Nach dem Verkauf des Tafelsilbers

Systemhaus Ditec muß nun kleinere Brötchen backen

05.11.1999
Von Beate Kneuse* MÜNCHEN - Nach der Ausgliederung des technischen Supports und der Administration sowie des Verkaufs des Bildungssektors positioniert sich die Münchner Ditec AG jetzt ausschließlich als Systemintegrator für den deutschen Mittelstand. Doch dieser Markt ist wie kaum ein anderer hart umkämpft. Einmal mehr steht deshalb hinter der Zukunft der einstigen Auffanggesellschaft früherer Digital-Equipment-Mitarbeiter ein dickes Fragezeichen.

Vor genau zwölf Monaten noch haute Wolfgang Stübich groß auf die Pauke. Die Ditec sei "in der stabilsten Phase seit ihrer Gründung". Alle drei Standbeine (Service-, Schulungs- und Systemhaus-Geschäft) des Unternehmens wiesen für das vorangegangene Geschäftsjahr Umsatzsteigerungen auf, und der Ditec-Vorstandschef sah seine 1994 unter damals ungewöhnlichen Umständen entstandene Company nicht nur auf der Schwelle zur Rentabilität, sondern auch "in jeder Hinsicht sauber aufgestellt".

Wenige Monate später war das alles nur noch Makulatur. Das Geschäft mit dem technischen Support, mit rund 63 Millionen Mark Umsatz und 260 Leuten bis dato der umsatz- und mitarbeiterstärkste Bereich der Münchner, brach dramatisch ein. Aus den erträumten 146 Millionen Mark Einnahmen für das Geschäftsjahr 1998/99 (Ende: 30. Juni) wurden nur 135 (Vorjahr: 133,2) Millionen, weil besagter Service-Bereich statt der geplanten 68 nur 51 Millionen Mark einspielte. Außerdem bescherte diese Business-Unit kräftig rote Zahlen, so daß die Ditec dadurch wieder weit zurück ins Minus fiel.

"Tatsächlich sind wir im Servicegeschäft schlichtweg abgesoffen", nimmt Stübich im Rückblick kein Blatt vor den Mund und führt als Hauptgrund die enge Bindung an die Ex-Muttergesellschaft an, die inzwischen von Compaq übernommen wurde und dem PC-Konzern einige Probleme brachte. "Innerhalb von 18 Monaten ging unser Auftragsvolumen mit dem Unternehmen von insgesamt 30 auf sieben Millionen Mark zurück", bilanziert der Ditec-Chef, ohne sich allerdings weiter über die Ursachen auszulassen. Über diese braucht man indes nicht lange zu rätseln. Bekanntlich verarbeitet Compaq immer noch die Übernahme der "Serviceperle" Digital Equipment, und muß zudem seine eigene Kostenstruktur in den Griff bekommen. Und in einem solchen Fall ist einem das Hemd näher als die Hose - sprich: man führt die an Land gezogenen Aufträge erst einmal selbst aus, anstatt externe Dienstleister durchzufüttern.

Hinzu kam, daß die betroffenen Ditec-Mitarbeiter aufgrund ihrer zum Teil langen vorherigen Betriebszugehörigkeit zu Digital hohe Gehälter kassierten, zudem angeblich Know-how-mäßig nicht auf dem neuesten Stand waren.

Gehaltskürzungen waren nicht möglich, ohne Unfrieden im gesamten Unternehmen zu stiften, argumentiert der Ditec-Chef. So blieb nur, Ballast abzuwerfen. Im Zuge einer Betriebsüberführung, man kann auch sagen, eines Outsourcing-Abkommens, gab Ditec den Geschäftsbereich technischen Support zum 1. Juli an die Forest Gesellschaft für Personal Computer GmbH in Villingen ab - ein aus Stübichs Sicht gelungener Schachzug: "Unser technischer Service war ohnehin Villingen. Und Forest war der einzige Interessent, der unsere Anschubfinanzierung mittels unserer dortigen Immobilien akzeptierte."

