Auch in der Kleinteile-Lagerhaltung sind Roboter-Systeme auf dem Vormarsch:

So sorgt der Roboter für Ordnung im Lager

07.10.1988

Während es für das Ein- und Auslagern von Großteilen - in aller Regel Paletten - eine Reihe von automatisierten Lösungen mit hohem Rationalisierungsgrad gibt, wird die Kleinteile-Lagerung heute noch überwiegend manuell vorgenommen. Aber auch hier zeigt die aktuelle Entwicklung, daß die Roboter auf dem Vormarsch sind.

Das Kommissionieren stellt laut Klaus Hoehne von der Mannesmann Demag Fördertechnik, von dem auch die folgenden Ausführungen stammen, den größten Teil des Arbeitsaufwandes dar. Sollen alle Möglichkeiten zur Rationalisierung ausgeschöpft werden, müssen Einlagerung, Auslagerung und innerbetrieblicher Transport optimal ineinandergreifen. Wegen der Art der gelagerten Teile sowie der Struktur der Aufträge sind die Aufgabenstellungen des automatischen Kommissionierens im Handel und in der industriellen Fertigung unterschiedlich. In Handelslägern sind die gelagerten Artikel überwiegend verpackt und zwar meist in Kartons. Die Teile sind normalerweise unempfindlich gegen Fall aus geringer Höhe, die Zahl der zu greifenden Teile pro Auftragszeile ist gering (1 bis 10). Sind größere Stückzahlen zu greifen, so werden häufig eigene Artikelnummern für Gebinde eingerichtet.

Dem Kommissionierer stehen verschiedene organisatorische Hilfsmittel zur Verfügung wie Picklisten mit vorgezeichnetem Laufweg und Abgrenzung des Auftrags auf einzelne Kommissionierzonen. Das Sortiment wird üblicherweise in A-, B- und C-Artikel nach Gängigkeit gegliedert. Während die gängigen A-Artikel mit kurzen Wegen vom Kommissionierer zu erreichen sind, lagern die anderen Artikel in langen Regalzeilen. Der Anteil schnelldrehender Artikel ist zwar mit etwa 3 Prozent geringe, er erbringt jedoch oft bis zur Hälfte des Umsatzes. Das Lagerpersonal erreicht hier hohe Kommissionierleistungen, da die Suche der nur wenigen Lagerorte entfällt. Außerdem ist wegen der großen Anzahl der zu greifenden Stücke pro Auftragszeile die Stückkommissionierungsleistung hoch.

Die technischen Entwicklungen automatischer Kommissioniergeräte konzentrierten sich zunächst auf die Schnelldreher. Diese Automaten bestehen aus elektromechanischen Einrichtungen, die für jeden einzelnen Artikel erforderlich sind. Wegen der hohen Investition können sie jedoch nur für eine geringe Anzahl von Artikeln sinnvoll verwendet werden.

Obwohl wegen der langen Laufwege und der zeitaufwendigen Suchzeiten die Kommissionierkosten der Mittel- und Langsamdreher viel höher als die der Schnelldreher sind, konnten geeignete Geräte vorerst nicht entwickelt werden. Mit dem Fortschritt der Mikrocomputertechnik und der Sensorik konnte die Kommissionierung allmählich automatisiert werden.

Kommissioniertechnik schrittweise automatisiert

Bezüglich der Kommissionierung von Schnelldrehern werden zum zügigen Einlagern die bekannten Durchlaufregale verwendet. Da die Gängigkeit der Artikel unterschiedlich ist und außerdem schwankt, sind die Durchlaufregale nur teilweise voll zu nutzen. Die Platzverschwendung könnte durch Nebeneinanderlagerung vermieden werden. Hierdurch würde sich allerdings der Laufbereich des Kommissionierers erhöhen, was wiederum die Kommissionierleistung senkt.

In Schachtkommissioniergeräten werden die Teile manuell in Schächten gestapelt und durch einen rechnergesteuerten Auswurfmechanismus in Auftragskisten oder auf Förderbänder befördert. Mit diesem Verfahren können kurzzeitige Auftragsspitzen ohne zusätzliches Personal überbrückt werden.

Ein weiteres Hilfsmittel sind Leuchtanzeigen an den Regalpositionen. Pro Auftrag leuchten rechnergesteuert an den Regallagerorten die Anzahl der Stückzahlen auf, die für einen Auftrag zu entnehmen sind. Der Kommissionierer spart also die Suchzeit ein, da er lediglich auf die leuchtenden Anzeigen achten muß.

