Version 3 soll auch unter AIX und HP-UX laufen

SNI laesst Comet-Anwender zu HP und IBM migrieren

26.03.1993

SNI plant, die neue Comet-Version, die unter anderem eine neue Fertigungs-Komponente enthaelt, zunaechst zeitgleich auf den eigenen Unix-Systemen und der proprietaeren Rechnerlinie Quattro auszuliefern. Fuer Mai 1993 ist die Freigabe einer AIX-Version angekuendigt. Die HP-UX-Variante der inzwischen rund 20 Jahre alten, aber noch immer weit verbreiteten Comet-Software soll laut Anbieter ebenfalls noch in diesem Jahr herauskommen. Gleichzeitig garantiert Siemens-Nixdorf die Weiterentwicklung der in Basic geschriebenen Software bis mindestens 1996 und die Wartung bis in das naechste Jahrtausend hinein.

Fuer die Vermarktung der technisch ueberholten, aber vom Leistungsumfang her noch immer attraktiven Software sollen die Werksvertretungen und der SNI-Direktvertrieb zustaendig sein. Die Partner werden nach Vorstellung der Muenchner bei der Bedienung wechselwilliger Kunden "als reine Softwarehaeuser fungieren". Ein Verkauf ueber OEM-Kanaele ist laut Anbieter nicht geplant. Ob sich diese Marketing-Strategie bewaehren kann und soll, wird in Comet-Kreisen angezweifelt.

Umstritten ist, wie sich die zum Teil schon heute wirtschaftlich angegriffenen Werksvertretungen (siehe auch Thema der Woche, Seite 7) zu Softwarehaeusern fuer Betriebssystem- und Rechnerumgebungen mausern sollen, die sie weder kennen noch vermarkten duerfen.

Immerhin koennten die Muenchner mit dieser Ankuendigung dem Wettbewerber Unibasic Computer Service GmbH in Kreuth-Scharling den Schneid abkaufen. Das Softwarehaus bietet Comet-Kunden schon seit Jahren mit der Portierungssoftware "Surfbasic" ein Verfahren, um ihre Programme von den proprietaeren 8870- beziehungsweise Quattro-Rechnern auf Unix-Systeme verschiedener Hersteller zu uebertragen.

"600er Mercedes mit angezogener Handbremse"

Im Gegenzug hatte SNI eine "Cross-Basic"-Variante entwickelt und damit Moeglichkeiten eroeffnet, mit den Anwendungen innerhalb der SNI-Welt auf Unix-Plattformen zu wechseln. Trotzdem musste das Unternehmen zusehen, wie mit Hilfe des Konkurrenzproduktes mehr als 3000 mittelstaendische Kunden den Hersteller wechselten.

Immer wieder hatte sich Siemens-Nixdorf bemueht, das Risiko einer solchen Migration herauszustreichen und die Kunden unter Hinweis auf die bestehende Rechtsunsicherheit an die eigenen Systemumgebungen zu binden. Die Comet-Software darf naemlich mit Hilfe des Unibasic-Tools laut Gesetz nur eins zu eins in die Unix- Welt der SNI-Wettbewerber uebertragen werden.

Inzwischen nimmt Unibasic-Geschaeftsfuehrer Samir Memar allerdings fuer sich in Anspruch, das Gesetz auf seiner Seite zu haben. Vorgeschriebene Aenderungen - etwa die Angleichung des Mehrwertsteuersatzes - duerfen seinen juristischen Recherchen zufolge auch bei Comet-Anwendern durchgefuehrt werden, die nicht mehr zur SNI-Kundschaft gehoeren.

Von der Portierung der veralteten Comet-Anwendungen machen immer mehr SNI-Kunden Gebrauch. Sie versprechen sich den sukzessiven Umstieg in eine moderne DV-Umgebung, bei dem sie nicht auf ihre vorhandenen Daten- und Programmbestaende verzichten muessen.

Die Anwendungen laufen unter besseren Performance-Bedingungen, und ganz nebenbei arbeiten sich die Anwender in die Unix- und Datenbankwelt ein. Schwierigkeiten, wie sie etwa bei der Migration der Textverarbeitung von Comet-Top 2 oder von zugekauften Branchenpaketen entstehen, nehmen die Kunden in Kauf.

Trotzdem bleibt bei vielen SNI-Anwendern, die diesen Weg zumeist mit tatkraeftiger Unterstuetzung der Werksvertretungen gehen, ein schaler Nachgeschmack zurueck. "Da kauft man sich einen 600er Mercedes und faehrt dann mit angezogener Handbremse durch die Lande", beschreibt ein Benutzer seine Gefuehlslage, wenn er Comet auf der RM 600 laufen laesst.

