Starker Tobak

18.03.1988

Es ist beklemmend, den Eiertanz zu erleben, der um Marktschätzungen in der DV-Industrie gemacht wird. Seit mehr als zehn Jahren gehört bei Diebold die Akkuratesse der Rechnerstatistik zur Grundlage des Beratungsgeschäfts. So genau nimmt man es, daß Zahlenangaben, die vom Hersteller nicht bestätigt sind, mit Hinweis-Sternchen versehen werden. Und so lesen wir allen Ernstes von einem deutschen Elektrokonzern, daß er einen Anteil von 26,4 Prozent am Bestand großer kommezzieller Systeme habe (Seite 1). Mit 47,4 Prozent nimmt sich der IBM-Anteil dagegen moderat aus.

Starker Tobak: Erstens ist diese Exaktheit ohne Gewähr (siehe Sternchen). Zweitens ist sie nicht einmal aussagefähig, da für Diebold schon Rechner mit einem Kaufpreis ab 500 000 Mark zur Klasse der großen Systeme zählen. Nur: Anwender denken nicht in Klassen, gehen die Sache vom Einsatzzweck her an. Wer sich für einen /38-Datenbankcomputer entscheidet, will eine Easy-to-use-Maschine und kein IBM-Großsystem kaufen. Eine /38 kostet den Anwender indes bereits in der Anschaffung mehr als eine halbe Million. Andererseits wissen IBM-Shops in Industrie-, Handels- und Dienstleistungskonzernen sehr genau, daß ihnen Siemens keine 3090-PCM-Alternative (MVS) bieten kann. Die Münchner sind dafür mit BS2000 im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der Hochschulen stark.

Was soll also eine Statistik, die ein schiefes Bild des Marktes zeichnet? Bei den Siemensianern dürfte kaum Freude aufkommen. Die kleine Zahlenspielerei macht dann Sinn, wenn man hinter ihr eine Gefälligkeit gegenüber der IBM vermutet. Big Blue kann nicht an einer sauberen Marktdefinition interessiert sein - mit Fakten ließen sich womöglich selbst Kartellrichter überzeugen. Als Gutachter im US-Anti-Trust-Prozeß gegen IBM hat John Diebold mit dazu beigetragen, daß den verharmlosenden Darstellungen des Mainframe-Monopolisten nichts Greifbares entgegengesetzt werden konnte. Honi soit qui mal y pense. Aber jeder kann sich seinen Reim darauf machen.