Meta-Group-Chairman Dale Kutnick rät CIOs zu Anforderungs-Management

Spielraum durch kluge Investition

21.03.2003
BARCELONA (qua) - Die IT soll den Unternehmen helfen, Chancen zu nutzen - angesichts knapper Budgets klingt das wie Hohn in den Ohren der CIOs. Aber ein gutes Anforderungs-Management sorgt für finanziellen Bewegungsspielraum, so Dale Kutnick, Chairman der Meta Group, auf der jüngsten "Metamorphosis"-Konferenz.

"Delivering the Integrated Portfolio" - unter dieses Motto hatte die Meta Group ihre europäische Hauptkonferenz in diesem Jahr gestellt. Denjenigen, die daraufhin gelangweilt abwinken wollten, hielt der für Europa, Afrika und den Mittleren Osten (Emea) zuständige Vice President und Managing Director, Robert Whitmore entgegen: "Die Integrationsfähigkeit eines Unternehmens wird ein Schlüsselfaktor für seinen Erfolg sein" - umso mehr, als immer häufiger auch die Integration von Prozessen und Funktionen über Unternehmensgrenzen hinweg gefragt sei.

Gefahr der Überintegration

Doch die Integration hat auch ihre Grenzen, warnte Co-Gründer, Ex-CEO und Chairman Dale Kutnick: "Überintegration kostet viel Geld und löst unter Umständen eine Menge Probleme aus." Ob beispielsweise die Abläufe eines Tochterunternehmens unbedingt mit denen eines anderen integriert werden müssten, sei im Einzelfall nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Neben der Frage, welche Vorteile den Kosten gegenüberstehen, sollte dabei auch die Überlegung eine Rolle spielen, wie sich die mühsam integrierten Prozesse gegebenenfalls wieder trennen lassen.

In diesem Zusammenhang vertrat der Strategieberater die Überzeugung, dass die Definition der Prozesse - wie in vielen europäischen Unternehmen bereits üblich - am besten beim Chief Information Officer (CIO) aufgehoben sei. Der Informationschef zeichne sich durch eine "einzigartige Perspektive" aus, die eine "Infusion" der Technik in die Prozesse erlaube.

Als eine der Hauptaufgaben des CIO hat Kutnick auch die Herstellung von Transparenz ausgemacht: Was kostet uns der Einsatz einer Technik, und was kostet es uns, sie nicht einzusetzen? Diese Fragen müsse der Informatikchef gegenüber der Geschäftsführung beantworten. Er könne dem Business-Management zwar nicht die Entscheidung abnehmen, ihm aber die jeweiligen Konsequenzen für das Unternehmen aufzeigen und Alternativen benennen.

Innerhalb der vergangenen drei Jahre ist der für die Aufrechterhaltung des IT-Betriebs verwendete Budgetanteil von 55 auf 75 Prozent gestiegen, so der Meta-Group-Chairman weiter. Hinzu kämen die Herausforderungen durch neue gesetzliche Bestimmungen hinsichtlich Privacy, Sicherheit und Risiko-Management. Aus dem schmalen Rest habe die IT den Aufwand für ihre eigentliche Aufgabe zu bestreiten: "Sie muss den Unternehmen helfen, ihre Geschäftschancen zu nutzen."

Gnadenstoß für Anwendungen

Nicht die Ausgaben, sondern den Wertbeitrag in den Vordergrund stellen, dann das Risiko analysieren und daraufhin erst die Kosten bewerten - dieser Ratschlag der Meta Group hat sicher seine Berechtigung. Aber er ist leichter erteilt als ausgeführt.

Immerhin gaben die Analysten den anwesenden IT-Managern einige Tipps, wie sich die leidigen Betriebskosten verringern lassen: Dass sich durch Outsourcing fixe in variable Ausgaben umwandeln lassen, dürfte den meisten schon bekannt gewesen sein - auch wenn viele dabei möglicherweise einen wichtigen Punkt vergessen: "Sie dürfen nicht nur sehen, dass indische Programmierer billiger sind, sondern Sie müssen die Gesamtkosten des Prozesses betrachten", gab Kutnick zu bedenken. Auch den Ratschlag, die Infrastruktur zu konsolidieren und sich auf wenige Anbieter zu beschränken, haben einige der Konferenzteilnehmer möglicherweise schon beherzigt.

