Superserver statt Mainframes/Sequent: Seit zwoelf Jahren im Multiprozessorgeschaeft SMP-Systeme haben Unix neue Anwendungsbereiche eroeffnet

10.11.1995

Von Heiko Schrader*

Lange Zeit hatte Unix das Image, ein Betriebssystem fuer Entwickler zu sein. Die einst dominierenden Einprozessorsysteme bildeten gerade fuer umfangreiche Anwendungen im kommerziellen Bereich eine Schallmauer. Erst die Technologie des symmetrischen Multiprocessing konnte diese Leistungsbarriere ueberwinden.

Sequent hat vor zwoelf Jahren mit der Vorstellung des ersten SMP- Systems eine Vorreiterrolle uebernommen. Heute lassen sich die "Symmetry"-Server auf bis zu 30 Prozessoren, 3,5 GB Hautspeicher und 32 I/O-Kanaele mit jeweils 20 MB/s ausbauen. Den Schritt in Richtung Mehrprozessortechnologie zieht heute auch die Mainframe- Welt nach. Selbst "klassische" Grossrechnerhersteller bieten Multiprozessorloesungen an.

Als Unix-Systeme noch in den Kinderschuhen steckten, wurden sie - nicht ganz zu Unrecht - oeffentlich an den Pranger gestellt, weil ihre Stabilitaet zu wuenschen uebrig liess. Diese Zeiten sind vorbei. Der Betrieb von unternehmensweiten Anwendungen auf Unix-Systemen stellt kein Risiko mehr dar, denn Unix ist zu einer stabilen, leistungsfaehigen und sicheren Betriebssystem-Umgebung herangereift.

Unix in empfindlichen Unternehmensbereichen

Die heute angebotenen SMP-Server unter Unix bilden eine hochverfuegbare Plattform, der Unternehmen auch die empfindlichsten Bereiche ihrer DV anvertrauen koennen. Denn selbst fuer den Fall der Faelle ist ausreichend vorgesorgt. Ein mehrstufiges Sicherheitspaket schuetzt den Anwender von Symmetry-Servern vor den Folgen eines Systemabsturzes oder eines Ausfalls einer Systemkomponente.

Die auf Festplatten gespeicherten Daten werden entweder mit Raid 1, dem identischen Spiegeln der Platteninhalte auf eine zweite Platte, oder mit Raid 5, dem Speichern von zusaetzlichen Pruefsummen fuer Fehlerkorrekturen, gesichert. Sollte eine andere Systemkomponente ausfallen, deaktiviert die integrierte Diagnosesoftware die funktionsunfaehige Komponente und rekonfiguriert das System automatisch. Das stellt den Weiterbetrieb des Gesamtsystems ohne die schadhafte Komponente sicher.

Cluster-Konfigurationen schuetzen die Anwender auch gegen den Ausfall eines ganzen Knotens. Auf den physikalisch nur einmal vorhandenen Datenbestand haben alle Systeme des Clusters dieselbe logische Sicht und identische Zugriffsmoeglichkeiten. Dabei verhindert eine Cluster-Software, dass konkurrierende Zugriffe von mehreren Knoten aus zu inkonsistenten Datenbestaenden fuehren. Zudem kann ein Knoten im laufenden Betrieb Plattensysteme, auf die im Normalbetrieb nur ein einzelner Server zugreift, bei Ausfall dieses Rechners uebernehmen.

Sequent bietet eine Hotline, bei der der Anwender an allen sieben Tagen der Woche rund um die Uhr Support anfordern kann. Die Response-Zeit ist dabei nach individuellen Vertraegen entsprechend der Kundenbeduerfnisse geregelt. Auf Wunsch steht ein Techniker vor Ort zur Verfuegung.

Zudem stellt Sequent bei Bedarf einen Desaster-Recovery-Service bereit. Dieser installiert bei einem Komplettausfall des Systems innerhalb einer individuell vereinbarten Zeit ein Zweitsystem und macht es binnen kuerzestmoeglicher Frist lauffaehig.

