Systemanalytiker und Anwendungsprogrammierer

30.07.1976

Erstausbildung bringt nur 30% der Qualifikation

FURTWANGEN -Die Entwicklung allgemeingültiger, vollständiger Qualifikationsprofile für jeden DV-Berufstyp strebt Prof. Dr. J. Löhn an der Fachhochschule Furtwangen an. Ein Teil der Vorarbeiten ist abgeschlossen: Im Auftrag des Berliner Bundesinstitutes für Berufsbildungsforschung (BBF) entwickelte Löhn ein Erhebungsverfahren zur "Feststellung fachspezifischer Tätigkeiten in der Datenverarbeitung".

Dazu gehört ein 35 Druckseiten umfassendes System von Deskriptoren für die Beschreibung der Tätigkeiten des Systemanalytikers/Organisators und des Anwendungsprogrammierers - auf diese Berufe war die Vorstudie beschränkt. Mit dem Erhebungsverfahren können die in der Praxis erbrachten Leistungen, die entsprechenden Anforderungen in Form von Qualifikationsprofilen und die Lernziele für die Berufsausbildung abgeleitet werden. Die Arbeiten sollen einerseits der Vorbereitung staatlicher Ordnungsmaßnahmen bei der Aus- und Weiterbildung von DV-Fachkräften dienen - sie können andererseits auch für die Formulierung von Stellenbeschreibungen genutzt werden.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Befragungen bei fünf EDV-Großanwendern und einem MDT-Hersteller, die im Rahmen der Vorstudie durchgeführt wurden:

- Der Anwender ist der Meinung (wir übrigens auch), daß in der sogenannten Erstausbildung lediglich etwa 30% der DV-Qualifikationen erworben werden, ganz gleich ob die Erstausbildung als Lehre, Fachschulausbildung, Fachhochschul- oder Universitätsstudium erfolgt. Die übrigen 70% der erforderlichen DV-Qualifikationen werden durch "training on the job" in Verbindung mit meist internen Weiterbildungsmaßnahmen erreicht.

- Es besteht so gut wie gar keine Rückkopplung zu Institutionen, die Erstausbildung vermitteln. Der Anwender nimmt den Umfang und die Art der Eingangsqualifikation in den Beruf als feste Größe hin. Einmal ist er überzeugt, daß die Erstausbildungsinstitution nicht bereit ist auf die wirklichen praxisorientierten Bedürfnisse einzugehen; zum anderen meint er, daß sie dazu wegen der fehlenden Rückkopplung der Ausbilder zur Praxis auch nicht in der Lage ist. Gewünscht wurde eine Erhöhung des Erstausbildungsanteils auf 50% der gesamten Kenntnisse. Ein höherer Prozentsatz erscheint für die Erstausbildung ausgeschlossen.

- Bei der Beschreibung der Profile wurde auf die Gefahr hingewiesen, daß hiermit zwar eine DV-Fachkraft beschrieben wird, aber lediglich zu etwa 2/3 ihrer Qualifikationen. Der fehlende Anteil von etwa 1/3, der den

wesentlichen Unterschied zwischen zwei DV-Fachkräften ausmacht, erfordere dagegen einen ungleich höheren Aufwand.

- Sofern in einer Abteilung etwa 10 Systemanalytiker der gleichen Gehaltsgruppe mit der gleichen Stellenbeschreibung beschäftigt sind, so war man der Meinung, daß lediglich etwa 1/2 bis maximal 2/3 der Anforderungsprofile übereinstimmen.

- Ein Problem bei der Diskussion von Stellenbeschreibungen war, die vielfältige Projektarbeit zu fixieren. Einmal fehlen für die ganze Breite der Systemanalyse entsprechende detaillierte Anforderungsprofile, zum anderen ergibt sich ein arbeitsrechtliches Problem. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der Mitarbeiter dann auch Anspruch hat, die gesamte Palette der Aufgaben gestellt zu bekommen.

- Systemanalytiker/Organisator und Anwendungsprogrammierer sind eigenständige Hauptberufe. Es gibt keine typischen Qualifikationsunterschiede nach Computergrößenklassen, Betriebsgröße oder Wirtschaftssektor. Je nach Integrationsgrad der Problemlösung können die Anforderungen jedoch schwanken. Die Arbeiten werden zur Zeit durch Entwicklung von Stellenbeschreibungen für verschiedene Anwender fortgeführt.

Informationen: "Studie zur Entwicklung neuer analytischer Methoden zur empirischen Erfassung der für Aus- und Weiterbildung von DV-Fachkräften erforderlichen Qualifikationen im DV-Anwendungsbereich", Prof. Dr. J. Löhn, Fachhochschule 7743 Furtwangen.