Merkmale einer modernen Anwendungssoftware wie etwa der Zuschnitt auf ein relationale Datenbanksystem, Grafikunterstuetzung und Vernetzungsmoeglichkeiten gehen der Comet-Software auch unter Unix weitgehend ab. Trotzdem benoetigen die Anwender ihre alten Daten und Programme - und ausserdem fehlt ihnen noch immer eine angemessene Software-Alternative unter Unix.

Kritik an der Fertigungsvariante

SNI bietet heute ueber die Werksvertretungen die mehrfach angekuendigte und wieder verschobene Eigenentwicklung ALX an, die aber ueber die Module Finanzbuchhaltung und Personalwirtschaft kaum hinauskommt. Die Software gibt es als Industrie- oder Grosshandelsloesung. Die Industrievariante heisst "ALX-Triton", weil sie als tragende Komponente die komplette Fertigungssoftware Triton vom hollaendischen Softwarehaus Baan International enthaelt. Als "ALX-Trade" wird dagegen die Grosshandelsversion bezeichnet. Hierfuer will SNI in diesem Jahr Module fuer Vertrieb, Materialwirtschaft, Einkauf, Anlagenbuchhaltung und Kostenrechnung einfuehren.

Insbesondere die Fertigungsvariante stoesst bei mittelstaendischen Anwendern auf Kritik. Eine Vollversion von ALX-Triton kostet bei vier angeschlossenen Arbeitsplaetzen mehr als 100 000 Mark. Wer 64 Arbeitsplaetze anschliessen moechte, muss sogar rund 700 000 Mark hinblaettern. Solche Summen werden von mittelgrossen Anwendern kaum akzeptiert - selbst wenn diese nur eine Teilversion benoetigen, die deutlich preiswerter ist.

Hinzu kommt die Furcht der Anwender vor Loesungen, die wie im Falle ALX und Triton zusammengestoepselt, aber nicht integriert sind. "Das ist wie eine romanische Kirche, an die ich einen Gotik- und einen Renaissanceteil anbaue", moniert ein Kenner der Software. In puncto Integration seien Comet sowie demnaechst auch R/3 von der SAP haushoch ueberlegen - allerdings werde sich der Mittelstand kaum eine R/3-Software leisten.

Dass diese Unix-Loesungen gerade fuer Kleinanwender kaum eine Alternative darstellen, wissen die Werksvertretungen zum Teil sehr genau. So hat sich etwa der Stuttgarter SNI-Partner Raber + Maercker schon vor drei Jahren mit zehn anderen Unternehmen, darunter drei weiteren Werksvertretungen, einer Initiative des Muenchner Softwarehauses Ariadne angeschlossen. Deren Ziel war die Entwicklung einer preiswerten, branchenspezifisch erweiterbaren Standardsoftware unter Unix. Entstanden ist die "Uniline"- Produktlinie, die nach Angaben von Geschaeftsfuehrer Alfred Zimmermann bei Raber + Maercker kuenftig neben ALX im unteren Marktsegment weiter angeboten werden soll.

Auch der ruehrige Unibasic-Geschaeftsfuehrer Samir Memar hat Plaene, den Comet-Anwendern eine Unix-Alternative zu bieten. Sein Unternehmen wird in etwa einem halben Jahr die Software "X-Now" anbieten, hinter der sich Comet in einem voellig neuen modernen Design verbergen soll. Die Nixdorf-Software wurde von spanischen Comet-Spezialisten nach Informix-4GL uebertragen. Derzeit sind die Entwickler bereits damit beschaeftigt, das Produkt den verschiedenen europaeischen Landessprachen und -gesetzen anzupassen.

Da die Software kompatibel zu den bestehenden Comet-Varianten ist und somit die Uebernahme saemtlicher Daten erlaubt, muss Siemens- Nixdorf mit einem weiteren Aderlass rechnen. Allerdings hat Memar im Gegensatz zu SNI natuerlich keine Werksvertretungen zur Verfuegung, die das Produkt supporten.

Der Geschaeftsmann setzt statt dessen auf die noch immer zahlreich vorhandenen Nixdorf-Softwarehaeuser, die von den Werksvertretungen zunehmend an den Rand gedraengt wuerden und daher auf die Erschliessung neuer Maerkte angewiesen seien.