Was spricht fürs individuelle MDT-Programm?

Spielte noch vor wenigen Jahren die Hardware in den Verkaufsgesprächen der EDV-Hersteller eine dominierende Rolle, so werden heute - und das gilt besonders für die MDT-Anbieter - Softwarepakete als wichtigste Akquisitionsmittel benutzt. Vor allem sind da

13.01.1978

Ernstzunehmendes Argument der Befürworter der Eigenprogrammierung: Die Hersteller verfügen nicht über das entsprechende Know-how, Anwendungs-Software zu entwickeln, die alle organisatorischen einer Branche berücksichtigt. Wir fragten vier MDT-Anwender, wie sie es mit der Programmierung halten.

Adalbert Schehr Organisator, Kunststoffwerk Franz Kutterer, Karlsruhe

Seit dem 1. Januar dieses Jahres setzen wir ein System /32 von IBM mit 24 K und einer 9 MB-Platte ein. Das ist unser erstes EDV-System. Wir benötigten dafür Anwendungsprogramme für unsere gesamte Auftragsbearbeitung, die Finanzbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie für statistische Auswertungen. Die IBM-Vertriebsbeauftragten empfahlen uns zunächst die entsprechenden Programme ihres Modularen Anwendungs-Systems (MAS). Wir haben dann aber in längeren Gesprächen klären können, daß MAS für (...)s überhaupt nicht in Frage kommt. Unsere Anwendungen sind so diffizil, daß an den MAS-Programmen zu viel Änderungen nötig gewesen wären, was wiederum sehr hohe Kosten verursacht hätte. Da konnte man die Programme gleich neu schreiben.

Die IBM-Leute haben das dann auch eingesehen. Sie empfahlen uns daraufhin ein unabhängiges Softwarehaus. Von dem ließen wir uns alle Anwendungsprogramme entwikkeln.

Karl-Heinz Flucke Leiter Abteilung EDV der Firma TBS, E. Roenspiess + Sohn, Berlin

Als wir vor zwei Jahren die EDV im eigenen Hause installierten (NCR 8200 mit 64 KB Drucker, LK-Leser und 40 MB Plattenkapazität), war uns an(...)gs nicht klar, welchen Aufgabengebieten wir die Priorität einräumen sollten, da, nach wie vor, noch im NCR-Rechenzentrum ausgewertet wird.

Die Partnerschaft mit NCR veranlaßte uns, die Erstprogrammierung direkt beim Hersteller durchführen zu lassen, zumal damit mögliche Anfangsschwierigkeiten, bis zur kompletten Übergabe der einzelnen Komplexe "in einer Hand" sich befanden.

Bei der Auswahl von Standard-Software wurden uns verschiedene Komplexe offeriert: Kommerz für die Auftragsabwicklung und Buchhaltung, Molug für die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung und Immac für die Materialwirtschaft und Fertigungssteuerung.

Auf das Programmpaket Kommerz mußten wir weitgehend "verzichten", da die von uns geforderten Bedürfnisse nicht in der Form abgedeckt werden konnten, wie sie von uns von der internen Ablauforganisation gestellt wurden. Dadurch konnten die seit einiger Zeit im Rechenzentrum gesammelten Informationen in die eigene Datenbank eingespeichert werden, die so wichtig waren, daß sie jederzeit bei der Online-Dialog-Eingabe abrufbar sind (Farbgebungsanzeige, letzter Auftrag, letzter Preis - rund 70000 Informationen).

TBS, ein mittelständisches, stark vertriebsorientiertes Industrieunternehmen hat nun die Lösung gefunden, die nur schwerlich mit Standardprogrammen auf Datenbankbasis abzudecken war.

Die Erfahrungen von anderen Anwendern wurden so optimal integriert, daß heute ein TBS-eigenes-Datenbankmodul für Fakturierung und Marketing eingesetzt wird, welches ohne große Anlaufschwierigkeiten die gestellten Erfordernisse abdeckt, wobei ein Kunden-/Interessenbestand von 25000-30000 Anschriften nicht gerade unerheblich ist.

Für die Materialwirtschaft wurde uns ein modulares Anwendungssystem angeboten, welches uns im Preis-/Leistungsverhältnis optimal erschien.

