Branchensoftware kann billiger werden:

Sotware-Entwicklungskosten verteilen?

23.03.1979

WILHELMSHAVEN (hö) - "Branchensoftware - gemeinsam entwickeln und nutzen" lautete die Frage zum "Thema der Woche" in CW-Nr. 10 vom 9. März 1979. Ergänzend zu den dort veröffentlichten drei Statements hier noch die Stellungnahme eines Software-Hauses. Für die ADV/ORGA F.A. Meyer GmbH spricht Wolfgang Pätzold, Leiter des Software- und Technologie-Bereiches.

ADV/ORGA steht der Entwicklung von großen spezifischen Lösungen grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Den Befürwortern auf der Anwenderseite für die Entwicklung von Branchen-Anwendungssoftware können wir nur beipflichten und sie zu gemeinsamen Lösungen ermuntern. Im übrigen hat ADV/ ORGA solche Branchenlösungen im Auftrag von Hardware-Herstellern bereits produziert. Die Argumente für gemeinsame Lösungen liegen auf der Hand: Die enormen Entwicklungskosten für komplexe zukunftsorientierte Branchenlösungen verteilen sich auf mehrere Anwender. Damit werden genügend Mittel für eine dringend notwendige Normung und Software-Technologie freigesetzt.

Durch die Verbreitung des Know-hows auf eine größere Gruppe von Spezialisten wird eine höhere Sicherheit erreicht. Schließlich können Wartung, Weiterentwicklung und Dokumentation gemeinsam getragen werden.

Über allem steht natürlich die Frage, wo und wann branchenspezifische Anwendungen sinnvoll sind. Aus unserer Erfahrung sollte vor dem Startschuß für eine Branchenentwicklung geprüft werden, ob es sich um ein Anwendungsgebiet mit allgemeiner betriebswirtschaftlicher Aufgabenstellung (Funktion) handelt oder ob die speziellen Anforderungen einer speziellen Branche überwiegen. Im ersten Falle sucht etwa der Verband der Brauereien für seine Mitglieder ein leistungsfähiges Anwendungspaket für sein Rechnungswesen. Bei einer solchen funktionsorientierten Problemstellung kann auf bewährte, vorhandene Softwareprodukte zurückgegriffen werden, zu denen dann lediglich spezielle Branchen-Zusatzmoduln hinzugefügt werden. Diese Branchengruppen können somit bereits erprobte und kostengünstige Anwendungssoftware mit branchenspezifischen Moduln zur Lösung ihrer Probleme anvisieren.

Im zweiten Fall, bei der die spezielle Branchen-Problematik überwiegt, sucht beispielsweise eine Gruppe von Importeuren eine Software-Lösung zur Verwaltung von Zoll-Lägern. Hier kann nur eine branchenspezielle Software-Entwicklung den Anforderungen gerecht werden. Ein in der Produktion von Anwendungssoftware erfahrenes Dienstleistungsunternehmen ist hier sicher der geeignete Partner, damit die angestrebten Eigenschaften eines Serienproduktes bezüglich Software-Technologie, Modularisierung, Flexibilität, Benutzerfreundlichkeit etc. von vornherein berücksichtigt werden.

Von großen Lösungen abzuraten ist unseres Erachtens nur dort, wo über den Lösungsweg individueller Software-Anwendung echte Wettbewerbsvorteile der Konkurrenz gegenüber erzielt werden. In allen anderen Fällen sind die Argumente gegen Software-Anwendungen als Serienprodukt nur Ausreden. Einschlägige Beweise für die Vorteile von branchengemeinsamen Investitionen und Nutzengewinn aus Anwendungssoftware haben beispielsweise die Datev und viele andere Branchen-Rechenzentren geliefert.