Standardsoftware-Programme für Newcomer - Standard genug?

27.05.1977

Sie ist so alt wie die Computerei, die Frage "make or buy"? Und so schön zeitlos, weil sie allenfalls - auch nur von Leuten, die in der Problematik (wirklich?) drin stecken - mit einem vieldeutigen "Es kommt darauf an" zu beantworten ist. Ja, worauf kommt's denn nun an wenn ein unbefleckter EDV-Neuling Programme von der Stange angeboten bekommt? Den Bauch einziehen, das Kreuz gerade halten, damit die Konfektionsware sitzt (die Organisation anpassen, heißt das im Spezialisten -Slang) - so schlimm wäre das nicht. Für die "Kernbereiche der Abrechnungsaufgaben" (LuG, FiBu, Fakturierung) gibt es brauchbare Standardlösungen "wie Sand am Meer". Nichts gegen diejenigen, die unbedingt eine "Extrawurst gebraten haben wollen" - nur sollten sie auch dafür bezahlen. Den diesmal zum Thema der Woche Befragten ist der verfügbare Standard jedenfalls Standard genug.

Prof. Dr. L. J. Heinrich ifbi - Institut für Fertigungswirtschaft Betriebsinformatik der Universität Linz

Zur Beantwortung dieser Frage muß zunächst auf folgendes hingewiesen werden: Im Bereich der sogenannten Mittleren Datentechnik haben wir es heue mit zwei unterschiedlichen Geräteklassen zu tun; auf der einen Seite die "Klassischen Einzelplatzsysteme", auf der anderen Seite die Mehrplatzsysteme, Systeme also, mit denen ein echter Multi-Terminal-Betrieb möglich ist. Newcomer gibt es in beiden Geräteklassen.

Die Anwendung der Einzelplatz-systeme hat sich schon immer

konzentriert auf die "Kernbereiche der Abrechnungsaufgaben" wie Finanzbuchhaltung, Fakturierung, Lohn- und Gehaltsabrechnung. Diese Applikationen sind durch gesetzliche Vorschriften und Handelsbrauch weitgehend normiert. Die Entwicklung von Standard-Software ist hier relativ leicht möglich. Die Erfahrung zeigt, daß Anwender dieser Einzelplatzsysteme, wenn sie sich auf diese Applikationen beschränken, mit der angebotenen Standardsoftware gut bedient sind und eigenes EDV-Personal nicht einsetzen müssen.

Mehrplatzsysteme erweitern den Applikationsbereich beträchtlich. Der Know-how-Transfer von den Einzelplatzsysteme ermöglicht es, für die "Kernbereiche der Abrechnungsaufgaben" auch hier relativ ausgereifte Standardsoftware zur Verfügung zu stellen. Für andere Applikationen - vor allem für Planungs- und Steuerungsaufgaben, beispielsweise in der Personal- oder Finanz- oder Fertigungswirtschaft - gilt, daß diese Normierung wesentlich schwerer zugänglich sind, eine solche Normierung häufig auch gar nicht erstrebenswert ist.

Will der Anwender in diesen Applikationsbereich vorstoßen, so kann er auf Standardsoftwarepakete nicht zurückgreifen. Für die dann notwendige individuelle Organisationsentwicklung und Programmierung ist entweder eigenes EDV-Personal erforderlich, oder aber es wird auf Softwarehäuser zurückgegriffen. Für beide Alternativen ist das Vorhandensein von Übersetzern für gängige höhere Programmiersprachen zweckmäßig.

Es ist daher kein Widerspruch, wenn die Hersteller sowohl Standardsoftwarepakete für Newcomer bieten als auch versuchen, die Nutzbarmachung der gängigen höheren Programmiersprachen zu forcieren.

Hans- J. von Plotho, Organisator, ADAC e. V. , München

Die Anwendungs-Software für die Finanzbuchhaltung, die wir verwenden den, ist für uns Standard genug. Dabei sollte aber beachtet werden, daß der Anwender grundsätzlich modulieren muß. Für unser Kostenrechnungsprogramm konnten wir dagegen kein, Standard-Paket einsetzen, da wir ein großes Volumen an Kostenstellen und Kostenträgern haben und darüber hinaus noch Etat-Vergleiche durchführen. Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb die meisten Kostenrechnungsprogramme sind auf Fertigungsunternehmen ausgerichtet.

