IBM's Bekenntnis zur dezentralen Intelligenz:

"SNA ist mehr als ein Produkt"

23.05.1975

Auf der "Interface '75", der bedeutendsten Tagung für Kommunikations- und Nachrichtentechnologie jenseits des Atlantiks, die Anfang Mai in New Orleans stattfand, erläuterte G. P. Fusco, IBM-Produkt-Manager für Kommunikationssysteme, IBM's neues Datenfernverarbeitungskonzept SNA (System Network Architecture).

Diese Rede kann als eindeutiges Bekenntnis der IBM zur Philosophie der dezentralen Intelligenz gewertet werden, was bei den Konferenzteilnehmern entsprechende Verwunderung auslöste.

NEW ORLEANS/MÜNCHEN - "Nach den Bemühungen, immer größere und zuverlässigere Zentraleinheiten zu bauen, kennzeichnet jetzt die Dezentralisierung der Computerleistung eine neue Phase der Datenverarbeitung. Einzelrechner und intelligente Datenstationen zu Rechnerverbund-Systemen zusammenzuschließen, wird für lange Zeit vorherrschender Trend sein", erklärte Fusco.

Das größte Handicap bei Verbundnetzen sei bisher - wie der Top-IBM-Manager ausführte - die Unverträglichkeit der einzelnen Bausteine: "Die meisten Datenfernverarbeitungs-Produkte - ob Hardware oder Software - sind nicht kompatibel. Anwendungs- und Leitungsprogramme wurden nur genau auf das jeweilige Gerät zugeschnitten."

In seiner Rede vor 1500 Zuhörern bezeichnete Fusco IBM's SNA als Versuch, den Benutzern eine einheitliche Kommunikations- Technologie bereitzustellen. Bisher habe sich noch kein Hersteller an den Entwurf eines solchen "general networking concept" gewagt.

Es sei notwendig, den Problemen der Benutzer durch die Entwicklung eines umfassenden Verbundnetz-Konzeptes entgegenzukommen. Zu einem generellen Konzept gehöre, laut Fusco, daß in einem größeren Informationssystem jedes Terminal für die unterschiedlichsten Anwendungen auf unterschiedlichen Zentraleinheiten eingesetzt werden kann. Es müsse auch das Problem der Datensicherung gelöst sein, ferner sei die Fehlerprüfung besser als in bestehenden Kommunikations-Netzwerken zu behandeln.

Vier Elemente

Fusco beschrieb SNA als ein System mit vier Komponenten, die alle aufeinander abgestimmt sind: Erstens, die einheitliche Zugriffsmethode VTAM (Virtual Teleprocessing Acces Method); zweitens, das einheitliche Netzwerk - Steuerprogramm NCP (Network Control Program); drittens, die Übertragungsprozedur SDLC (Synchronous Data Link Control) und schließlich eine Familie untereinander anschlußverträglicher IBM-Datenstationen.

Die Zugriffsmethode VTAM soll die Programmierung vereinfachen und den Aufwand für die Programmwartung senken. Das Steuerprogramm NPC kann nach Aussage des IBM-Managers in einer Leitungssteuereinheit resident sein und so den zentralen Rechner entlasten und die Datenstationen bei der Fehlerprüfung unterstützen.

Die Leitungsprozedur SDLC definiert das Format von Datenblöcken für die Übertragung zwischen zwei Punkten innerhalb eines Netzwerkes. SDLC erlaubt vollen Duplexbetrieb und ist für alle Netzwerkkonfigurationen geeignet.

Unter SNA werden folgende Geräte und Systeme arbeiten, die untereinander voll kompatibel sind. Die Datenstation 3270, das Kommunikationssystem für Kreditinstitute IBM 3600, das Kommunikationssystem für Waren- und Kaufhäuser 3650, die Datenfernverarbeitungssteuereinheit 3704/5, sowie die neuen funktionsorientierten Kommunikationssysteme 3767, 3770 und 3790. Des weiteren die frei programmierbare Leitzentrale 3791, die Datenstationen 2741, 3793, 3771, 3773, 3774 und 3775 sowie der Bildschirm 3277.

Als Ergebnis dieser Gesamt-System-Architektur werden die DFÜ-Details - die heute bei der Programmierung von Datenfernverarbeitungs-Lösungen immer noch zu viel Manpower kosten - wesentlich weniger abschrecken.

Späte Einsegnung

In hierarchischen Netzen lassen sich nach dem SNA-Konzept diese Steuerungsaufgaben sowohl in Netzknoten als auch in Rechnerzentralen abwickeln, so daß die Systemlast von Zentralcomputern gemindert werden kann, ohne daß eine zentrale Steuerung verloren geht.

Was Fusco nicht erwähnte war, daß IBM lange die "Doktrin der ganz großen Zentralen" propagierte und sich mit dem Konzept "verteilter Intelligenz" nur langsam anfreundete.

Durchaus IBM-like, daß dann aber mit der Neuorientierung die ganze Palette der erforderlichen DFÜ-Hardware und -Software aus der Schublade gezaubert werden konnte.