Neu und interessant klang hingegen der Vorschlag, sich nicht nur mit dem Ausgaben-, sondern auch mit dem Anforderungs-Management zu beschäftigen. In Zeiten knapper IT-Budgets bedeutet das eine zu tun ja oft genug, das andere zu lassen. "Der CIO muss die Frage aufwerfen, wofür das vorhandene Geld ausgegeben werden soll", forderte Kutnick seine 450 Zuhörer auf: "Sind hundert Prozent Verfügbarkeit immer und überall notwendig? Wer braucht tatsächlich den Zugriff worauf?" Ein Unternehmen, das jeden Mitarbeiter mit einem Personal Digital Assistant (PDA) ausstatte, wende inklusive Support zwischen 8000 und 12000 Euro pro Person auf - in vielen Fällen nur, damit jede E-Mail sofort gelesen werden könne, was genau genommen zu Lasten der Produktivität gehe.

Darüber hinaus machte der Strategieexperte den CIOs Mut, überholten Anwendungen den "Gnadenstoß" zu erteilen. Es könne nicht angehen, dass Applikationen, die nicht kritische Funktionen bereitstellen und für die es nur noch zwei oder drei Anwender gebe, mit viel Aufwand am Leben gehalten würden. "Wir schleppen 30 bis 40 Prozent überflüssige Software mit uns herum", so Kutnick. Was den Unternehmen deshalb fehle, sei ein Gremium unter der Leitung des Finanzchefs, das in regelmäßigen Abständen alle Anwendungen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüfe - "wie in einer Gerichtsverhandlung".

Prioritäten der IT-Chefs

Vor jeder ihrer "Metamorphosis"-Konferenzen befragt die Meta Group die angemeldeten Teilnehmer online nach den Prioritäten in ihren IT-Portfolios. 79 der für die Veranstaltung in Barcelona registrierten IT-Profis nahmen an der Multiple-Choice-Befragung teil. Hier einige der Ergebnisse:

- Rund 65 Prozent der Befragten nutzen bereits IT-Metriken oder planen zumindest, sie in naher Zukunft einzusetzen. Am häufigsten gemessen werden die Performance der IT und die Abweichungen zwischen Budget und Ist-Ausgaben, während die IT-Balanced-Scorecard zwar noch nicht weit verbreitet ist, aber rapide an Bedeutung gewinnt. Nach den Beweggründen für die Messungen befragt, antworteten die meisten Umfrageteilnehmer: "Um den Lines of Business den Wert der IT nahe zu bringen". Erst an dritter beziehungsweise vierter Stelle folgen "Kosten reduzieren" und "Budgets rechtfertigen".

- Auf die Frage nach ihrer Personalstrategie konstatierten vier von fünf Auskunftgebern einen Mangel an Change-Management-Fähigkeiten. Mehr als drei Viertel wünschen sich zusätzliches Know-how in den Bereichen Programm- und Projekt-Management. Einen Mangel an interner Kommunikation beklagten über 70 Prozent. Auch beim Personalthema spielt der Kostenaspekt anscheinend eine untergeordnete Rolle: Nur jeweils 60 Prozent nannten "unangepasste Entlohnung" und "billigere Workforce-Alternativen" als Schlüsselthemen.

- In puncto Technik haben sich die Web-Services als Integrationstechnik den Spitzenplatz auf den Prioritätenlisten der IT-Manager erobert. "Die Investitionen der Vergangenheit konsolidieren", "eine neue Infrastruktur in Betrieb nehmen" und "neue Anwendungen produktiv schalten" folgen auf den Plätzen. Weit abgeschlagen: der Ausbau drahtloser Verbindungen.

- Schließlich gaben die Befragten auch Auskunft zu ihren Budgets: Nach dem heutigen Stand werden sich die IT-Ausgaben in diesem Jahr wohl auf dem Niveau des Vorjahres bewegen. Allerdings bleiben die Budgets nur bei 40 Prozent der Befragten über das Jahr hinweg stabil. Mehr als ein Drittel passt sie vierteljährlich den Erfordernissen und der wirtschaftlichen Lage an, 14 Prozent sogar monatlich und etwa ebenso viele "nach Bedarf".