Im Gegensatz zu proprietaeren Loesungen benoetigen Sequent-Cluster keine Spezialhardware zur Verbindung der Knoten. Daher lassen sich einzelne Server leicht auch im nachhinein zu einen Cluster konfigurieren. Der Transfer grosser Datenmengen zu und von den Peripheriegeraeten erfordert im Cluster-Verbund ein grosses Mass an Skalierbarkeit der I/O-Aktivitaeten. Sequent setzt hierzu eine Hochleistungs-I/O-Einheit ein.

Sie ermoeglicht auch den Einsatz der Scalable-Data-Interconnect- Technologie (SDI). Diese Paralleltechnologie verteilt komplexe Queries auf mehr als 100 Intel-Pentium-Prozessoren in einem Cluster aus mehreren SMP-Systemen von Sequent. Damit lassen sich in extrem grossen Data-Warehouses besonders schnelle Abfrageergebnisse erzielen.

Bis zu vier Server koennen derzeit ein Cluster bilden. Jeder einzelne dieser Knoten basiert auf der Prozessorarchitektur von Intel. Die derzeit aktuelle Modellreihe Symmetry 5000 setzt Pentium-Prozessoren mit einer Taktrate von 66 oder 100 Megahertz ein. Jeder Knoten laesst sich in seiner Maximalkonfiguration auf 30 Prozessoren ausbauen. Der Preis der Einstiegskonfiguration liegt hierbei um 155 000 Mark. Gilt es, ein System mit einer niedrigeren Ausbaustufe aufzuruesten, so ist dies sowohl ueber die Mischung verschiedener Prozessorgenerationen in einem System als auch ueber den kompletten Austausch der Prozessorkarten moeglich.

Seit der Vorstellung der ersten Server mit symmetrischer Multiprocessing-Technologie 1984 hat Sequent weltweit mehr als 7000 Systeme installiert. Wesentlicher Baustein dieser Systemarchitektur ist der "Single-Image-Ansatz". Fuer Anwender, Software-Entwickler und Systemadministratoren stellt sich der Prozessorverbund eines Servers wie ein einziges System mit nur einer I/O-Komponente und einer Recheneinheit dar.

Die Lastverteilung auf die einzelnen Prozessoren steuert das Betriebssystems Dynix/ptx automatisch. Sequent hat Dynix speziell fuer die Anforderungen des symmetrischen Multiprocessing entwickelt. Es basiert auf Unix System V, Release 4, und ist konform zu Standard-Schnittstellen wie der System V Interface Definition, Posix oder X/Open XPG4.

Ein ebenso einheitliches Bild ergibt sich bei einem Blick auf die Speicherarchitektur eines Symmetry-Servers. Er arbeitet nach dem Prinzip des Shared Memory. Alle Ressourcen, wie beispielsweise die Prozessoren, nutzen gemeinsam einen Hauptspeicher in einer Groessenordnung von 64 MB bis zu 3,5 GB. Jedem Prozessor stehen zusaetzlich 2 MB pro eingesetzte CPU als Cache-Speicher zur Verfuegung.

Als externe Speicher von Datenmengen bis zu 2 TB dienen SCSI-II- Festplatten. Hierbei werden die Raid-Level 0, 1 und 5 unterstuetzt. Dabei stehen 32 Kanalverbindungen mit einer Uebertragungsleistung von je 20 MB/s bereit. In naher Zukunft wird es auch moeglich sein, Festplatten-Subsysteme in einer Entfernung von bis zu zehn Kilometern vom Server zu betreiben. Die Verbindung werden Glasfaserkabel mit Fiber-Channel herstellen.

Massenspeicher, Kommunikations-I/O-Einheit, Prozessoren und Hauptspeicher sind mit einem gemeinsamen Bus-System, dem "Sequent Highly Scalable Bus", verbunden. Dieser Hochgeschwindigkeits-Bus ist eine spezielle Optimierung fuer die SMP-Systeme von Sequent.

