Datenerfassung in Klinischen Labors:

Supermarkttechnik für Blutproben

28.02.1975

Exclusiv für CW, von Dipl.-Kfm. R. H. Greve

POS (Point-of-Sale)-Systeme werden seit einigen Jahren zur Datenerfassung im Handel eingesetzt. Die Waren sind so ausgezeichnet, daß Artikelnummer und Preis visuell und maschinell zu lesen sind. Für die maschinelle Lesbarkeit werden die Daten in einem Strichcode verschlüsselt. Zum Kassieren oder Fakturieren erfaßt man die Daten, indem man mit einem elektronischen Lesestift über die Codierung streicht. Von einem ebenso codierten Kundenausweis können auch Kundennummer und -adresse eingelesen werden. Die drucken den Registrierkassen sind an einen Terminalrechner angeschlossen, der im Realtime-Betrieb arbeitet und für die Weiterverarbeitung der Umsatzdaten on line mit einem zentralen Computer verbunden sein kann.

Vorteile auch, wo nicht mit Waren gehandelt wird

Diese Methode der integrierten Datenerfassung und -verarbeitung ist für den Handel konzipiert; aber kann man sie nicht auch bei anderen betriebswirtschaftlichen oder technisch-wissenschaftlichen Aufgaben anwenden? Das Beispiel einer Labor-Anwendung zeigt, daß POS-Systeme auch dort organizatorische Vorteile bringen, wo überhaupt nicht mit Waren gehandelt wird. In medizinischen Labors besteht das Problem der Probenidentifikation. Wenn Blutoder Gewebeproben verwechselt werden, kann das verheerende-Folgen für die Patienten haben.

Kurztristig erforderliche Analyse mit hohem Risiko

Das Risiko ist dem klar, der weiß, daß in einem 1000 Betten-Krankenhaus täglich zwischen 3000 und 4000 Röhrchen und flache Objektträger anfallen. Im Labor müssen sie kurzfristig analysiert werden. Mehrere private und Krankenhaus-Labors in Deutschland haben ihre Organisation durch Einsatz von POS-Systemen bereits verbessert.

Die Ablauforganisation eines solchen Systems ist hier am Beispiel eines klinischen Instituts gezeigt. Ingo Fischbach hat während der Vl. Deidesheimer Informationstagung für Datentechnik (Juni1974) erstmals darüber berichtet.

1. Probeneingang: Unmittelbar nach dem Auspacken der Proben wird über das Terminal eine Patientennummer vergeben. Die Angaben über den Patienten werden über die Tastatur eingegeben; der Vorgang ist damit eröffnet. Ebenso wird die Zahl und die Art der erforderlichen Analysen je Patient eingetastet. Gleichzeitig werden über einen angeschlossenen Etikettendrucker die strichcodierten und visuell lesbaren Etiketten in der benötigten Anzahl für das Mutterröhrchen und alle Tochterröhrchen gedruckt.

2. Probenverteilung: Die Etiketten werden auf Mutter- und Tochterröhrchen geklebt, die Röhrchen dann in ein Verteilerbrett eingeordnet.

3. Manuelle Analysen: Die medizinisch-technische Assistentin entnimmt die Tochterröhrchen, analysiert sie und gibt die Ergebnisse, sofern es sich um quantitative Meß'werte handelt, über die Tastatur eines Terminals an ihrem Arbeitsplatz ein. Qualitative Werte werden aus einer strich-codierten Liste mit dem Lesestift direkt eingelesen, die zugeordnete Patientennummer wird mit dem gleichen Lesestift vom Etikett am Röhrchen erfaßt.

4. Automatische Analyse: Die Meßergebnisse gelangen on line vom Meßgerät an den Terminalrechner; die Patientennummer wird wiederum von strich-codierten Etiketten erfaßt und zugeordnet.

5. Auswertung: Der Protokolldrucker schreibt die Untersuchungsprotokolle. Zur Probenauswertung kommt auch eine Probenbewertung hinzu. Der Rechner übernimmt nämlich die Meßwerte, die außerhalb eines Vertrauensbereiches liegen, nicht widerspruchslos. Diese Werte müssen von der MTA freigegeben werden.

Je größer die Analyseserien sind, um so mehr kann aus den Ergebnissen abgelesen werden, und es ist besser möglich, rein verfahrenstechnische Mängel über den Rechner auszugleichen. Die meisten Meßinstrumente arbeiten mit einem Schlauchsystem. Daraus folgt, daß bei Proben mit einer sehr hohen Konzentration ein Teil der Konzentrate verschleppt wird; deshalb können folgende niedrig konzentrierte Proben noch zu hohe Ergebnisse ausweisen.

Diese sogenannte Drift kann auf Grund von Formeln durch den Rechner ausgeglichen werden. In den meisten Fällen geht das nach einem linearen Standard-Umrechnungsverfahren;

schwierig wird es, wenn Grenzbereiche erreicht werden. Eine lineare Umrechnung kann nämlich die MTA noch ausführen, schwieriger ist es bei einer nicht-linearen Eichkurve. Hier bewährt sich der Computer, der die Eichtabelle gespeichert hat und die Meßwerte entsprechend verarbeitet.

Untersuchungsergebnisse

Der Schnelldrucker des zentralen Computers druckt die individuellen Untersuchungsergebnisse und die Liquidation. Die Untersuchungsbefunde werden jedoch erst nach abschließender Kontrolle von dem verantwortlichen Arzt freigegeben.

An diesem Beispiel, bei dem Hard- und Software von ADS eingesetzt werden (Modulflex-terminals und ALIS), ist zu sehen, wie mit organisatorischer Phantasie Datenverarbeitungstechniken genutzt werden können, die ursprünglich für andere und ganz spezielle Aufgaben konzipiert waren. Der Problembereich Datenerfassung benötigt heute wahrscheinlich mehr Phantasie und Kombinationsvermögen als neue technische Verfahren.