Stärken und Defizite von Personalsoftware

11.11.2003
Von Katrin Helbig
Software, die die Personalarbeit unterstützt, ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Praxis zeigt allerdings, dass Unternehmen einerseits die bereits vorhandenen Möglichkeiten nicht oder nur eingeschränkt nutzen und andererseits viele Anbieter noch ein erhebliches Defizit im Funktionsumfang haben.

Das Human-Resources (HR-)Management muss in strategische Entscheidungen eingebunden werden. Diese Botschaft ist bei den Personalverantwortlichen angekommen und beeinflusst den Markt für HR-Systeme. Deren Daseinsberechtigung wird mittlerweile nicht mehr in Frage gestellt. Abgesehen von dem einen oder anderen technikscheuen Personaler weiß der Großteil der HR-Manager ihre Vorzüge mittlerweile zu schätzen. Strategisch ließe sich damit jedoch noch viel mehr anfangen.

Die Wurzeln der HR-Systeme liegen in der Automatisierung von administrativen Tätigkeiten. Funktionen wie Entgeltabrechnung, Stammdatenverwaltung, Stellenverwaltung, aber auch die Seminarverwaltung oder Zeiterfassung können von einem Human-Resources-Management-System erwartet werden. Anspruchsvollere Nutzer, die einen Mehrwert mit einem HR-System schaffen wollen, interessieren sich auch für innovativere Themen wie E-Learning, E-Recruitment und Performance-Management. Self-Service-Funktionen sollen den Zugang zu HRMS-Applikationen für das gesamte Personal ermöglichen.

Geringe Investitionsbereitschaft der Anwender

Alle Anbieter diskutieren interessiert neue Anwendungen, in ihren Leistungsspektren bestehen jedoch noch deutliche Unterschiede. Viele große Unternehmen haben Ende der 90er Jahre stark in integrierte HR-Lösungen investiert. Bei einem durchschnittlichen Investitionszyklus von sieben bis zehn Jahren sind diese Firmen heute immer noch in der Mitte ihrer Amortisationsphase. Der wettbewerbsmäßig stark konzentrierte Markt befindet sich folglich in der Reifephase.

Recherchen des Institutes für strategische Marktanalysen und Systeme (Ismas) in Wiesbaden ergaben, dass nur etwa zehn Prozent der Betriebe planen, ihr HRMS in den nächsten drei Jahren zu wechseln. Dementsprechend richten die Anbieter ihr Hauptaugenmerk momentan auf die Betreuung ihres vorhandenen Kundenstammes. Über 40 Prozent der Personalentscheider sind mit dem Angebot an HR-Management-Systemen unzufrieden. Ebenfalls 40 Prozent reicht die Umsetzung im Bereich E-Learning und E-Recruiting nicht aus.

Trotz der Reife des Gesamtmarktes und der derzeit geringen Investitionsbereitschaft im IT-Bereich ist das Marktvolumen in Bezug auf strategische Funktionen extrem groß. Leichte Wachstumssignale sind bereits zu erkennen. Ein HRMS spart gegenüber der manuellen Personalarbeit gemäß einer Berechnung der Personalberatung Wiliam M. Mercer zwischen 13 und 25 Prozent. Das betrifft vor allem die rein administrativen Tätigkeiten, die 70 Prozent der gesamten Personalarbeit in Anspruch nehmen. Neben diesem Rationalisierungseffekt dürfen die Verantwortlichen jedoch die qualitativen Potentiale eines HR-Management-Systems nicht vernachlässigen.

SAP, Peoplesoft und Oracle sind die Marktführer

Bessere Personalarbeit bringt einen substanziellen Wettbewerbsvorteil. Dazu gilt es allerdings, aus den Programmen der über 1400 Anbieter von Personalstandardsoftware das passende System auszuwählen und optimal einzusetzen. Der Markt ist in den letzten Jahren unübersichtlicher geworden. Durch den hohen Wettbewerbsdruck variiert die Zahl der Anbieter. Ständig werden kleine Hersteller von Nischenprodukten aufgekauft oder aus dem Markt verdrängt. Ebenso kommen neue Teilnehmer hinzu und bestehende Anbieter erweitern ihr Produktportfolio.

