Spezifische Systemeigenschaften erschweren die Kommunikation Satellitenverbindungen sind eine Alternative zum Postkabel CW-Bericht Juergen Hill

14.10.1994

LONDON - Nach dem Rummel um Satelliten als zentralen Bestandteil der amerikanischen Strategic Defensive Initiative (SDI), mit denen US-Praesident Ronald Reagan seinerzeit die USA vor einem Atomschlag schuetzen wollte, ist es um die kuenstlichen Erdtrabanten still geworden. Dafuer zieren die zum Satellitenempfang unvermeidlichen Antennenschuesseln in den USA wie in Europa immer mehr Hausdaecher. Ueber die Fernsehversorgung fuer ein breites Publikum hinaus eignen sich die erdnahen Himmelskoerper jedoch auch zum Aufbau von Corporate Networks zur Daten- und Sprachkommunikation.

Waehrend sich die Satelliten im Bereich der Fernsehdistribution bereits eine breite Akzeptanz erobert haben, ist ihre Marktdurchdringung in anderen, professionellen Bereichen bisher eher gering. So gehen die Marktforscher der Yankee Group Europe davon aus, dass in Europa bis Ende 1996 rund 10000 VSAT-Systeme installiert sind, die von 50 bis 100 europaweit taetigen Kunden genutzt werden.

Kommunikation mit Satellitentechnik bietet sich im professionellen Bereich ausser fuer die Flottensteuerung mit Empfaengern im Fahrzeug vor allem zum Aufbau von unternehmensweiten Netzen mit einer weitverzweigten Struktur an oder wenn beispielsweise Standorte in mehreren Laendern vernetzt werden muessen. So rechnen sich die kuenstlichen Erdtrabanten oft als kostenguenstige Alternative zur terrestrischen Vernetzung durch PTTs und andere Carrier. Sind gar Filialen in einem frueheren Mitgliedsstaat des RGW-Raumes an das Corporate Network anzubinden, dann erweisen sich die Satelliten oft als ein Muss, da aufgrund fehlender oder maroder TK- Infrastrukturen eine terrestrische Vernetzung nicht realisierbar ist.

Ein anderes moegliches Anwendungsszenario ist der Einsatz von Satellitensystemen als Backup-Medium fuer Mission-critical- Netzbereiche. Eine Methode, die bereits von einigen Banken praktiziert wird: Anstelle mehrerer, nur unter hohem Kostenaufwand raeumlich getrennt zu verlegender Leitungsstrecken sollen im Falle eines Falles die Himmelstrabanten die Aufrechterhaltung der Kommunikation gewaehrleisten.

Je nach Preisgestaltung des Anbieters koennen die urspruenglich als Backup konzipierten Systeme im Alltagsbetrieb billiger als ein terrestrisches Netz sein, zumal wenn dank freier Kapazitaeten auch die Sprachkommunikation ueber Satellit laeuft. Eine Situation, in der dann aus dem urspruenglichen Sicherungssystem das Hauptnetz entsteht, waehrend die terrestrischen Leitungen nur noch als Ersatz fungieren.

Unabhaengig vom Einsatzszenario sind vor dem Einstieg in die Satellitenkommunikation einige spezifische Eigenschaften der Systeme zu beruecksichtigen, damit sich der Ausflug ins All nicht als kostenspieliges Abenteuer entpuppt. So sollten vor einer Entscheidung fuer den einen oder anderen Anbieter nicht nur dessen Tarife, sondern vor allem auch die Positionierung seiner Satelliten genauer betrachtet werden. Denn von Ort und Hoehe ihrer festen beziehungsweise wechselnden Standorte haengt es ab, welches Gebiet die kuenstlichen Himmelskoerper versorgen koennen und wie grosse Antennen dafuer bereitzustellen sind - fuer die Nutzer eine Kostenfrage.

Am Rand der Ausleuchtzone sind grosse Antennen noetig

Laesst sich beispielsweise in der zentralen Ausleuchtzone eines Satelliten noch mit Antennengroessen von einem bis drei Metern arbeiten, sind an den Raendern bereits Zehn-Meter-Schuesseln zu stoerungsfreiem Betrieb erforderlich. Dies stellt bei der Einrichtung eines Corporate Networks zwar noch kein Problem dar, wenn alle Zweigstellen in der Ausleuchtzone liegen, doch bei einer spaeteren Expansion koennen hier betraechtliche Folgekosten entstehen. Sollte sich eine neu zu vernetzende Filiale in der Randzone befinden und baurechtliche Auflagen die Verwendung grosser Antennen verbieten, bleibt nur die Anmietung weiterer Uebertragungskapazitaeten auf einem guenstiger positionierten Satelliten, verbunden mit einem betraechtlichen organisatorischem Aufwand, da nun die Kommunikation ueber zwei verschiedene Systeme zu verwalten ist.

Neben der Positionierung entscheidet auch die Hoehe des Satellitenplatzes ueber die Staerke des Empfangssignals und damit ueber die Antennengroesse. Zwar hat eine geostationaere Position in

36000 Kilometern Hoehe den Vorteil, dass der Himmels-Hub sich immer an der gleichen Stelle befindet, doch die grosse Distanz erfordert entsprechend voluminoese Schuesseln. Erschwerend kommt hinzu, dass die Daten den Weg hinauf wie hinunter nehmen muessen, womit sich eine zurueckzulegende Strecke von 72000 Kilometern ergibt, eine Entfernung, die bei der Sprachkommunikation bereits zu hoerbaren Verzoegerungen fuehren kann und bei der Datenuebertragung mit der Implementation geeigneter zeitunkritischer Protokolle abgefangen werden sollte.

