Auch etablierte Hersteller blicken besorgt in die Zukunft:

Strukturwandel im Mikrosoftwaremarkt

03.06.1983

Der harte Kampf um das Überleben neben den Großen wird in den nächsten Jahren zu einer völligen Umwandlung des Marktes für Mikrosoftwareprodukte führen, prophezeit Michael Gora, Senior Consultant der Arthur D. Little International Inc. (Wiesbaden). Seiner Ansicht nach müssen amerikanische und auch deutsche Hersteller ihre Strategie neu überdenken, um sich auf Dauer behaupten zu können.

Auffallend auf dem Mikrosoftwaremarkt ist seine eigene Struktur und die Tatsache, daß er sich nicht an die Spielregeln des traditionellen Softwaremarktes hält. Mit der zunehmenden Anwendung von standardisierten Betriebssystemen wie CP/M, Unix und MS/DOS wird Software nicht mehr nur für die Hardware eines einzigen Herstellers geschrieben, sondern für ein breites Marktspektrum.

Mit Software große Gewinne machen

Erst vor wenigen Jahren kamen die Hersteller von Großrechnern zu dem Schluß, daß die großen Gewinne mit der Software zu machen seien und nicht mehr mit der Hardware. Das führte zu einem stärkeren "unbundling" der Software. In vielen Fällen kam es auch zu engen oder losen Kopplungen zwischen Hardwareherstellern und Softwarehäusern, um den Anwendern ein breiteres Angebot verfügbar zu machen.

Keiner kann das Geschäft ablehnen

Die Suche nach einem möglichst großen Betätigungsfeld wird eine völlige Umwandlung des zukünftigen Mikrosoftwaremarktes bewirken. Die Softwarefirmen werden ihre Produkte bei den OEMs vertreiben, diese wiederum an den Großhandel, den Einzelhandel und den Endanwender weiterverkaufen. Eine solche Struktur der Mikrosoftwareindustrie existiert heute schon in den USA. Sie wird zur Folge haben, daß wenige erfolgreiche Firmen den Markt beherrschen und die Preise fallen.

Hier das Beispiel einer amerikanischen Firma: Sie wurde 1981 gegründet und brachte noch im selben Jahr ein Grafiksoftwarepaket auf den Markt. Dieses Produkt hat einen Listenpreis von 500 Dollar, wird jedoch zu einem OEM-Rabatt von 88 Prozent weiterverkauft und auf diese Weise aktiv an jeden Hersteller von CP/M-Systemen vermarktet.

Es ist so preisgünstig, daß kaum ein Hersteller das Geschäft ablehnen kann. Bei einem Einkaufspreis von 60 Dollar pro Kopie kann sich ein Hardwarehersteller keine ähnliche Eigenentwicklung erlauben.

Diese Softwarefirma verfolgt das Ziel, einen möglichst großen Marktanteil bei CP/M-Systemen zu erlangen, um damit jede andere Firma preislich aus dem Markt drängen zu können. Bei diesem echten Beispiel hatte die Softwarefirma schon Anfang 1983 feste Zusagen für über

300 000 Kopien ihrer Software von Hardwareherstellern.

Ein anderes Problem in den USA ist, daß zuviel Mikrosoftware angeboten wird, daß sie teilweise von schlechter Qualität ist und daß ein Marktüberblick fast unmöglich scheint. Das Problem schlechter Softwarequalität führt in Deutschland zu einer langsameren Marktentwicklung als in den USA, weil der Gesetzgeber hier die Software für sechs Monate garantiert. Dies erzeugt enorme Wartungskosten bei den Softwarefirmen und macht das Geschäft sehr risikoreich.

Schlacht ums Überleben

Es hat also den Anschein, daß in den nächsten Jahren nur wenige Starke die Schlacht auf dem Mikrosoftwaremarkt Überleben können. Diese Umwandlung bewirkt auch, daß die Hardwarehersteller ihre Überlebensstrategie ändern müssen. Sie werden in den meisten Fällen für jede Hardwarekonzeption verschiedene Betriebssysteme anbieten,

nämlich ein eigenes nichtstandardisiertes wie auch ein oder mehrere

standardisierte. Damit entsteht ein größerer Markt und der Benutzer hat die Sicherheit, jederzeit auf ein anderes Betriebssystem umsteigen zu können. Für jede Hardware steht mehr Software und für jede Software mehr Hardware zur Verfügung.

Diese Struktur des Marktes für Mikrosoftwareprodukte wird keine bedeutende Auswirkung auf den Markt für Großrechnersoftware haben, wohingegen der Minicomputersoftwaremarkt am meisten gefährdet ist. Die Wachstumsphase des Mikrosoftwaremarktes ist noch lange nicht beendet und die in dieser Hinsicht geführten Kämpfe werden so bald zu keiner Entscheidung führen. Der nächste Schritt der Entwicklung von Mikrosoftware liegt in der Integration der verschiedenen Benutzerschnittstellen wie beispielsweise die für Grafik, Datenbankabfrage und Spreadsheets wie Visicalc. Die sehr ergonomische Benutzerschnittstelle in dem neuen Lisa-System von Apple ist sicher ein Schritt in dieser Richtung. Es ist nur schade, daß die Lisa-Entwickler die Hardwareergonomie bei der Konzeption der Tastatur und des Terminalgehäuses fast völlig vernachlässigt haben.

Ganz andere Strategien

Diese Prognose über den Strukturwandel im Mikrosoftwaremarkt ist natürlich etwas übertrieben. Viele kleine Softwarefirmen werden auch weiterhin in diesem Markt erfolgreich tätig sein, jedoch werden die erfolgreichsten Unternehmen in diesem neuen Markt eine ganz andere Strategie haben all die im traditionellen Minicomputer- und Großrechnermarkt übliche. Die Herausforderung für die deutschen Softwarefirmen liegt darin, ihre neuen Zielmärkte zu identifizieren und ihre Investitionen dementsprechend zu planen.