Das Ende der Universalrechner naht:

Super-Maxiframes kontra Spezial-Minis

13.07.1984

MÜNCHEN - Die Konstellation von zentralen Mainframes auf der einen und Mikros am Arbeitsplatz auf der anderen Seite spiegelt die gängige Behauptung in der Branche über die zukünftige Computerlandschaft wider. Die Entwicklungen bei Halbleitern, Massenspeichern und Netzwerktechnologien weisen dagegen in die Richtung gleichberechtigter Komponenten, führt Klaus Kemmler, Digital Equipment GmbH, München, aus.

Allen Mikros, Minis, Superminis und Mainframes ganz gleich, ob sie auf einem Chip in VLSI-(Very-Large-Scale-Integration-)Technik oder konventionell aufgebaut sind, ist eines gemeinsam. Sie sind sogenannte Von-Neumann-Maschinen. Als Universalrechner legen sie Daten und Befehle im gleichen Speicher ab und bearbeiten sequentielle Befehle in einem Rechenwerk. Parallel dazu wurden in den letzten Jahren Spezialrechner entwickelt, die den Bedarf nach reiner Rechenleistung befriedigen sollten, wie es etwa in der theoretischen Physik, der Simulation, der Signalverarbeitung und der Bildverarbeitung gefordert wird. Diese vierte Gattung von Rechnern entsprechen dem Von-Neumann-Konzept nicht mehr und können auch nicht mehr universell eingesetzt werden. Diese Spezialcomputer sind im Prinzip Einzweckrechner. Neben den reinen "Zahlenmampfern" (Numbercrunchers) sind auch andere Entwicklungen in diese Richtung erkennbar: Die Rede ist von Datenbankmaschinen oder Expertensystemen.

Die Weiterentwicklung der Halbleitertechnologie bringt die Leistung heutiger Superminis, also gestriger Mainframes, an den Arbeitsplatz. Die gesunkenen Hardwarekosten tragen dazu bei. Die hohe Leistung dieser Prozessoren wird jedoch für optimale Benutzerführung und einfachste Bedienung verbraucht und steht damit als reine Rechnerleistung nicht mehr zur Verfügung.

Die Kosten für Massenspeicher gehen mit etwa 30 Prozent pro Jahr nach unten. Schon heute werden 51/4-Zoll-Winchester-Platten mit 300 MB entwickelt. Die kompakten Abmessungen und der niedrige Preis dieser Speicher ermöglichen die Verfügbarkeit aller lokal relevanten Daten vor Ort.

Industrieweit standardisierte Protokolle ermöglichen die Anwendung der VLSI-Technologie auch für den Netzwerkanschluß an lokale und öffentliche Netze mit hohen Geschwindigkeiten (100 MBit pro Sekunde).

Auf Grund dieser Annahmen ergibt sich für die Zukunft ein Szenario mit dem Schwergewicht auf gleichberechtigten Komponenten. Anstelle der Universalrechner, auf denen eine Vielzahl unterschiedlichster Applikationen läuft, wird man dedizierte Rechner einsetzen. Diese werden zum Teil auf der Architektur von Universalrechnern basieren, in zunehmenden Maße aber auch spezielle Architekturen verkörpern.

Die dedizierten Rechner werden über leistungsfähige Netze miteinander verknüpft. Im Netz sind alle Rechner gleichberechtigt, erfüllen aber gemäß ihrer Eignung die unterschiedlichsten Aufgabenstellungen: etwa als Dialog-Server, der das Mensch-Maschine-Interface darstellt und den Zugang auf die Dienste und Rechner der Netze ermöglicht, oder

auch der Textverarbeitungsrechner, der alle grammatikalischen und orthographischen Regeln mehrerer Sprachen beherrscht. Weiter steht der "Numbercruncher" für numerisch intensive Aufgaben oder die Datenbankmaschine für die Verwaltung der zentralen Daten zur Verfügung. Natürlich werden in diesem Verbund auch Universalrechner Platz haben, funktional gesprochen jedoch als Einbenutzersystem.

Die Universalfunktion wird dabei eingesetzt, um das intelligente Terminal wahlweise mit einer Applikation zu laden (beispielsweise Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, elektronische Post etc.)

Das Netzwerk der Zukunft sieht keine Hierarchie vor, sondern ein verteiltes System mit Komponenten unterschiedlichster Leistungsklasse und Zielrichtung. Die Organisationsstruktur eines Unternehmens muß eine solche Netzwerkstruktur nicht notwendigerweise reflektiert. Kein Netzwerk jedoch wird die betrieblichen Organisationsformen unberührt lassen, aber auch wenn diese hierarchisch bleiben, kann das Netzwerk als verteiltes System die betrieblichen Abläufe am besten unterstützen. Zentrale Super-Maxiframes oder Universalrechner und hierarchische Netzwerke haben vor diesem Hintergrund längerfristig kaum eine Chance.