Ditec-Mitarbeiter gingen auf die Barrikaden

An Forest ging zudem die zentrale Administration von Ditec, ebenfalls in Villingen angesiedelt. Die "ausgelagerten" rund 40 Mitarbeiter werden aber weiterhin Verwaltungsabläufe wie Finanzbuchhaltung und Personalabrechnung für die Münchner abwickeln. Im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages, so Stübich, habe man sich zunächst für ein Jahr an sie gebunden. Ganz ohne Gegenwehr der rund 300 betroffenen Mitarbeiter lief der Ditec-Forest-Pakt indes nicht ab. Sie mußten sich mit 15 Prozent weniger Gehalt zufriedengeben, um weiterhin einen Arbeitsplatz zu haben. Ditec-intern ging die Belegschaft deshalb auf die Barrikaden - die Stimmung war und ist, so ein Insider, "mehr als schlecht". Der Ditec-Chef sieht es eher sachlich: "Insgesamt kam es zu 59 Widersprüchen. Davon sind bis auf 20 mittlerweile alle abgearbeitet."

Venture-Capital-Firmen hatten angeblich Interesse

Mit der Ausgliederung des Verlustbringers, für den man keinen Pfennig sah, war die finanzielle Stabilität der Ditec aber noch nicht wiederhergestellt. Zu groß war offensichtlich das Loch, das die Service-Aktivitäten zuletzt gerissen hatten. Stübich stand eigenen Angaben zufolge vor der Alternative, entweder einen der zwei verbliebenen Geschäftsbereiche gut zu verkaufen, um damit außerordentliche Erträge zu erzielen, oder Investoren an Bord holen. Dem Vernehmen nach hatten sowohl eine Venture-Capital-Gesellschaft als auch eine Bank ihr Interesse bekundet. Doch beide neuen Gesellschafter wären nicht eingestiegen, ohne jeweils die Mehrheit zu übernehmen. Stübich entschied sich anders: "Wir wollten unsere Eigenständigkeit, die wir in den vergangenen fünf Jahren mühsam verteidigt haben, nicht aufgeben."

Damit stand der Bildungsbereich zur Disposition - bis zuletzt mit die Cash-cow der Ditec. Allerdings auch ein Geschäftszweig, der für Stübich wohl schon länger nicht im Zentrum der Planungen stand. Denn aus der Tatsache, daß die eigenen Service-Leute auch nach Auffassung vieler Branchenkenner nicht mehr ganz up to date waren, läßt sich auch schließen, daß die Ditec nicht mehr nennenswert in die Fortbildung der entsprechenden Mitarbeiter investierte. Für den Verkauf des Schulungsgeschäfts wählte Stübich zumindest nicht den schlechtesten Zeitpunkt, denn dieser Markt ist momentan in Bewegung - lukrative Übernahmekandidaten wie die Ditec-Division sind demzufolge begehrt.

"Immer mehr größere Unternehmen geben ihre Bildungsaktivitäten an spezialisierte Schulungsanbieter ab. Vor wenigen Wochen wurde beispielsweise GE Compunet mit der Kölner Prokoda AG handelseinig", erklärt Thomas Lünendonk, dessen gleichnamige Unternehmensberatung vor einem halben Jahr den Markt für berufliche Weiterbildung im IT-Sektor unter die Lupe nahm. Ein Grund für solche Ausstiegsambitionen: Das Marketing für Weiterbildung ist eine "komplexe Angelegenheit, kostenintensiv und aufwendig". Minimum einmal pro Jahr finde, so Lünendonk, aufgrund der immer schnelleren Technologiezyklen ein Wechsel statt - neue Themen kommen hinzu, andere fallen weg. "Die einzelnen Anbieter müssen genau aufpassen, welche technologischen und inhaltlichen Trends sich abzeichnen, um entsprechende Programme und Kurse frühzeitig in ihr Portfolio aufzunehmen." Mit anderen Worten: Das Schulungsgeschäft ist kein Selbstläufer mehr.

Dennoch wächst der Markt nach wie vor solide. Viele Firmen verzeichneten der jüngsten Lünendonk-Analyse zufolge zuletzt zweistellige Wachstumsraten. Auch die Ditec, die im abgelaufenen Fiskaljahr 1998/99 mit 95 Mitarbeitern und sieben Bildungszentren hier ihren Umsatz von 32 auf rund 40 Millionen Mark steigern konnte - ein Plus von 25 Prozent. Die Münchner gehörten damit, so Lündendonk, "ohne Zweifel zu den führenden Schulungsanbietern in Deutschland." Um so unverständlicher bleibt daher für Beobachter die Entscheidung Stübichs, den Bildungsbereich abzugeben.

