Technik-Angsthasen unter den Chefs haben kein Alibi mehr

Software für das Management hat den ersten Praxistest bestanden

06.03.1992

Viele Manager haben ein eigenartiges Verhältnis zum Einsatz von Technik im Büro: Die meisten von ihnen sind bekennende. Technik-Enthusiasten, an einen Computer sollen sich aber gefälligst die unteren Chargen setzen. Mittlerweile jedoch ist auch die nicht neue Idee, bei komplexen Management-Fragen den Computer zu konsultieren, praktikabel geworden, berichtet Felix Weber.

Von 800 befragten Topmanagern mittelgroßer Betriebe arbeitet nicht einmal jeder dritte mit einem PC oder Bildschirm-Terminal. Das hat eine Untersuchung des betriebswirtschaftlichen Instituts der Universität Dortmund gezeigt. Als Begründung gaben die PC-Verweigerer zu Protokoll, ihre Arbeit sei für eine Automatisierung zu komplex. In manchen Fällen offenbar nur eine Ausrede: Aus der gleichen Untersuchung geht hervor, daß viele Führungskräfte vor allem deshalb nicht mit dem Computer arbeiten wollen, weil sie die PC-Tastatur mit niedrigen Schreibarbeiten assoziieren.

Programme zwangen Anwender in ein Korsett

Womöglich gibt es noch einen anderen Grund, weshalb Manager sich so selten an den PC setzen: Der Computer ist für die typischen Aufgaben, die in den Chefetagen anfallen, nicht geeignet. Zumindest war das vor wenigen Jahren noch so. Die damaligen Programme zur Entscheidungsfindung zwangen den Anwendern ein Korsett auf, das auf lineares buchhalterisches Denken ausgerichtet war. Ein Großteil der Manager pflegt aber eher einen sprunghaften, assoziativen, manchmal gar chaotischen Arbeitsstil.

Die herkömmliche Management-Software - vor allem Tabellenkalkulations-Programme und Datenbanken - war unattraktiv. Bevor man damit Informationen holen konnte, mußte man stundenlang andere Informationen eingeben und dann dem System das, Rezept für die gewünschte Verarbeitung eingeben. Solcher Aufwand ist vielen Managern meist zu groß - da peilen sie lieber gleich von Anfang an über den Daumen.

Als dann um 1986 die ersten brauchbaren Programme auf den Markt kamen, war die Zeit offenbar noch nicht reif dafür. So wurde beispielsweise "Javelin" von Ashton-Tate 1987 von Fachjournalisten zwar zur "Software des Jahres" erkoren, aber von den wirklichen Anwendern weitgehend verschmäht. An der Bedienung konnte es nicht liegen: Die gewünschten Rechenoperationen ließen sich sogar in deutschem Klartext eingeben: zum Beispiel "Gesamtpreis = Grundpreis + Schiebedach + Antiblockiersystem". Auch die Simulationsmöglichkeiten des Programms wurden gelobt: Wenn der Marketing-Leiter für die Budgetplanung die neuen Zahlen eingab, erhielt er auf Tastendruck die entsprechenden Grafiken. Diese konnte er dann so lange verändern, bis sie ihm im Vergleich zu den letztjährigen vernünftig erschienen, worauf das Programm rückwärts rechnete und die Ausgangszahlen modifizierte, was dem Planer viel Zeit ersparte.

Die Gründe für die Berührungsängste können sehr persönlich sein: Peter Schimöller, bis Mitte 1991 Vorstandsmitglied von Esso Deutschland, hat ein MIS, das sich auf den unteren Stufen der Firma bewährt hat, selbst geprüft und nach kurzer Zeit wieder abgeschafft, weil ihm der Nutzen zu gering erschien. Statt den Computer zu konsultieren, läßt er sich die relevanten Daten lieber von den zuständigen Leuten bringen und diskutiert anschließend mit ihnen darüber.

Ganz anderer Meinung ist Hans-Olaf Henkel, Chef von IBM Deutschland: "Ich werde nicht von einem Datenwust erschlagen, kann viel strukturierter arbeiten und habe einen besseren Überblick." Auch das Münchner BMW-Management ist mit seinem elektronischen Beratungsinstrument sehr zufrieden. Das System hat sich als wertvolle Hilfe bei der Kontrolle und Planung des Vertriebs erwiesen.

Wie auch immer: Heute bieten verschiedenste Softwarelieferanten Management-Informationssysteme (MIS) an, die diesen Namen auch tatsächlich verdienen: Programme, die die tägliche Datenflut kanalisieren präzisere Kontrollen der Betriebsabläufe ermöglichen und sogar brauchbare Prognosen liefern. Eines davon heißt "TZ Info", wurde vom Konstanzer Professor Rolf Hichert und seinem Mitarbeiter Michael Moritz entwickelt und bereits über 2500mal installiert. Auf der Kundenliste findet man zum Beispiel die Schweizerische Kreditanstalt, den Chemiemulti Sandoz, die Autokonzerne Mercedes-Benz und Nissan, aber auch den Verlag Neue Zürcher Zeitung.