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Lösungen sind durch die hohe Zahl der zu berücksichtigenden Aspekte sehr komplex. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Systeme durch die Breite der abgebildeten Funktionen, die Marktpräsenz des Anbieters und die relativen Kosten. SAP, Peoplesoft und Oracle sind unangefochtene Marktführer. Wer hier vor den relativ hohen Investitions- und laufenden Kosten zurückschreckt, findet in der Masse von kleineren Anbietern preisgünstigere Versionen. Unter Umständen müssen Firmen jedoch bei fortschrittlicheren Features wie Self-Service- und Analyse-Tools Abstriche in Kauf nehmen.

Peoplesoft und SAP, dicht gefolgt von Oracle, sind mit den umfassendsten Funktionen, auch nach Einschätzung der führenden Marktanalysten die Hauptakteure. Die Walldorfer bieten derzeit mit Mysap HR die einzige globale Lösung. Die Applikation bildet 31 Sprachen, verschiedenste Währungen sowie 35 länderspezifische rechtliche Grundlagen ab. Verschiedene Länderversionen können auf einem System genutzt werden, und mit einem einzigen Befehl kann der Anwender zwischen allen Schritten des HR-Prozesses hin- und herwechseln. Peoplesoft ist weltweiter Marktführer und im Bereich strategischer Funktionen am fortschrittlichsten. Peoplesoft HRMS enthält umfassende Reporting- und Analyse-Tools. Die Abfragefunktion ist besonders anwendungsfreundlich und die Benutzeroberfläche sehr ansprechend. Die neue Peoplesoft Internet Architecture (PIA) ermöglicht den Kunden einen weltweiten Datenzugriff über das Web. Als Benutzeroberfläche ist dafür lediglich ein Web-Browser erforderlich. Durch den Kauf der Teamscape Corp. im Juli 2002 hat Peoplesoft sein Programm um ein Lern-Management-System erweitert.

Oracle, einer der führenden Wettbewerber im Datenbank-Management-System-Markt, ist bei den HR-Systemen der drittstärkste Anbieter. Während Oracles E-Business-Suite 11i HRMS in Bezug auf Funktionalität und Technologie noch verbesserungsfähig ist, sind die E-Learning-Funktionen des Systems verglichen mit anderen Anbietern derzeit am weitesten ausgereift. Peoplesoft, Oracle und SAP haben seit einiger Zeit den Mittelstand für sich entdeckt und halten dort mittlerweile zusammen einen Marktanteil von rund 40 Prozent.

Nischenanbieter für den Mittelstand

Angesichts der Komplexität von Personalarbeit, ist es jedoch nicht überraschend, diverse Nischenanbieter zu finden, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben. Viele kleinere Softwarehersteller bieten keine komplette HRMS- Suite an, sondern etwa spezielle Zeit-Management- oder Skill-Management-Lösungen. Andere konzentrieren sich auf bestimmte Zielgruppen - definiert nach Unternehmensgröße oder Branchenzugehörigkeit. Als Alternativen zu SAP, Peoplesoft und Oracle kommen unter anderem die Produkte folgender Anbieter in Betracht: Classware, Exact Software, Hansalog, H.R. Management Software, IFS Deutschland, P&I Personal und Informatik, Projekt Computersysteme, Varial Software und w&r Informationssysteme. Diese Unternehmen sind seit mehreren Jahren sicher am Markt positioniert, und die Anzahl ihrer Installationen in Deutschland liegt zwischen 300 und 3000.

Classware, H.R. Management Software und IFS Deutschland definieren Unternehmen des Mittelstands explizit als ihre Hauptzielgruppe. Speziell der öffentliche Dienst wird von der Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern, von H.R. Management Software, Perbit Software und von Varial Software gezielt angesprochen. Eine Ausrichtung auf das Gesundheitswesen bietet Gedys Internet Products, H.R. Management Software sowie Implico. Bauunternehmer finden bei s+p Software und Consulting ein auf sie ausgerichtetes Produkt, Anlagenbauer bei Eldicon, Zulieferer der Automobil- und Elektronikbranche bei IFS Deutschland und Personalberatungen bei BrainsToVentures.