Den Zuschlag erhielt jedenfalls Anfang Oktober die in Reutlingen ansässige GfN Gesellschaft für Network Training AG. Ein bislang weitgehend unbekannter Schulungsanbieter, der allerdings aggressive Expansionspläne hegt. Noch in diesem Jahr wollen die Schwarzwälder vom Freiverkehr der Stuttgarter Börse an den Neuen Markt wechseln - da benötigt man eine entsprechende Wachstumsstory. "Das von uns erworbene Portfolio ist für GfN eine hervorragende Ergänzung", schwärmte auch der Ditec-Chef beim offiziellen Pressetermin. Stübich dürfte aber wohl am meisten vom erzielten Verkaufspreis angetan sein. Konkrete Zahlen in puncto Erlös bleibt er zwar schuldig, ein ordentlicher Schnitt ist dem gewieften Taktiker aber in jedem Fall zuzutrauen.

Geschick dürfte für den Ditec-Lenker auch in Zukunft erforderlich sein. Bis auf weiteres ist nun zwar die Unternehmenskasse saniert, doch die einstige "Drei-Säulen"-Gesellschaft ist gekippt, Ditec ist nun ein einfaches Systemhaus mit Zielgruppe Mittelstand. Alle Anstrengungen der Münchner richten sich nun auf das Geschäft mit Applikationen rund um das Finanz- und Personalwesen sowie deren Integration und Betreuung. Dieses Marktsegment ist umkämpft wie kein anderes. Neben zahlreichen Kleinanbietern werben dort zunehmend auch die großen ERP-Anbieter um die begehrte Mittelstandsklientel.

Doch Stübichs Motto heißt: "Bangemachen gilt nicht!" Schließlich habe man im vergangenen Geschäftsjahr den Systemhaus-Umsatz um 28,8 Prozent von 33 auf 42,5 Millionen Mark verbessern können, operativ sogar leichte Gewinne eingefahren und damit die gesteckten Ziele erreicht. Für das laufende Jahr sind 50 Millionen Mark ins Visier genommen. "Die werden wir auch erreichen, denn wir haben Arbeit ohne Ende", gibt er zu Protokoll. Auch andere Kenngrößen sprechen seiner Ansicht nach für Stabilität. Man verfüge über ein üppiges Polster an 4000 Altkunden noch aus Kienzle- und Philips-Beständen. Gleichwohl mache das Geschäft mit Neukunden bereits stolze 60 Prozent aus. Insgesamt stünden derzeit noch 180 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste. "Damit können wir flächendeckend arbeiten", behauptet der Ditec-Chef, macht aber gleichzeitig keinen Hehl daraus, daß er händeringend nach Personal sucht. Geplant ist, das Team in den nächsten Monaten auf 200 Personen aufzustocken.

Auch in Sachen Produktangebot will Stübich wieder expandieren. "Wir sind heute stark in den Bereichen Handel und Dienstleistungen sowie in der diskreten Fertigung. Verbessern müssen wir uns im komplexen Anlagenbau und in der Prozeßtechnik." Wichtig sei, daß das Unternehmen jetzt auf einer soliden finanziellen Basis stehe. Zudem seien alle Produkte technologisch State-of-the-art und nicht "älter als drei Jahre". Vermeintlich gute Vorzeichen also, die den Ditec-Chef zu der Prognose verleiten, zum Ende des nächsten Geschäftsjahres "operativ schwarze Zahlen zu schreiben". Umstrukturierungen aber wird es auch weiterhin geben. Denn Stübich will das Systemhaus an die Börse führen. Für das nächste Jahr sei das Going Public zwar noch kein Thema, danach aber soll auch dieser Schritt geschafft werden.

Daß durch den Schrumpfungsprozeß das vor fünf Jahren ursprünglich als Notlösung geborene Unternehmenskonzept der Ditec nunmehr endgültig als gescheitert betrachtet werden muß, läßt Stübich nicht gelten. "Das Projekt ist damals unter der Prämisse gestartet worden, Arbeitsplätze für Digital-Mitarbeiter zu retten. Das haben wir geschafft." Auch wenn heute nur noch 70 der ursprünglich 1302 Beschäftigten im Boot säßen, habe niemand seinen Arbeitsplatz verloren. "Alle Umstrukturierungen erfolgten im Zuge von Management-Buy-Outs oder Betriebsüberführungen, und so arbeiten die betroffenen Mitarbeiter jetzt zwar unter einem anderen Dach, aber sie arbeiten."