Softwareprofis mit Cobol unabsteigbar? Dieter Eckbauer

26.11.1993

Es ist schon merkwuerdig. Da wettert der hollaendische Softwarespezialist Jan Baan gegen die Common Business Oriented Language (Seite 1): "Es muesste verboten werden, heute noch mit Cobol zu arbeiten." Baan als Fuchs im Softwarestall? Da lachen ja die Branchenhuehner. So ist leider heute die Realitaet in der bundesdeutschen Softwareszene. Der Mann hat recht, aber wen interessiert das schon? Das ist wohl das boeseste Kompliment, was man dem Vater der PPS-Software Triton machen kann. Baan kennt natuerlich die Argumente der Restauratoren, der Bewahrer, der Pragmatiker, jedenfalls derjenigen unter den Softwerkern, die sich dafuer ausgeben, weiss um die Gefahr, von seinen Kollegen als Nestbeschmutzer abgestempelt zu werden. Der SAP-Herausforderer Baan will provozieren, nicht zuletzt, weil er in dem zum Quasi- Monopol verkommenen deutschen Markt der integrierten Standardsoftware nur so eine Chance fuer sein Unternehmen sieht.

Mit einer Tabuverletzung koennte Baan immerhin die Provokation gelingen, das Geschaeftliche soll seine Sache sein. Und um eine Tabuverletzung handelt es sich, wenn der Cobol-Kritiker indirekt auf den Umstand hinweist, dass Anwendungsentwickler mit jeder neuen Zeile Spaghetti-Code ihre Jobs schuetzen, weil die Programme ja spaeter gepflegt werden muessen. Darauf spielt Baan an, wenn er sagt: "Je mehr Spaghetti-Code sie (die Anwenderunternehmen, Anmerkung der Redaktion) haben, desto groesser ist der Wartungsaufwand - damit sind nur die sogenannten Systemintegratoren gluecklich."

Es geht hier natuerlich nicht um die Vor- und Nachteile von Cobol, wenngleich niemand sagen kann, die verbreitetste kaufmaennische Programmiersprache sei besonders flexibel - weil nur wenig formalisiert - und erfordere einen geringen Schreibaufwand. Das Gegenteil ist der Fall. Das macht sie unausrottbar, und das war mit Jobschutz gemeint. Vielmehr steht die Zukunft der Softwarebranche auf dem Spiel, wenn Innovation im Sumpf der Altlasten zu ersticken droht. Baan geht in seiner Anklage noch weiter, bezieht die Anwender in die Survival-Ueberlegungen ein. "Time to market" sei mit Cobol nicht zu realisieren, das betreffe Anbieter wie Anwender von Informationstechnik gleichermassen. Die Zukunft gehoere vorgefertigten Softwarekomponenten und Business- Tools, mit denen diese angepasst werden koennten.

Was diese Hoffnung betrifft, sieht es hierzulande ganz finster aus. Natuerlich ist es ein gewaltiges Vorhaben, die etablierten Cobol-Entwickler bei bundesdeutschen Softwarehaeusern und Grossanwendern auf Neuerungen einzuschwoeren, etwa die Objekttechnik. Aber unverstaendlich ist, was in der Informatikausbildung passiert, dort, wo die Weichen fuer die zukuenftige Entwicklung einer Disziplin gestellt werden. Nichts gegen die R/3-Anwendung, wo sie zumindest nicht schadet. Aber sollen wir uns daran gewoehnen, dass an unseren Hochschulen SAP- Know-know vermittelt wird, wie es jetzt bundesdeutsche Professoren angeregt haben? Man muesste es als schlechten Witz bezeichnen, wenn es nicht so verdammt ernst waere.