Kritik an Schleswig-Holsteins Finanzminister nach Einführung von SAP-System

Softwareprojekt bringt Behörde ins Zwielicht

01.02.2002
MÜNCHEN/KIEL (jm) - Das Finanzministerium von Schleswig-Holstein unter Minister Claus Möller (SPD) sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Einführung eines SAP-Systems im Jahr 1998 jegliche Wirtschaftlichkeitsberechnungen außer Acht gelassen zu haben. Zudem geriet die ehemalige Projektleiterin der Behörde in den Verdacht der Korruption. Die Kieler Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.

Ein Bericht des Landesrechnungshofs (LRH) Schleswig-Holstein brachte den Stein ins Rollen: Darin wird der Finanzbehörde vorgeworfen, sie habe bei der "Auswahl eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems für die Landesverwaltung" im Jahr 1998 "wesentliche Vorschriften des Vergabe- und Haushaltsrechts verletzt" und sich "gravierende Verstöße" zuschulden kommen lassen. Insbesondere habe das Ministerium nicht nachweisen können, dass es das wirtschaftlichste Verfahren gewählt habe.

Ein externer Berater hatte in einem Prüfverfahren der sechs in die engere Wahl gezogenen Anbieter seinerzeit festgestellt, dass die SAP-Lösung "unter fachlichen und finanziellen Aspekten" jeweils nur die fünftbeste Lösung sei. Pressesprecher Herbert Schnelle vom Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein sowie die LRH-Sprecherin Gabi Meyer machten keine Angaben dazu, um welche sechs Anbieter es sich handelte.

CW-Recherchen ergaben, dass auch Oracle und Baan mitgeboten hatten. Ferner wurden Lösungen der Firmen Dogro ("Pro Fiskal"), Mach und die Software eines kleinen Unternehmens namens Müller IVR begutachtet.

Der Vertrag, der zwischen Finanzministerium und SAP am 15. Juli 1998 abgeschlossen wurde, enthalte außerdem keine Zusicherung, dass SAP Schadensersatzansprüche an das Land leiste, wenn geforderte Leistungen nicht erbracht würden. Genau diese Zusicherung sei gegeben, hatte das Finanzministerium im Vorfeld der Vertragsvergabe gegenüber dem Finanzausschuss behauptet. Hierzu erklärte LRH-Sprecherin Meyer: "Im Falle Schleswig-Holstein hat SAP etwaige Schadensersatzleistungen abgelehnt, Hamburg wurden sie aber zugestanden".

Die Angelegenheit könnte sich für Finanzminister Möller auch insofern zum Skandal ausweiten, als, wie Finanzministeriums-Sprecher Schnelle sagt, zeitgleich mit dem LRH-Bericht ein anonymes Schreiben bekannt wurde. In diesem wird eine ehemalige Mitarbeiterin der Möller-Behörde der Korruption beschuldigt. Sie soll 1998 als Projektleiterin maßgeblich die Entscheidung für SAP/Debis vorangetrieben haben. Mittlerweile ist sie Angestellte des Walldorfer Softwarehauses. "Wir haben daraufhin sofort vorsorglich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet", berichtet Schnelle.

Oberstaatsanwalt Uwe Wick bestätigte unterdessen, dass seine Behörde aufgrund eines Schreibens des Finanzstaatssekretärs Uwe Döring (SPD) prüft, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Weitere Erklärungen gab er nicht ab, weil noch keine Unterlagen vorlägen. Ein Strafverfahren werde erst eingeleitet, wenn ein Anfangsverdacht gegeben sei. Ein Ermittlungsverfahren laufe also noch nicht. Unklar ist ebenfalls, ob das anonyme Schreiben wirklich existiert. Wick zu dieser Frage: "Uns liegt bisher solch ein Schreiben nicht vor. Unsere Prüfung erfolgt ausschließlich wegen des Schreibens des Finanzstaatssekretärs." Ein Insider berichtete aber, das anonyme Schreiben befinde sich bei der CDU-Opposition.

Korruptionsverdacht nicht bestätigtSAP-Sprecher Markus Berner bestätigte, dass die Mitarbeiterin des Finanzministeriums seinerzeit zur SAP gewechselt sei. Man sei aber prinzipiell bei der Einstellung von Kundenmitarbeitern sehr vorsichtig und prüfe die Umstände genau. Im Übrigen würde eine Investitionsentscheidung wie diese nicht von einer einzelnen Person gefällt. Berner wies daher den Vorwurf der Korruption zurück.

Ein weiterer Informant der CW nannte einen möglichen Grund für den Wechsel der Finanzministeriumsmitarbeiterin zur SAP: Danach habe man ihr seinerzeit in der Behörde Karriereoptionen versprochen, die sie dann allerdings nicht bekam.

Das von Schleswig-Holstein genutzte SAP-System kostet laut Bericht des LRH inklusive aller Kosten bei einer Laufzeit von 15 Jahren etwa 419 Millionen Euro.

Niedersachsen, das sich für ein funktional ähnliches System von Baan entschieden und dieses seit zwei Jahren im Einsatz hat, zahlt hierfür nach Angaben des stellvertretenden Projektleiters im Finanzministerium Eckard Lau erheblich weniger. Lau sagte, die Investitionskosten für das gesamte System für 16000 Anwender, deren Schulung, die gesamte Hard- und Software sowie die Netzinfrastruktur hätten seit 1997 rund 140 Millionen Euro betragen. Nur vierzehn Prozent hiervon fielen für den Softwarelieferanten ab. Pro Jahr muss das Land Niedersachen zudem 24 Millionen Euro an Kosten für den laufenden Betrieb des Systems aufbringen.