Auswirkungen der 29. Änderungsverordnung auf die DFV, Teil 2:

Standort Bundesrepublik gewinnt an Attraktivität

05.09.1986

"Datenfernverarbeitung wird in vielen Punkten billiger"; diese optimistische Überschrift der ersten Folge dieser Artikelserie erhält in dieser zweiten Folge ein zusätzliches Highlight: Für internationale Datendienste wird die Bundesrepublik endlich diskutabel. Seit dem ersten Juli ist es zum Beispiel erlaubt, internationale Mietleitungen und Wählanschlüsse auf dieselbe Anlage zu legen, was Einsparungen bringt.

Die Gebühren der meisten internationalen digitalen Mietleitungen wurden zum 1.7.86 zwischen 30 Prozent (interkontinental) und 15 Prozent (viele europäische Leitungen) gesenkt. Auf vielen Strecken wird das Angebot bis 1,92 MBit/s erweitert.

Für internationale Datennetze gewinnt der Standort Bundesrepublik damit an Attraktivität. Dies ist um so wichtiger, als in letzter Zeit immer wieder Stimmen laut wurden, die darauf hinwiesen, daß der Unterschied zwischen den Gebühren der DBP und denen ausländischer Fernmeldeverwaltungen auch durch das anerkannt hohe Niveau der deutschen Fernmeldeleistungen nicht mehr aufgewogen wird.

Zum 1.7.86 wurden internationale Breitbandmietleitungen mit 240 kHz eingeführt.

Die Benutzungsmöglichkeit internationaler Mietleitungen wird dadurch bedeutend erweitert, daß sie ab 1.7.86 mit Hauptanschlüssen öffentlicher Fernmeldewählnetze verbunden werden dürfen, wenn der Inhaber der angeschlossenen Datenendeinrichtungen erklärt, er und nicht der Absender der Nachricht bestimme, an welche Adresse eine über seine DV-Anlage laufende Nachricht weitergegeben werde.

Für die Fälle, in denen der Absender der Nachricht den Empfänger (Teilnehmer im öffentlichen Fernmeldewählnetz) direkt bestimmt, wurden zum 1.7.86 neue, sogenannte "internationale Festverbindungen", geschaffen (Bild 1). Sie werden für 2400, 4800 und 9600 Bit/s angeboten und nutzungszeitabhängig tarifiert. Die Mindestgebühr schließt dabei eine Nutzung von 120 Stunden je Monat ein. Dabei werden zwei Meßmethoden zur Wahl gestellt.

Bei der ersten Meßmethode werden Bitgruppen verglichen. Wenn dieselbe Bitgruppe sich zum dritten Mal wiederholt, wird angenommen, daß es sich hierbei um die Kennzeichnung einer Ruhelage handelt, und die entsprechende Zeit aus der Tarifierung ausgeblendet wird.

Die zweite Meßmethode beruht auf einem Zusammenspiel zwischen Endeinrichtung und Meßeinrichtung, dergestalt, daß die Endeinrichtung jeweils über die Schnittstelle X.21 angibt, ob sie die Verbindung benötigt oder nicht. Für diese zweite Meßmethode gewährt die DBP einen 10prozentigen Rabatt auf die verkehrsabhängigen Gebühren. Dieser Rabatt wird damit begründet, daß das zweite Meßverfahren für die DBP einfacher ist, während sich viele Endgeräte noch auf dieser Betriebsart einrichten müssen.

Bei der nicht zwingend erforderlichen Anpassung einer Endeinrichtung an die nutzungszeitabhängige Tarifierung sind zwei Maßnahmen zu unterscheiden:

- die Bedienung der sogenannten C-Ader-Signalisierung, mit der die "Gebührenuhr" vom Endgerät aus ein- und ausgeschaltet wird. Dies führt zum Gebührenrabatt.

- der Einsatz eines Übertragungsverfahrens, bei dem nur dann Bits auf die Leitung gehen und damit die "Gebührenuhr" nur dann eingeschaltet wird, wenn die Verbindung tatsächlich gebraucht wird, wenn Nutzdaten zu übertragen sind und nicht nur Polls. Der Einsatz solcher Übertragungsverfahren - zum Beispiel des balanced mode bei HDLC - führt wegen ihres geringen Overheads bei beiden Meßverfahren zu oft erheblicher Verkürzung der gebührenpflichtigen Zeiten.

Reinen Fernmeldeagenturen werden die internationalen Festverbindungen nicht angeboten.

Die Erlaubnis, internationale Mietleitungen und Wählanschlüsse auf dieselbe Anlage zu legen, bringt wesentliche Erleichterungen für Konfigurierbarkeit und Anwendung und führt zu erheblichen Einsparungen. Die dabei akzeptierte "Selbsteinschätzung" des Anwenders erleichtert die Abwicklung wesentlich.

Mit dem neuen Angebot der Internationalen Festverbindungen bietet die Bundespost multinationalen Organisationen ideale Voraussetzungen, um in ihren konzerninternen Netzen die Vorteile der deutschen Wählnetze optimal mit internationalen Festverbindungen zu kombinieren. Darüber hinaus verhilft sie ausländischen Anbietern von Datenverarbeitungs- und -kommunikationsleistungen zu einer sehr preiswerten Möglichkeit, ihre Dienste an solche Verbraucher im Bereich der DBP heranzutragen, die an solche Wählnetze angeschlossen sind, über die Verbindung in das Land des Anbieters nicht möglich oder nicht wirtschaftlich sind. So ist zum Beispiel die Kompatibilität der Datenübertragung auf Fernsprechverbindungen in die USA bei 4800 Bit/s nicht gewährleistet. Bei 300 Bit/s beständen zwar keine technischen Probleme, aber die Kosten sind prohibitiv.

Datex-L 64000

Datex-L 64000 bietet den Anwendern in Deutschland einmalige Möglichkeiten, sich auf ISDN vorzubereiten, Möglichkeiten, die Anwendern in anderen Ländern nicht geboten werden. Obwohl DV-Herstellern und Anwendern klar ist, daß sich in einem Wählnetz von 64 kBit/s ganz andere Dimensionen für die Fernverarbeitung eröffnen, die nicht durch ein "einfaches Schnellerfahren" existenter Anwendungen ausgeschöpft werden können, haben bisher wenige die Chance genutzt, sich in Datex-L 64000 auf ISDN vorzubereiten. Die Gründe hierfür lagen wohl in der Unsicherheit über die künftigen ISDN-Tarife, in dem geringen Angebot an Endgeräten für 64 kBit/s, das wiederum auf mangelnde Anwendernachfrage und das Fehlen derart schneller Wählverbindungen in anderen

Ländern zurückzuführen ist, sowie in den prohibitiven Tarifen von Datex-L 64000.

Alle drei retardierenden Momente sind nunmehr aufgehoben:

- Die 4 Telekommunikationsordnung legt 74 Mark als Grundgebühr für den Basisanschluß von ISDN (2 x 64 + 16) kBit/s fest.

- In den USA sind die Fernsprechgesellschaften vom Verbot befreit, Novoice-Dienste anzubieten. Dies führt dazu, daß sie das Kapital ihrer Teilnehmeranschlußleitungen besser nutzen dürfen. Es werden daher - zwar noch örtlich begrenzt - die ersten Fernsprechverbindungen angeboten, die auf Datenverkehr mit 56 kBit/s umgeschaltet werden können.

- Die Gebühren für Datex-L 64000 werden zum 1.1.87 drastisch gesenkt: