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Thema des Tages

Sun stellt Java-Entwicklungs-Tools ein

01.10.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Sun Microsystems will inoffiziellen Berichten zufolge die Java-Entwicklungswerkzeuge "Java Workshop" und "Java Studio" nicht länger anbieten. Statt dessen soll der Workstation-Hersteller kurz nach der Übernahme von Forté erneut auf Einkaufstour sein, um sein Portfolio an Programmierwerkzeugen zu vervollständigen.

So erfolgreich Sun Microsystems Java als Plattform vermarktete, so wenig konnte sich die Company von CEO (Chief Executive Officer) Scott McNealy bisher als Anbieter von Java-Produkten etablieren. Im Gegensatz dazu nutzen etwa IBM, Bea oder Oracle die steigende Beliebtheit der Sun-Technik auf dem Server, um Geschäfte mit einschlägiger Middleware oder Back-end-Systemen zu machen. Sun versuchte durch den Kauf von Netdynamics, den Server-Produkten von Netscape und zuletzt Forté in diesem Markt gegenüber der Konkurrenz aufzuholen.

Nun zeigt sich, daß der Workstation-Anbieter auch bei Java-Tools keine glückliche Hand hat. Ein Sprecher der kalifornischen Firma bestätigte Berichte, wonach für die Entwicklungswerkzeuge Java Workshop und Java Studio das Aus gekommen sei. Bei ersterem handelt es sich um eine Entwicklungsumgebung für Java, die anfangs durch ihr neuartiges Konzept auf sich aufmerksam machte: Sie lief innerhalb eines Browsers ab und bestand zum Großteil aus Java-Applets. Das Java Studio wandte sich weniger an Programmierer, sondern eher an geübte Anwender, um aus Javabeans Applikationen zu komponieren. Noch Mitte letzten Jahres gab Sun Pläne bekannt, wonach Java Workshop und Java Studio verschmolzen und später mit der C++-Entwicklungsumgebung "Visual Workshop" zusammengeführt werden sollte.

Die Sun-Verantwortlichen sehen ihr Unternehmen als Plattformanbieter, der ein übergreifendes Software-Angebot inklusive Entwicklungswerkzeuge benötigt. Deshalb soll die Unix-Company nach Aufgabe ihrer eigenen Tools bereits Ausschau nach einem geeigneten Übernahmekandidaten halten. Nach dem Kooperationsabkommen mit Microsoft und der damit verbundenen Finanzspritze durch Bill Gates scheidet die angeschlagene Inprise Corp. alias Borland wahrscheinlich aus. Die Rede ist daher von Netbeans, einer tschechischen Firma, in deren Vorstand Esther Dyson vom Venture-Kapitalisten Edventure vertreten ist. Der "Netbeans Developer" ist eine vollständig in Java geschriebene grafische Programmierumgebung inklusive Editor, Debugger sowie Compiler und wird als eines der ersten Tools die "Java 2 Enterprise Edition" unterstützen.

Nachdem Sun kurzzeitig erwog, den Code von Java Workshop unter der Sun Community Source Licence freizugeben, zeichnet sich nun eher ab, daß der Workshop-Lizenznehmer Imperial Software Technology das Produkt weiterführen könnte. Dieser vertreibt das Java-Tool seit Mitte dieses Jahres unter der Bezeichnung "Visaj Workshop".

Suns Schwierigkeiten, mit Java-Produkten Geld zu verdienen, rühren zu einem Gutteil daher, daß die Company anfangs zögerte, verbündeten Unternehmen Konkurrenz zu machen und damit den Erfolg der Plattform zu gefährden. Kritiker bezweifeln allerdings, ob Sun als Hardware-Anbieter überhaupt für das Software-Geschäft gerüstet ist.