Optimal insofern, daß bereits der Stammdatenaufbau modular gestaltet ist und erst nach und nach die weiterhin benötigten Stammdaten (nach Funktionen gegliedert: Lagerdaten, Kalkulationsdaten etc.) ohne große zusätzliche Umstellungsarbeiten oder Reorganisation, gemäß den Aufgabenschwerpunkten Lagerwirtschaft und Disposition, Plankalkulation, Stücklistenwesen in das System eingespeichert werden können.

Hinzu kommt bei Standardprogrammen der Vorteil der teils mehr teils weniger ausführlichen Dokumentation. Auch darauf sollte man beim Kauf von Programmpaketen ein Auge werfen, damit der Leistungsvergleich transparenter wird.

Anton Kammermeier Geschäftsführer, Westra Electronic GmbH, Welden

Wir sind ein Import-Unternehmen und machen mit insgesamt 11 Mitarbeitern heute 15 Millionen Umsatz. Ausschließlich für die Auftragsabwicklung setzen wir seit August 1976 eine TA 1000 ein. Wir waren von vornherein entschlossen, "alles aus einer Hand" zu bekommen, denn was nützt die schönste Hardware, wenn die Software nicht funktioniert, und umgekehrt, was soll die beste Software, wenn der Hardware-Lieferant damit nichts anzufangen weiß. Um mit solchen Problemen gar nicht erst konfrontiert zu werden, haben wir unsere Anlage erst einmal für zwei Jahre gemietet, um gründlich zu testen und nach Ablauf dieser Frist das System eventuell zurückgeben zu können. Unsere Erfahrungen haben aber bis heute gezeigt, daß dies nicht nötig ist: Insgesamt laufen bei uns derzeit bereits 38 unterschiedliche Programme, wir stecken also schon mittendrin in der "kleinen EDV" und wollen sie auch konsequent so weiterbetreiben.

Als absoluter EDV-Anfänger, wie wir es waren, haben wir erst einmal die Standard-Software des Anbieters ausprobiert und dann Geschmack daran gefunden, individueller zu werden - weiterhin in Zusammenarbeit mit dem Hardware-Hersteller. In unserem Fall hat eine solche Vorgehensweise wesentlich besser funktioniert, als wenn wir versucht hätten, selbst zu programmieren, Programme zu kaufen oder einen EDV-Berater hinzuzuziehen, der erst wieder gegen Entgelt von uns hätte beraten werden müssen. Zudem weiß man gerade bei diesen Herren nie, mit welchem Hersteller sie "hintenrum" liiert sind. Das erfährt man erst, wenn's bereits zu spät ist.

Seit einiger Zeit werden wir aus den eigenen Reihen "beraten": Von einem unserer Mitarbeiter, der vorher bei einem anderen Computer-Hersteller verantwortlich war für die Mitarbeiter-Ausbildung. Und obwohl er bei uns einen ganz anderen Aufgabenkreis betreut, steht er als objektiver Fachmann jederzeit zur Verfügung - mehr oder weniger nur noch als "Hobby", damit sein Know-how auf dem laufenden bleibt. Er kann zwar nicht programmieren, weiß aber dennoch, worauf es bei einem Gespräch mit dem Hersteller ankommt.

Hein Waibel Prokurist und Leiter des Finanzbereiches, Miropa GmbH, Konstanz

Wir sind ein Direkt-Verkaufsunternehmen mit derzeit an die 100 Provisionsvertretern und etwa 100 000 Kunden in ganz Deutschland. Bis zum Januar 1977 wurden unsere EDV-Anwendungen von einem entfernten Service-Rechenzentrum übernommen, ab diesem Zeitpunkt arbeitet bei uns der erste eigene Computer der "Mittleren Datentechnik", ein System Nixdorf 8870. Bedingt durch eine unheimliche Expansion in 1977, mußten oder konnten wir die Anlage bereits aufstocken und haben heute zweimal 60 Mio. Bytes zur Verfügung. Unsere komplette Anwendungssoftware mußten wir selberstricken, wir haben weder auf dem freien Markt noch beim Hardware-Hersteller etwas Geeignetes gefunden. In enger Zusammenarbeit mit einem freien Programmierer haben wir unsere Programme selbst erarbeitet. Heute läuft die komplette Auftragserfassung, Fakturierung und Provisionsabrechnung. Zudem erhalten wir noch wichtige Management-Statistiken. Zur Jahreswende wollen wir nun das erste Hersteller-Software-Paket, die Finanzbuchhaltung von Nixdorf, einsetzen. Unser Programmierer arbeitet derzeit daran, diese Standardsoftware mit den bereits vorhandenen Programmen zu verknüpfen. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.