Streit über Ablösezahlung für Siemens und SAP

Skandal um Online-Prestigeprojekt

30.04.2004
MÜNCHEN (pg) - Das Scheitern des Virtuellen Marktplatzes Bayern - einst das Online-Vorzeigeprojekt von Ministerpräsident Edmund Stoiber - könnte ein gerichtliches Nachspiel haben. Entgegen den vertraglichen Vereinbarungen sollen nun doch Steuergelder als Ablöse an die Betreibergesellschaft VMB GmbH geflossen sein.

Das unrühmliche Ende des Virtuellen Marktplatzes Bayern Anfang des Jahres beschäftigt den Bayerischen Landtag. Nachdem die Mütter der Betreibergesellschaft VMB GmbH, SAP und Siemens Business Services, am 23. Dezember 2003 mangels Erfolgs kurzerhand das Abschalten der nach Regionen gegliederten B-to-B-Handelszone für in Bayern ansässige Betriebe beschlossen, ist von der Domain baynet.de nur noch das E-Government-Tool "Behördenwegweiser" als wesentliches Element übrig geblieben. Für dessen Betrieb zeichnet nun statt der VMB GmbH das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung verantwortlich.

Die Übernahme der Behördenplattform sorgt nun für weiteren Zündstoff. Die Staatsregierung verweigert bisher die Antwort auf die Anfrage des wirtschaftspolitischen Sprechers der Grünen, Martin Runge, ob und wie viel Geld das Land Bayern für den Behördenwegweiser an die VMB GmbH bezahlt hat, mit dem lapidaren Hinweis auf "vereinbartes Stillschweigen". Runge will sich damit nicht abspeisen lassen und hat eine zweite Anfrage gestartet. Sollte sie nicht umfassend beantwortet werden, wird die Grünen-Fraktion den Ältestenrat anrufen und notfalls auch vor Gericht ziehen.

Runge insistiert in diesem Fall so hartnäckig, weil die Regierung Stoiber bisher immer betont hatte, es würden keine staatlichen Gelder in die Entwicklung des Behördenwegweisers fließen. Der Grund: Die Betreibergesellschaft hatte sich laut Ausschreibung im Jahr 2000 verpflichtet, den Virtuellen Marktplatz Bayern auf eigenes Risiko und eigene Kosten zu entwickeln. Daran hielt sich die VMB GmbH. Der Gesellschafter SBS übernahm das Hosting der Plattform, SAP brachte die Module "Marketplace" und "B-to-B" ein. Außerdem nahm das Joint Venture das Content-Management-System "Vignette" in Lizenz.

"Man kann nicht jahrelang damit hausieren gehen, dass der Virtuelle Marktplatz Bayern den Steuerzahler nichts kostet, und dann fließt plötzlich doch Geld", kritisiert Runge. Er könne zwar verstehen, dass die VMB GmbH ihren Aufwand entlohnt haben wolle, wittert aber in einer Ablöse einen möglichen Verstoß der Regierung gegen die Ausschreibungsverpflichtung.

Dass der Freistaat Bayern Geld an die VMB GmbH überwiesen hat, ist unterdessen kein Geheimnis mehr, wohl aber die Höhe, die, so Runge, mindestens im zweistelligen Millionenbereich liegt. Jens Plotzki, Geschäftsführer der VMB GmbH, bestätigte gegenüber der CW die Existenz eines Übertragungsvertrags, nannte aber keine Summe. Seiner Ansicht nach entbehre der Vorwurf Runges jeder Grundlage. "In der VMB GmbH steckt kein einziger Steuercent", betont Plotzki und sieht in dem Übertragungsabkommen keinen Verstoß gegen den ursprünglichen Betreibervertrag.

Eine Ablöse hält auch Walter Ganßer, für den Behördenwegweiser zuständiger Ministerialrat im Bayerischen Innenministerium, für angemessen. "Für Updates müssen gewisse Investitionen getätigt werden", erklärt er und dürfte damit auf die Lizenzgebühren für das Content-System Vignette sowie die von der VMB GmbH speziell dafür entwickelten Module "Behördenwegweiser" und "Lebenslagen" anspielen. Seitens der SAP hieß es lediglich, der Freistaat Bayern werde von dem Betrag sicher nicht arm.

Nach Meinung des leitenden Ministerialrats Ludwig Späth im Bayerischen Obersten Rechnungshof ist eine Zahlung an die VMB GmbH legitim. Fraglich sei jedoch, ob man das Verfahren nicht hätte neu ausschreiben müssen. Derzeit, so Späth, laufe keine Prüfung in seiner Behörde, weil das Projekt eigentlich als abgeschlossen galt.