Um eine MDT-Anlage zu betreiben, braucht man kein qualifiziertes-EDV-Personal, wenn der Hersteller die Bedienungsanleitungen gut ausarbeitet und die Schulung durchführt. Die Tätigkeit ist ein reines Konsol-Operating, die Bedienung die gleiche wie bei einem Buchungsautomaten. Ich habe Buchhalterinnen, die schon viele Jahr bei uns im Haus sind, in etwa vier Tagen angelernt. Das wesentliche Problem bestand darin, die Computerangst abzubauen. Wenn diese Schwelle überwunden ist, wird meistens eingesehen, wie einfach und bequem alles läuft. Wir haben bei uns drei TA 1000 von Triumph/ Adler stehen. Die Buchhalterinnen haben anfangs nur die Buchungen auf den Maschinen durchgeführt. Heute sind auch Kostenrechnungen per Computer kein Problem mehr für sie.

Diplom-Chemiker Anton Kammermeier, Geschäftsführer, Westra Electronic GmbH, Welden

Die meisten angebotenen Branchen-Pakete sind für Standard-Aufgaben ausgelegt und dafür geeignet. Entscheidend für den Anwender, insbesondere den Neuling, sind die Adaptionsfähigkeit sowie die Kosten der Anpassung an die zu lösenden Individualaufgaben. Wir setzen unsere

MDT-Anlage im wesentlichen für die Abwicklung unserer Importe und die danach folgende Auftragsabwicklung ein. Selbst eine nicht vorhersehbare Betriebsübernahme während der Anlaufzeit der Anlage konnte noch "verkraftet" werden.

Der Einsatz unserer bisherigen Mitarbeiter an der TA 1000 hat durch zwei wesentliche Umstände keine Probleme gebracht: - Die Arbeitsanweisung erfolgt über eine Bildschirmanzeige. - Die EDV-Anlage wurde schrittweise, Programm für Programm, in

Betrieb genommen. Außerdem hatten wir etwa zwei Monate ein Spielprogramm zur Verfügung, so daß sich alle Beteiligten mit der Maschine vertraut machen konnten. Dies scheint mir psychologisch entscheidend gewesen zu sein, um die anfängliche Scheu vor der "komplizierten Technik" zu zerstreuen.

Leopold R. Müller, Projektleiter Organisation, Bayerische Motorenwerke AG, München

Wir haben im Verpflegungswesen das Standard-Software-Paket Nidas von Nixdorf eingesetzt. Es ist uns in diesem Bereich Standard genug. Alle anderen Programme wurden von einem Software-Büro speziell für uns erstellt. An unserer MDT-Anlage - einer Nixdorf 8870/ 4 - arbeiten grundsätzlich nur Sachbearbeiterinnen, das heißt, Buchhalterinnen und Kontoristinnen. Sie waren vorher mit der EDV noch nicht in Berührung gekommen und wurden erst bei uns dafür ausgebildet. Die Bedienerführung ist jedoch so detailliert, daß im Normalfall keine Fehler auftreten. Ich muß eigentlich nur dann einspringen, wenn es zu echten Systemausfällen kommt. Die laufenden Verarbeitungen werden von den Damen komplett durchgeführt. Dazu gehören auch Operating-Fragen, wie beispielsweise das Überspielen eines ausgetesteten Programms auf die Arbeitsplatte. Die Bedienung wurde vom Hersteller relativ einfach gestaltet. Die Parameter müssen nur aufgrund der auf dem Bildschirm gezeigten Fragen eingegeben werden.

Hans Rampp, Personal- u. Verwaltungsleiter, Augsburger Druck- und Verlagshaus GmbH, Augsburg

Wir haben bei uns das Applikations-Programm Syogra "System/ Organisation für das grafische Gewerbe" von Kienzle eingesetzt, ein Standard-Paket, das speziell für die Druckindustrie entwickelt wurde. Ziel des Syogra-Einsatzes war neben der Einsparung von Personalkosten die schnellere und aussagefähigere Informationsgewinnung durch die Automation der Routinearbeiten sowie eine geringere Abhängigkeit von Spezialisten.

Meiner Meinung nach muß Standard-Software immer branchenbezogen sein, um problemlos eingesetzt werden zu können. Es ist dann auch nicht notwendig, die bestehende Organisation eines Unternehmens grundlegend zu ändern. Natürlich müssen die Belege computergerecht aufbereitet werden. Das Programm hat sich in der Druckindustrie bewährt. Da wir Pilot-Anwender waren, mußten wir zwar die üblichen Kinderkrankheiten ausmerzen; sie tauchen jedoch bei jedem Programm auf, das noch nicht genügend ausgetestet werden konnte. Bei uns wurden zwei Damen aus dem kaufmännischen Bereich als Operatorinnen am Computer Kienzle 6000 ausgebildet. Sie machen die täglichen Eingaben und fahren sämtliche Programme selbständig. Programmierer oder gleichartig qualifiziertes Personal mußten wir dafür nicht einstellen.