Dem gegenueber bieten im Low Earth Orbit (LEO) geparkte Satelliten den Vorteil, dass der zurueckzulegende Weg deutlich kuerzer und damit die Verzoegerung geringer ist. Zudem ist durch die groessere Erdnaehe das Signal staerker, so dass mit kleineren Antennen gearbeitet werden kann. Diese Vorzuege werden allerdings mit dem Nachteil erkauft, dass die Himmelskoerper nicht fest an einem Punkt ueber der Erde bleiben und somit der Einsatz einer groesseren Anzahl von Satelliten erforderlich ist, um eine lueckenlose Versorgung zu gewaehrleisten.

Neben diesen systembezueglichen Ueberlegungen sollten bei der Kostenplanung - fuer die die einfache Formel gilt: Je staerker das zu empfangende oder zu sendende Signal, desto hoeher die Tarife des Betreibers - einige Sicherheitsmargen eingeplant werden. So ist bereits bei Regen ein staerkeres Signal erforderlich als bei klarem Wetter. Ebenso unterscheidet sich die Leistungsanforderung bezueglich der Tageszeit.

Gelaendehindernisse koennen eine Verbindung vereiteln

Des weiteren ist zu beruecksichtigen, dass hoehere Frequenzen im oberen Gigahertzbereich zwar mehr Informationen uebertragen koennen, aber gleichzeitig auch stoeranfaelliger gegenueber Gelaendehindernissen sind. Schon einige Baeume im Empfangsfeld der Antenne koennen ausreichen, um eine Verbindung zum Satelliten zu vereiteln.

Ausser von den genannten Faktoren ist die benoetigte Antennengroesse direkt von der Uebertragungsfrequenz abhaengig. Deshalb verwenden die gerade zur remoten Netzanbindung beliebten Very Small Aperture Terminals (VSAT) die niedrigeren Frequenzen des C- und Ku-Bandes, um mit ein bis drei Meter grossen Schuesseln auszukommen. Darueber hinaus braucht sich der Netzverwalter, so Satellitenspezialist Bernhard Keiser im Rahmen der Frost & Sullivan- Veranstaltung "Satellite Communication", bei diesen Systemen in Sachen Netzsicherheit aufgrund der verwendeten Uebertragungsverfahren CDMA und TDMA wenig Sorgen zu machen. Einer der Vorteile des Time Division Multiple Access (TDMA) ist laut Keiser, dass immer nur ein Uplink den Transponder erreicht und einem Downlink-Signal zugeordnet wird, es also zu keinen Stoerungen durch gleichzeitig eintreffende Signale kommt, wenn mehrere Stationen im Netz senden wollen. Das Code-Division-Multiple-Access-Verfahren (COMA) bietet dagegen eine erhoehte Datensicherheit, da ein Zufallsgenerator die zu uebermittelnden Zeichen erzeugt. Zudem ist bei CDMA im Gegensatz zu TDMA kein Network-Timing erforderlich.

Darueber hinaus sollte der potentielle Satelliten-User auch darauf achten, welche Verfahren der Betreiber zur Erhoehung der nutzbaren Bandbreite einsetzt. So erweist sich die Digital Speech Interpolation (DSI), die seit laengerem auch in Ueberseekabeln verwendet wird, um im Bereich der Sprachkommunikation die nutzbare Bandbreite dadurch zu erhoehen, dass man die Gespraechspausen zur Schaltung weiterer Sprachkanaele nutzt, fuer die Datenuebertragung eher als kontraproduktiv. Nach Ansicht von Keiser ist hier das Digital Noninterpolated Interface (DNI) die bessere Loesung. Das Verfahren wird meist in Verbindung mit TDMA implementiert und erlaubt die Uebermittlung von Primary Multiplex Channels ueber permanent zugewiesene Uebertragungskanaele.

Nach all diesen Ueberlegungen muss der Anwender dann noch den passenden Anbieter aussuchen, der die Anforderungen am besten erfuellt. Waehrend das Angebot an Satellitendiensten in den hoeheren Umlaufbahnen auf Services wie Eutelsat, Inmarsat P sowie C oder Odyssey begrenzt ist, bahnt sich im Bereich der zur Sprach- und Datenkommunikation oder zur Flottenverfolgung nutzbaren LEO- Systeme in den naechsten Jahren ein groesserer Wettbewerb an.

Neben der oft erwaehnten Iridium-Initiative unter der Federfuehrung von Motorola sind Systeme wie Aries, Ellipso und Globalstar, um nur einige zu nennen, in der Planung beziehungweise bereits im Aufbau. Waehrend diese Systeme je nach dem jeweiligen Grad der Flaechendeckung und der Hoehe der Umlaufbahn in der Regel mit 20 bis 70 Satelliten auskommen, wollen Bill Gates und McCaw im Rahmen ihres Teledisc-Projektes 840 Satelliten in eine 700 Kilometer hohe Umlaufbahn schiessen, um so bis zu zwei Millionen simultane Verbindungen zu ermoeglichen.

Gemeinsam ist allen geplanten Systemen, dass zur Kommunikation auch die terrestrischen Netze der klassischen PTTs und Service-Provider in die Konzeption einbezogen werden und die Satellitenverbindung meist nur im Bedarfsfall erfolgt.