T-Online etwa Anwender bei Störungen mit der Aussage ab, die Netztechnik betreibe die Telekom. Diese revanchiert sich im Gegenzug mit der Auskunft, sie sei für den Internet-Zugang nicht zuständig.

Verläuft die Zusammenarbeit von Mutter und Tochter auf dem internationalen Parkett ebenso, dann ist es eigentlich kein Wunder, dass der Internet-Provider seine Expansionsstrategie nicht verwirklichen kann. Vielleicht sollte Sommer zuerst einmal im eigenen Haus für klare Strukturen sorgen und erst dann an internationale Akquisitionen denken. Schließlich sind ein Teil seiner sechs Millionen T-Online-Kunden auch Aktionäre, denen es angesichts des täglichen Kompetenzgerangels immer schwerer fällt, an das viel gepriesene "T hoch 3" als Erfolgsformel für das Börsenjahr 2000 zu glauben.