Sun pirscht sich an die RISC-Elite heran Ultrasparc-Prozessor verbluefft durch ausgekluegeltes Bus-System

16.06.1995

MUENCHEN (kk) - Der einstige Workstation-Primus Sun Microsystems Inc. praesentierte unter dem Motto "Sparc strikes back" auf der diesjaehrigen Sun World in San Franzisko ein komplettes Chipset rund um den neuen 64-Bit-Prozessor "Ultrasparc".

Suns extrovertierter Firmenchef Scott McNealy, bekannt fuer seine knackigen Auftritte vor versammelter Mannschaft, hatte sich fuer die Eroeffnungsrede zur Messe etwas Besonderes einfallen lassen. Die auf der Buehne plazierten vier Hydranten mit Namen IBM, DEC, HP und Microsoft umschnueffelte das vierbeinige Firmenmaskottchen "Network the dog", ohne allerdings die gewuenschte Markierung per Beinchenheben vorzunehmen.

An das Netzwerk dachten die Entwickler des neuen Sparc- Flaggschiffes ebenso wie an die derzeit im Trend liegenden Rufe nach Multimedia-Faehigkeiten. Dabei wollte man die einstige Kern- Kundschaft, die Gemeinde der technischen Workstation-Nutzer, nicht laenger verprellen und ihr endlich die benoetigte Leistungskraft fuer Berechnung und grafische Darstellung anbieten.

Der 64-Bit-RISC-Prozessor ist mit 167 Megahertz getaktet (eine Variante mit 143 Megahertz ist ebenfalls geplant) und erreicht Leistungswerte von 240 Specint92 sowie 350 Specfp92 bei den Fliesskommaberechnungen. Damit ist der Chip unterhalb der Alpha- Prozessoren mit 266 und 300 Megahertz angesiedelt, uebertrifft aber beispielsweise den Power-PC 604 (100 Megahertz) oder Intels Pentium mit 120 Megahertz.

Fuer Linley Gwennap vom Branchenblatt "Microprocessor Report" entspricht zwar die Taktfrequenz des Ultrasparc den Erwartungen, die Integer-Werte des Specmark-Tests verfehlten aber das urspruenglich anvisierte Ziel um rund 15 Prozent. Dafuer liege die Floatingpoint-Leistung des Chips deutlich ueber den Schaetzungen. Abstriche muesse die Kundschaft auch bei Verfuegbarkeit machen, da groessere Stueckzahlen erst im vierten Quartal 1995 ausgeliefert werden - ein Quartal spaeter als geplant. Zudem sind bislang noch keine Systeme auf Basis des Ultrasparcs angekuendigt.

Im Gegensatz zu frueheren Gepflogenheiten bietet Sun diesmal zeitgleich zur CPU ein komplettes Chipset fuer die Systemlogik sowie mit "Net.Core" die Plaene fuer ein Referenz-Design an - sechs Monate bevor mit ersten Ultra-sparc-Systemen gerechnet wird.

Das Chipset (siehe Abbildung) wird mit Ausnahme des XBAR-Bausteins von AT&T gefertigt. XBAR und der Mikroprozessor selbst stammen aus den Chipfabriken von Texas Instruments in Dallas. Zu beziehen ist die Hardware allerdings ausschliesslich ueber die Sun-Tochter Sparc Technology Business.

Wie die Abbildung zeigt, arbeitet selbst ein einfaches Ultrasparc- Design mit einer Reihe von entkoppelten Bus-Systemen. Damit laesst sich die Systemleistung steigern, da viele Bus-Transaktionen zeitgleich durchgefuehrt werden. Ausserdem koennen die einzelnen Verbindungen hinsichtlich Bandbreite und Taktrate nach Bedarf optimiert werden.

"Das Design ist sehr gut geeignet, um auch Mehrprozessor-Systeme zu bauen," urteilt Prozessor-Guru Gwennap. Der Nachteil der fast unbegrenzten Leistungssteigerung durch das Hinzufuegen von immer neuen Bussystemen liege in der Komplexitaet der Systemlogik- Bausteine, insbesondere des System-Controllers.

"Fuer Sun ist es ein grosses Anliegen, 1995 auch im technischen Markt wieder eine groessere Rolle zu spielen." Bob Pearson, bei Sun verantwortlich fuer das Marketing der Workstations, kann hoffen, dass dies mit dem Ultrasparc gelingt. Im Chip integriert ist das "Visual Instruction Set" (VIS), das 2D, 3D Bild- und Videoverarbeitung, MPEG-2 Bild-Dekompression und Audioverarbeitung unterstuetzt. Sun schielt dabei auch auf die Entwickler von Multimedia-Applikationen. Zur Frage der Systemsoftware siehe nebenstehenden Kommentar.