Die modernen SMP-Loesungen brauchen den Vergleich mit dem traditionellen Host nicht zu scheuen. In puncto Leistung, Sicherheit und Stabilitaet stehen sie dem Mainframe heute in nichts mehr nach - und das zu einem Bruchteil der Kosten. Aus diesen Gruenden ueberlegen immer mehr Unternehmen, auf offene Systeme umzusteigen.

Eine Investition in neue Informationstechnologie ist in den meisten Faellen jedoch keine einfache Entscheidung. Nur selten geht es noch um einen kompletten Austausch eines aelteren Systems, eher schon um einen sanften Uebergang in die offene Unix-Welt. Denn die Anwender wollen Investitionen der Vergangenheit schuetzen, gleichzeitig aber die Produktivitaet des Unternehmens durch eine modernere DV steigern.

Es geht also darum, moderne, leistungsstarke Technologien in bereits bestehende DV-Landschaften zu integrieren. Sequent-Systeme unterstuetzen die meisten gaengigen Protokolle wie TCP/IP, IPX/SPX, Decnet, OSI oder auch SNA. Im LAN-Bereich lassen sie sich via Ethernet, FDDI, Token-Ring und IBM-Kanalanbindungen ebenso integrieren wie in Wide Area Networks.

Die optimierte Eingliederung von SMP-Loesungen in bestehende IT- Umgebungen ist nicht mit einem Standardpaket "plug and play" zu loesen. Vielmehr bedarf es in jedem Einzelfall einer massgeschneiderten Loesung, denn die Aufgabenverteilung zwischen dem Mainframe und dem zu integrierenden Unix-System kann ganz unterschiedlich sein.

Eine sinnvolle Aufteilung ist zum Beispiel gegeben, wenn in einem Geschaeftsbereich eine Anwendung auf dem Symmetry-System neu entwickelt werden soll, deren Datenbestand groesstenteils unabhaengig von Altbestaenden auf dem Mainframe ist. Der Zugriff auf die noch benoetigten, kleineren Datenmengen, die auf dem Mainframe vorgehalten werden, laesst sich ueber Connectivity-Produkte loesen.

Kooperation von SMP-Server und Mainframe

Ein anderes gutes Beispiel fuer das Miteinander von Mainframe und SMP-Server sind Data-Warehouses. Das Decision-Support-System liegt komplett auf dem Unix-Rechner, der Mainframe bleibt weiterhin als OLTP-Umgebung im Einsatz. Diese Konfiguration gewaehrleistet, dass sich der Mainframe weiterhin nutzen laesst, die Queries auf das Decision-Support-System die Leistungsfaehigkeit des OLTP-Systems jedoch nicht beeintraechtigen.

Um solche umfangreiche Loesungen zu realisieren, arbeitet Sequent mit Datenbankherstellern wie Oracle, Informix, Sybase, Computer Associates, Progress und Microsoft zusammen. Fuer das System-, Datenbank- und Applikations-Management koennen unter anderem "Patrol" von BMC, "Ecotools" von Compuware oder "Unicenter" von CA Verwendung finden.

Den Einsatz von Clustern und High-Availability-Konfigurationen verwaltet ausschliesslich die Software "ptx/Clusters". Ferner bieten Transaktionsmonitore wie Tuxedo einen redundanten Server- Dienst. Die Sequent-Server unterstuetzen sowohl synchrone als auch asynchrone Transaktionsverarbeitung.

Mehr als 750 Standardsoftwarepakete von 300 Unternehmen laufen auf der SMP-Plattform von Sequent, unter anderem "SAP R/3", "Peoplesoft", "Baan Triton", "Oracle Financials" und "Manufacturing". Fuer die Beratung von Unternehmen bei der Umsetzung ihres Geschaeftsmodells aus dem Business-Process-Re- Engineering in neue informationstechnische Infrastrukturen arbeitet Sequent mit Beratungspartnern wie Cap Debis, CSC/Ploenzke, EDS und KPMG zusammen.

*Heiko Schrader ist Leiter Produkt-Marketing bei Sequent Computer Systems in Ismaning.