Durch Kommissionierfahrzeuge für Mittel- und Langsamdreher wird dem Lagerpersonal das Laufen weitgehend abgenommen. Das Finden der Lagerregale wird durch die mitfahrende Anzeige erleichtert. Die restlichen Kommissionierarbeiten erfolgen manuell.

Wegen der hohen Anzahl der gelagerten Artikel (97 Prozent) sind Hilfseinrichtungen für Langsam- und Mitteldreher für jeden einzelnen Artikel unrentabel. Maschinen zur automatischen Artikelentnahme müssen deshalb so beschaffen sein, daß sie sich den unterschiedlichen Bedingungen der Lagerorte und Artikel selbst anpassen können. Spezielle Kommissionier-Roboter sind dazu in der Lage. Der Kommissionier-Roboter sollte laut Angaben von Mannesmann Demag Fördertechnik befähigt sein, aus Standardregalen Teile zu entnehmen und zu Aufträgen zusammenzustellen.

Bei der Entnahme muß er die Auftragsdaten von einem kommerziellen Rechner oder einem Lagerrechner übernehmen, zum Lagerort fahren, die Lagerordnung im Regalfach oder in der Kiste erkennen und die Teile gemäß dem Entnahmeauftrag aus dem Fach greifen. Dabei muß er fühlen, wann die Greifermechanik die Teileoberfläche berührt, um eine Beschädigung zu vermeiden. Durch Wiegen der gegriffenen Teile kann der Roboter die Anzahl der gegriffenen Teile feststellen und gegebenenfalls den Fachinhalt überprüfen.

Der Roboter ist achtmal schneller

Zunächst sind die Aufträge dem Roboter zu übergeben. Die kommerziellen Rechner und die Lagerrechner können die Auftragsdaten in unterschiedlicher Art zur Verfügung stellen. Zu Kommunikation dient ein Koordinationsrechner, der mehrere Roboter gleichzeitig mit Daten versorgen kann. Die Stammdaten jedes Artikels wie Teilename, Teilenummer, Lagerort, Lagerortbreite, Teilegewicht und Größe, sollten dabei nur einmal im zentralen Rechner geführt werden.

Neben der Übermittlung von Auftragsdaten und eventuellen Rückmeldungen des Roboters über Kommissionierfehler oder Störungen des Gerätes kann der Koordinationsrechner auch die Lagerbuchführung kleinerer Lager übernehmen. Zum Lagerort fährt der Roboter auf einer unteren Schiene. Er wird durch eine zweite obere Schiene geführt, an der auch die Schleifleitungen für die Stromversorgung und den Datentransfer befestigt sind. Die maximale Geschwindigkeit beträgt über vier Meter pro Sekunde. Die Regallänge ist beliebig, die Höhe beträgt standardmäßig bis zu drei Meter. Größere Höhen sind bei einer Verringerung der normalen Beschleunigung technisch realisierbar, wobei die Kommissionierleistung nicht beeinträchtigt wird.

Auf der Grundlage der genannten Zahlen ist der Roboter etwa achtmal schneller als der Kommissionierer, da außer der Laufzeit das Lagerpersonal auch Zeit für das Finden des Lagerortes benötigt. Ein weiterer Vorteil des Roboters gegenüber der manuellen Arbeit ist die absolute Fehlerfreiheit beim Finden des richtigen Lagerortes.

Zum Erkennen der Teileordnung im Regalfach ist in die Robotergreifhand ein optisches System eingebaut, das die Kanten von Lagerteilen und deren Flächen identifizieren kann. Dabei wird die Reflexion von Infrarotlicht aus verschiedenen Blickwinkeln ausgewertet. Ein Mikrocomputer ermittelt aus den Bildpunkten die Lage der zu greifenden Teile und steuert die Greifhand jeweils in diese Position.

Mit dem Verfahren ist es möglich, einen Greifort zu ermitteln, ohne einen Bildvergleich durchzuführen. Mit dem Greifort ist jedoch die genaue Lage des Teiles nicht identifiziert. Um Fehlgriffe zu vermeiden, ist es erforderlich, die Regalfächer schwarz einzufärben oder schwarze Lagerkästen zu verwenden. Der Greifer besteht aus einer Vielzahl kleiner Saugnäpfe.

