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Verzerrte Selbstdarstellung

Studie untersucht Meinungsführer in Online-Foren

10.12.2007
Von pte pte
Die Psychologin Anja Wiesner von der Johannes Kepler Universität in Linz hat sich einem bisher noch relativ unerforschten Gebiet angenommen. Sieben Monate lang untersuchte sie das Treiben so genannter Meinungsführer (Opinion Leader) in Online-Foren.

Unter der Annahme, dass User ein Forum nutzen, um Erfahrungen, Meinungen und Wissen mit anderen auszutauschen, wurde vor allem der Einfluss dieser Meinungsführer auf die Beiträge und Entscheidungen anderer Diskussionsteilnehmer untersucht. Ziel der Studie ist es herauszufinden, welcher Teilnehmer in welchem Umfang schreibt, auf welche Art von Postings die User stärker reagieren und ob die Personen, die sich anhand eines Fragebogens als Meinungsführer bezeichnen, tatsächlich die meiste Ahnung haben.

"Meinungsführer sind im Online-Kontext wichtige Segmente", erläutert Anja Wiesner, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pädagogik und Psychologie der Universität Linz, im Gespräch mit pressetext. Zunächst müsse man diese aber erst einmal identifizieren. "Ich beschäftige mich zur Zeit im Rahmen meiner Dissertation verstärkt mit Meinungsführerschaft", erklärt die Psychologin. Auf die Idee das Forschungsprojekt in Online-Foren durchzuführen sei sie deshalb gekommen, da man dort das Verhalten der Diskussionsteilnehmer sehr gut beobachten könne. Durch die aktuelle Untersuchung sollte auch die Annahme überprüft werden, dass Meinungsführer mehr Diskussionen und Reaktionen hervorrufen. "Die Untersuchung hat aber gezeigt, dass diese Gruppe zwar deutlich aktiver ist als jene der Meinungssucher. Doch die Beiträge der Sucher regen die anderen eher zu Antworten an", schildert Wiesner.

Für die Untersuchung hat die Wissenschaftlerin die Forennutzer in zwei Gruppen unterteilt: Meinungsführer und Meinungssucher. Ein Meinungsführer ist eine Person, der in einer sozialen Gruppe eine besondere Kompetenz zugesprochen wird, wenn es um die Lösung bestimmter Problemstellungen geht. Dies ist beispielsweise bei der Fragestellung nach der richtigen Bekleidung innerhalb dieser Gruppe feststellbar. Hier werden Einstellungen und Verhaltensweisen untereinander beeinflusst. Die Meinungsführer gehören in der Regel zu der Gruppe der Frühkonsumenten und dienen im Rahmen der zweistufigen Kommunikation als Multiplikatoren, die ihre positiven oder auch negativen Erfahrungen an Meinungssuchende weitergeben. "Aufgrund ihrer Funktion innerhalb einer Gruppe sind Meinungsführer ein wichtiger Faktor, den es im Marketing zu berücksichtigen gilt", meint Wiesner.

Neben den bisher genannten Aspekten war aber auch das Selbstbild der Forenteilnehmer ein weiterer zentraler Untersuchungsgegenstand. Die aktuelle Untersuchung legt hier die Vermutung nahe, dass die virtuell präsentierte eigene Person nicht immer mit der reellen Person übereinstimmt. So hat nicht jeder, der sich als Spezialist und Experte vorstellt, tatsächlich auch entsprechend fundiertes Wissen auf diesem Gebiet. "Die Anonymität des Internets ist hier ein wesentlicher Aspekt", stellt Wiesner fest. Man gehe in Online-Diskussionen kein Risiko ein, das eigene Selbstwertgefühl zu belasten. "In der Realität hingegen blamiere ich mich, wenn ich zugebe, dass ich zu einem Thema keine Meinung habe", ergänzt die Psychologin. (pte)