Mit TZ Info kann man auf dem PC Betriebsdaten nicht nur zurückblickend analysieren, sondern, auch vorwärtsblickend dynamisch planen. Die Software ermöglicht Simulationen (Beispiel: "Was würde geschehen, wenn wir die Preise senken würde der Absatz steigen?" etc.) und liefert die Ergebnisse je nach Wunsch in Zahlen oder als anschauliche Grafiken.

TZ INFO muß allerdings auf jedes Unternehmen speziell angepaßt werden. Wer das nicht selbst machen will, kann den Konstanzern den Auftrag dazu geben. Falls der Anwender Kunde der Schweizerischen Kreditanstalt - das gilt auch für die deutsche Niederlassung - ist, kann er zu einer SKA-Geschäftsstelle gehen und sich dort mit "CS Telfin" vertraut machen, einer finanzorientierten Weiterentwicklung von TZ Info, die auf dem deutschen Bilanzrfchtlinien-Gesetz basiert und damit EG-konform ist.

Der Mensch muß die Entscheidung treffen

Mit CS Telfin können Firmenmanager ihren Betrieb analysieren und beispielsweise in kurzer Zeit herausfinden, ob sich geplante Investitionen auszahlen, und falls ja, welche Finanzierung dafür geeignet wäre. Der Ratsuchende braucht weder eine eigene Infrastruktur noch irgendwelche Computerkenntnisse. Ein auf CS Telfin geschulter Berater gibt die nötigen Daten (in der Regel die letzten vier Geschäftsbilanzen) ins System ein, worauf der Computer die gewünschten Finanzzahlen der Vergangenheit, aber auch Plandaten für die Zukunft liefert Zahlen notabene, die die Manager schon immer gerne gehabt hätten, aber nicht erhielten, weil die Rechnerei mit Bleistift und Papier zu aufwendig war. Teilweise fehlte auch einfach das nötige Know-how im Betrieb. Mit den bisherigen Erfahrungen - das System läuft seit 1987 - sind laut Jörg Müller, dem zuständigen SKA-Projektleiter, alle zufrieden: die Bank, weil sie eine attraktive und bisher konkurrenzlose Dienstleistung anbieten kann, und die Kunden, weil sie so auf bequeme und vor allem kostengünstige Art Antworten auf wichtige Fragen zur Zukunft ihres Unternehmens erhalten. Das Programm hat sich als Planungsinstrument für kleinere bis mittlere Betriebe inzwischen so bewährt, daß es jetzt unter dem Namen "TZ Telfin" auch verkauft wird.

Euphorie ist allerdings fehl am Platz: Auch das raffinierteste

MIS ist beschränkt. Richtig eingesetzt, kann es zwar im voraus die finanziellen Auswirkungen gewisser Entscheide zeigen und damit sehr wertvolle Dienste leisten - aber es gibt ja auch noch andere betriebsrelevante Fragen, die man nicht in Mark und Pfennig messen kann "Der Computer", betont Müller, "kann für den Manager eine große Hilfe sein, aber die Entscheidungen muß der Mensch nach wie vor letztendlich selbst treffen."

CS Telfin liefert Entscheidungshilfen für die Finanzplanung. Es zeigt, ob Aufwände durch Erträge gedeckt und Mittel für neue Zwecke vorhanden sind, ob das Unternehmen rentabel, liquid und stabil ist.

Neuanwender von CS Telfin brauchen nicht einmal einen Computer. Wenn sie Kunde der Schweizerischen Kreditanstalt in der Schweiz oder in Deutschland sind, müssen sie lediglich einen Fragebogen ausfallen, den sie bei jeder SKA-Zweigniederlassung erhalten. Wenn sie den Bogen an die Bank schikken, werden bis zu 100 Werte pro Jahr dort erfaßt und mit TZ Telfin verarbeitet.

Weil Planen keine einmalige Tätigkeit ist, sondern ein kontinuierlicher Prozeß, sollten die Betriebsdaten regelmäßig mit den geplanten Daten verglichen werden, damit bei starken Abweichungen rechtzeitig entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

Felix Weber ist freier Wissenschaftsjournalist in Zürich

Die Einführung eines MIS: Tips

1. Organisationsstruktur und MIS-Auswirkungen bestimmen: Was für Funktionen und Abhängigkeiten gibt es im Betrieb? Welches sind die Organisationsziele, welches die kritischen Erfolgsfaktoren?

2. Benutzerwünsche eruieren und nach Prioritäten ordnen: Welche Informationen sind nötig und in welcher Form? Dienen die Wünsche dem Unternehmensziel oder befriedigen sie nur die Neugier?

3. Bewerten, wie gut die Informationen bei den Benutzern ankommen: Wie einfach ist die Abfrage? Kommen Oberhaupt die gewünschten Daten? Falls nein: Sind sie etwa gar nicht vorhanden?

4. Lösungsvorschläge ausarbeiten: Müssen Informationsquellen modifiziert werden? Was ist zu tun, damit die benötigten Daten effizient fließen? Welche Lösungen gibt es, und was kosten sie? Rechtfertigen die zu erwartenden Vorteile Oberhaupt ein MIS oder wäre eine andere Lösung vernünftiger?

5. MIS einführen- Dazu gehört eine ausführliche Beschreibung des Systems, die gründliche Ausbildung der künftigen Benutzer sowie der Aufbau eines effizienten Supports.

(Quelle:International Data Corporation IDC)