Letzte Modalitäten noch nicht geklärt

Suns zaghafte Öffnung von Solaris sorgt für Irritation im Markt

08.10.1999
MÜNCHEN (IDG) - Sun Microsystems will Entwicklern den Sourcecode seines Unix-Derivats "Solaris" öffnen. Experten halten diesen Schachzug für halbherzig und wenig sinnvoll für die Anwender.

Um an die Erfolge von Linux und des damit verbundenen Open-Source-Modells anzuknüpfen, bedarf es mehr als der Veröffentlichung von Quellcode, kommentiert IDC-Analyst Dan Kusnetzky die Sun-Initiative. Der Hersteller will ähnlich wie bei Java und Jini auch für sein Betriebssystem Solaris eine "Community Source License" einführen. Sie besagt, daß Entwickler den Sourcecode kostenfrei aus dem Netz herunterladen und damit experimentieren können. Unter zwei Bedingungen: Jede Veränderung an Solaris muß gegenüber Sun als Eigentümer dokumentiert werden; außerdem verlangt der Hersteller spätestens dann Lizenzgebühren, wenn sich aus der Entwicklung ein kommerziell verwertbares Produkt ergibt. Insofern ist Firmen wie Eastman Kodak, die Solaris in einige Produkte eingebaut haben, mit diesem Lizenzmodell nicht gedient.

Kusnetzky bedauert, daß die Sun-Initiative keine wirkliche Öffnung bedeutet, sondern eher als Marketing-Taktik gewählt wurde. Der Experte argwöhnt außerdem, daß noch nicht eindeutig geklärt ist, wer letztlich die Rechte an Solaris-Erweiterungen hat: Sun als Copyright-Besitzer oder die Entwickler mit ihren Modifikationen. Ungewiß sei derzeit auch, ob Sun den vollständigen Sourcecode freigibt oder nur Teile daraus.

Der Gewinner steht für Kusnetzky fest. Sun erhält über dieses Lizenzmodell ein Know-how, das der Hersteller mit eigenen Mitteln nie aufbauen könnte. Weshalb jedoch Entwickler dieses Spiel mitmachen sollten, weiß der IDC-Analyst nicht. Aufgrund des freigegebenen Sourcecodes lassen sich unter Umständen Erfahrungen mit Funktionen sammeln, die Linux derzeit noch nicht bietet. Kusnetzky warnt allerdings vor der Gefahr, auf diesem Weg in die proprietäre Sackgasse von Solaris zu geraten.

Derweil beschwichtigt Sun, daß man zwar Solaris als Open-Source-Software freigeben wolle, eine Reihe von Modalitäten dafür aber noch nicht geklärt sei. Von einem plötzlichen und grundlegenden Strategiewechsel, wie ihn das "Wall Street Journal" unterstellt hat, will das Unternehmen nichts wissen. Schließlich habe man derartige Absichten schon zu Beginn dieses Jahres geäußert.

Produktseitig befindet sich Version 8 von Solaris derzeit im Betatest, Anfang nächsten Jahres soll das Release marktreif sein. IDC zufolge belegte das auf Intel- und Sun-Sparc-Rechnern laufende Betriebssystem 1998 Rang zwei am Unix-Markt. Mit einem Anteil von 22,2 Prozent rangiert es hinter SCO-Unix mit 39,8 Prozent.