Auch für exotischere Branchenlösungen lassen sich spezialisierte Hersteller finden. So hat Implico sein System unter anderem auf die Seefahrt und Heuer abgestimmt, und IFS Deutschland bietet eine spezielle Lösung für die Forstwirtschaft an. Darüber hinaus haben sich einige Spezialanbieter etabliert. So hat sich Astrum und Exact Software auf Organigrammerstellung und Stellenverwaltung spezialisiert, Eldicon auf Zeiterfassung, Executrack auf Karriere- und Kompetenz-Management, Eligo auf Personalauswahl und Projekt Computersysteme auf Ideen-Management und Vorschlagswesen.

Elektronische Personalarbeit hat sich noch nicht durchgesetzt

Den vor einigen Jahren vorausgesagten Durchbruch der strategischen elektronischen Personalarbeit haben die Systemanbieter noch nicht geschafft. Der von den Anbietern ausgehende „Push“ bleibt jedoch konstant. Neuerdings nimmt auch der „Pull“ im Markt, besonders in strategischen HR-Bereichen, immer mehr zu. HR-Entscheider, die ihre Abteilung und ihr Unternehmen für die Zukunft gut positionieren wollen, kommen nicht mehr an einem integrierten HRMS vorbei. Das ist auch den Anbietern bewusst. Obwohl sich der HR-Markt insgesamt in der Reifephase befindet, sorgen sie für Dynamik und Innovation im Hinblick auf die strategischen Module ihrer Lösungen.

Interessante Weiterentwicklungen sind in nächster Zeit besonders bei folgenden Themen zu erwarten:

- Reporting- und Analyse-Tools

Der Leistungsumfang der Systeme entspricht oft nicht dem, was durch das Marketing der Anbieter suggeriert wird. Die versprochenen „Auf-Knopfdruck-Funktionen“ beziehen sich noch zu selten auf strategische Bereiche. Die Richtung wird hier durch Lösungen vorgegeben, die es ermöglichen, Daten aus verschiedenen Systemen (SCM, Financials etc.) zu aggregieren und zu multidimensionalen Analysen zusammenzuführen (Business Intelligence).

- Internet-Zugriff

Self-Service Applikationen für Manager (MSS) und Mitarbeiter (ESS) und Web-Reporting spielen hier seit einiger Zeit eine große Rolle, und die Entwicklung derartiger Funktionen ist mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen.

- Internet-Architekturen

 Auch die technische Komponente von HRMS wird durch das Web beeinflusst. Mainframe- und Client-Server-Architekturen verlieren an Bedeutung, während die Entwicklung von Internet-Architekturen immer weiter vorangetrieben wird.

- E-Recruitment

Die Abbildung der Personalbeschaffung durch ein Web-basierendes HRMS ist ein weiteres Thema, das sich überdurchschnittlich schnell weiterentwickelt, auch weil wie gesagt 40 Prozent der HR-Manager mit der vorhandenen Software in diesem Bereich unzufrieden sind.

- E-Learning

Kaum ein Anbieter hat diesbezüglich eine eigene Lösung implementiert. Obwohl Oracle, SAP und Peoplesoft diese Funktionen anbieten, ist sie auch dort noch nicht umfassend und ausgereift. Auf Learning-Management-Systeme spezialisierte Anbieter führen durch ihre Nischenstellung den Markt an. Eine zunehmende Nachfrage beschränkt sich momentan auf die großen Unternehmen. Alle drei großen Wettbewerber beschäftigen sich derzeit intensiv mit dem Thema. In welcher Form hier speziellere und umfassendere Lösungen entstehen werden, ist noch nicht abzusehen.

Marktübersicht HR-Systeme

Eine umfangreiche Übersicht von 32 Anbietern mit ihren HR-Systemen und deren Leistungsumfang kann man am Ende des Artikels herunterladen. In einem ersten Schritt können beispielsweise passende Anbieter anhand der Funktionsliste ausgewählt werden. Darüber hinausgehende Informationen etwa in Bezug auf Demo-Versionen, Hardware- und Software-Anforderungen, Lizenzen und Support einzelner Anbieter finden sich in der Ismas-Studie „HRM-Systeme 03“, die auch Antworten auf viele weitere Fragen bietet. Die vollständige Studie ist beim Institut für strategische Marktanalysen und Systeme (Ismas) erhältlich: www.ismas.de, k.helbig@ismas.de.

Katrin Helbig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für strategische Marktanalysen und Systeme (Ismas) in Wiesbaden.