Bei kleinen zu greifenden Teilen ist es nicht immer zu vermeiden, daß einzelne Sauger durch die Teileoberfläche nicht bedeckt werden. Um den Unterdruck der anderen Sauger nicht zu beeinträchtigen, wird die Saugleitung der offenen Sauger automatisch geschlossen. Die Greiferhand kann mehrere Teile gleichzeitig greifen.

Das Greifsystem stellt durch Wiegen die Anzahl der gegriffenen Teile fest und steuert durch Öffnung einzelner Sauger den Abwurf der zuviel gegriffenen Teile. Standardmäßig lassen sich Teile bis zu einem Gewicht von zwei Kilogramm aufnehmen. Höhere Teilgewichte sind durch Anpassen des Saugsystems und durch Verstärken des Roboterhandgelenks möglich.

Der gesamte Greifprozeß dauert im Durchschnitt 4,2 Sekunden. In dieser Zeit ist das Einfahren des Greifarmes in das Regalfach, die Bilderkennung, das Greifen, die Gewichtsüberprüfung und das Herausnehmen des Teils enthalten.

Zur Angabe der Leistung des Roboters sind die Zeiten für die Datenübermittlung, das Anfahren der Lagerorte, das Greifen und die Abgabe der Ware in ein weiterführendes Transportsystem zusammenzurechnen. Eine Leistung von 500 Stück in der Stunde ergibt sich beispielsweise bei einer Regallänge von 30 Metern mit Anordnung beidseitig der Schiene. Die Zahl der eingelagerten Artikel beträgt dabei 3000 Stück; bearbeitet werden jeweils acht Aufträge zu je vier Auftragszeilen a 1,3 Stücke.

Die Regale werden automatisch nachgefüllt

Eine Zusatzaufgabe für den Roboter stellt das Nachfüllen der Regale dar. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, daß der Roboter Lagerkästen transportieren und in Regalfächer ein- und auslagern kann. Dazu wird am Lift ein Förderbandtisch mit Kisten-Schieb- und -Ziehvorrichtung angebaut. Auf der einen Seite des Lifts befindet sich der Auslagerungsmechanismus mit Greifern und Einsammelkarussell, auf der anderen Seite der Fördertisch zum Einlagern der vollen Kisten oder zur Entnahme der geleerten Kisten.

Während im Handel die zu kommissionierenden Teile verpackt sind, ist dies in der Produktion meist nicht der Fall. Das Greifen durch Ansaugen ist häufig nicht möglich. Gängige Kommissioniersysteme arbeiten nach dem Prinzip "Ware zum Mann". Hierbei werden Regalbedienfahrzeuge benutzt, die aus Regalzeilen Lagerkästen automatisch entnehmen und zum Kommissionierer transportieren. Dieser entnimmt die erforderliche Teilezahl, der Kasten läuft anschließend ins Lager zurück. Bei anderen Systemen fährt der Kommissionierer auf dem Regalbedienfahrzeug mit und entnimmt vor Ort die auftragsbezogene Anzahl der Teile. Nachteil dieser Verfahren sind hohe Investitionen und eine geringe Kommissionier-Leistung. Eine andere Lösung für derartige Logistik-Aufgaben kann dadurch erzielt werden, daß die Lagerteile in geformten Trays gelagert werden. Diese Trays können eine bestimmte Anzahl gleicher Teile in definierter Lage aufnehmen. Sie dienen somit als Transportmittel von der Herstellung bis zur Lagerung vor Weiterverarbeitung.

Der Kommissionier-Roboter kann volle Trays in Standardregale einlagern und leere Trays auslagern. Eine Identifikation, beispielsweise durch Stückcode an jedem Tray, ist möglich. Zur Kommissionierung, der Auslagerung, ist anstelle des Sauggreifers ein mechanischer Fingergreifer erforderlich. Da die Position der Lagerteile im Tray bekannt ist, können die Angriffspunkte zum Greifen für jedes Lagerteil individuell festgelegt werden. Der Roboter-Koordinationsrechner speichert diese und außerdem die besetzten und freien Positionen in jedem Tray: Die optische Sensorik entfällt zum Teil. Die taktile Sensorik bleibt jedoch erforderlich. Ein automatisches Lager, zum Beispiel für Montageaufgaben, ist somit ebenfalls möglich.