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Software - alles nur Physik?

12.02.2003
Von Henning Kagermann
Henning Kagermann ist (auch) Vorstandssprecher der SAP. Formal gleichgestellt mit Hasso Plattner, war und ist seine Außenwirkung jedoch eindeutig die eines zweiten Mannes. Doch das könnte sich in absehbarer Zeit ändern.

Henning Kagermann kämpft einen Kampf, den er nicht gewinnen kann - jedenfalls nicht gegen die öffentliche Meinung. Egal, ob er sich vor Kunden den silberfarbenen Rennoverall des Formel-1-Piloten Mikka Häkkinen überstreift oder sich vor eigenen Vertriebsleuten auf einer aufblasba-ren Gummibanane durchs Meer ziehen lässt, es wirkt alles irgendwie aufgesetzt. Der Grund sitzt in der Walldorfer Chefetage eine Tür weiter. Mitbegründer, Visionär und „Einpeitscher“ Plattner beherrscht als „erster“ Vorstandssprecher der SAP die Klaviatur der Öffentlichkeitsarbeit. Nicht nur kraft Amtes, wo ihm dieser Job nach entsprechender Aufteilung der Verantwortungsbereiche zufällt, sondern mit Haut und Haaren. Ihm nehmen die Großkunden auf Veranstaltungen wie der Hausmesse „Saphhire“ die Solonummer als alternder Rocker mit der E-Gitarre ab - vom ewigen Streit mit Oracle-Chef Larry Ellison ganz zu schweigen.

Ergebnisse, nicht Eindrücke zählen  

Über Kagermann, der Vater dreier Kinder ist, kursieren indes Geschichten wie diese, dass er einem Kollegen gegenüber geäußert haben soll, er halte Christbäu-me für unnützen Zierrat und kaufe Weihnachtsge-schenke lieber im Januar, weil sie dann billiger seien. Doch der 55-jährige Professor für theoretische Physik hat sich vermutlich längst mit seinem grauen Image abgefunden. Denn es geht ihm um Ergebnisse, nicht um Eindrücke. Wahrscheinlich hat er es auch nie groß darauf angelegt, als Show-Man in die Fußstapfen seines Förderers zu treten.

Kein Geringerer als Plattner selbst hat Kagermann 1982 zur SAP geholt. Eingestellt, muss man vielmehr sagen, denn der charismatische Chefentwickler war zunächst Vorgesetzter des damals frisch von der Universität Braunschweig kommenden Nobodys. Der mauserte sich und machte schnell Karriere in Walldorf. Etwa als Abteilungsleiter derjenigen Entwicklertruppe, die ganze Buchungssätze in Standardsoftware „R2“ gegossen hat, dann als Chef der SAP-Landesor-ganisationen in Großbritannien und Frankreich, seit 1991 als Mitglied des Vorstands, wo er sich zunehmend auch um die Zahlen der Company gekümmert hat. Im Mai 1998 war Kagermann ganz oben angekommen. Zusammen mit Plattner wurde er zum - formal gleichberechtigten - Vorstandssprecher ernannt, nachdem sich die beiden anderen SAP-Gründer Dietmar Hopp (sein zweiter Mentor) und Klaus Tschira aus dem Vorstand zurückgezogen hatten.

Plattner lenkt, Kagermann denkt  

Seither geben die beiden Sprecher ein Duo, dessen Arbeitsteilung nach Ansicht Außenstehender nicht besser sein könnte. Plattner lenkt, Kagermann denkt, witzeln auch Insider über das unterschiedliche Rollenverständnis, mit dem beide den Job als CEO interpretieren, womit man wieder bei den Vorurteilen wäre. Hier der emotionale „Mister SAP“ und „Hauruck“- Firmenlenker, dort der kühl wirkende Technokrat. Das Problem Kagermanns ist, dass er im persönlichen Gespräch (und gegenüber Mitarbeitern) alles andere als introvertiert ist, ja geradezu charmant, witzig und souverän auftritt - während viele Zeitgenossen ihm nachsagen, dass seine schärftste Waffe das Schweigen sei. Der wohl größte Unterschied zum Enfant terrible Plattner dürfte sein, dass Kagermann zuhören kann, während Plattner Zuhörer braucht.


Zur Person

Glaubt man, was die Spatzen von Walldorfs Dächern pfeifen, könnte Henning Kagermann schon bald alleine an der Spitze der SAP stehen. Dann, wenn sich Hasso Plattner entscheidet, seinen 2004 auslaufenden Vertrag als Vorstandssprecher nicht zu verlängern. Mit dann 57 Jahren wäre die Nummer zwei in diesem Fall auch nach außen hin der unumschränkte Chef.