Grafiksubsystem für Simulationen

Silicon Graphics läßt mit der R4000-CPU die Polygone tanzen

24.07.1992

MÜNCHEN(jm) - Nach der erfolgreichen Einverleibung der Mips Computer Inc. macht die Silicon Graphics Inc. (SGI) nun mit dem leistungsfähigen Grafiksubsystem "Reality Engine" sowie "Indigo"-Workstations von sich reden, die mit dem aktuellsten Mips-Prozessor R4000 rechnen.

Die R4000-CPU kommt bislang schon in der "Crimson" Rechnerlinie von SGI zum Einsatz. SGI-Offizielle gaben an, daß der Prozessorwechsel vom R3000A auf den neuen Mips-Chip sich in einer Verdoppelung der bisherigen Rechenleistung niederschlage. Zu bemerken gilt ferner, daß es sich bei dem Vorgängerprozessor um eine 32-Bit-Architektur handelt während im R4000 eine 64-Bit-Struktur verwirklicht ist.

Interessant für Anwender dürfte vor allem sein, daß der Mips-Baustein ein ausgesprochen ausgewogenes Leistungsverhältnis zwischen Integer- und Floating-Point-Rechenvermögen aufweist: Die diesbezüglichen Benchmark-Ergebnisse aufgrund der seit einigen Monaten gültigen neuen Spec-Referenztestverfahren (Spec = Standard Performance Evaluation Corp.) weisen für eine Indigo-Maschine nach Angaben von SGI für den Mips-R4000-Prozessor 61 "Specfp92" (Floating-Point-Benchmark) und 57 "Specint92" (Integer-Testlauf) aus.

Hier zeigen sich bei Konkurrenzprodukten (siehe Tabelle) teilweise erhebliche Differenzen. Besonders die RISC-Workstations von HP und der IBM scheinen aufgrund ihrer sehr hohen Floating-Point-Rechenleistung eher prädestiniert für technisch-wissenschaftliche Anwendungen aus den Bereichen Chemie, Astrophysik, Wettervorhersage, Monte-Carlo-Simulationen und für andere ingenieurwissenschaftliche Probleme.

Tests spiegeln Alltagsproblematiken wider

Die FP-Benchmark-Suite "Cfp92" der Spec-Kooperation besteht aus 14 Applikations-Benchmarks, die Alltagsproblematiken widerspiegeln. Das Integer-Testverfahren "Cint92" setzt sich zusammen aus sechs Testanwendungen, die unter anderem LISP-Interpreter-, Tabellenkalkulations- und Software-Entwicklungs-Aufgaben nachstellen. Der Spec-Kooperation sind alle wichtigen Workstation-Hersteller angeschlossen, die sich verpflichtet haben, bei der Veröffentlichung von Rechnerleistung auf die normierten Spec- Testläufe zu rekurrieren.

Die neuen Modelle sind in Stückzahlen nach SGI-Angaben ab September 1992 verfügbar. Das Preisspektrum der fünf vorgestellten Systeme bewegt sich zwischen 28 600 Mark für eine "Iris Indigo Server", über ein "Indigo-Entry"-Modell für 31 400 Mark bis zum Top-Rechner "Indigo Elan" für etwas mehr als 80 000 Mark. Bei allen Konfigurationen gehören 16 MB Arbeitsspeicher, ein Trinitron-Farbmonitor (Sony), 16-Bit-Audio-Subsystem sowie Maus und Tastatur zum Lieferumfang.

An Software gehört zur Grundausstattung unter anderem das auf System V.4 basierende Irix-Unix-Derivat sowie Software-Werkzeuge für Multimedia-Präsentationen und die Auswertung von Daten.

Upgrades vom R3000A- zum R4000-System gibt es ebenfalls zum Preis von 22 500 Mark. Die eingeführten R3000A-Modelle Entry und XS hat SGI gleichzeitig im Preis auf 19 900 (Entry) und 28 700 (XS) Mark gesenkt.

Auch die Preise für Arbeitsspeicher fielen um 36 Prozent. Zudem offerieren die Kalifornier ein 1-GB-Festplattenlaufwerk mit SCSI-II-Kontroller für rund 10 000 Mark.

Mit den ausgesprochen ästhetischen und leistungsfähigen Rechnern konnte Silicon Graphics im vergangenen Jahr nach den Untersuchungen des Marktanalysten Tom Greaves, Vice-President des Marktforschungsunternehmens Daratech Inc. aus Cambridge, Massachusetts, einen recht starken Einfluß besonders in den Marktsegmenten CAD und Produktion gewinnen.

Dem von SGI-Leuten gern verbreiteten Eindruck, bei den Indigo-Rechnern handele es sich wegen ihrer günstigen Preis-Leistungs-Relation quasi um Volks-Workstations, die glaubhaft potente PC-Systeme vom Markt drängen könnten, widersprechen hingegen Marktbeobachter.

Ihre Argumentation geht dahin, daß wohl niemand sich einen Indigo-Rechner zulegen werde, es sei denn, er beschäftige sich intensiv mit 3D-Simulationen. Dann aber reiche eine in der Tat recht preisgünstige Basiskonfiguration bei weitem nicht mehr aus.

Obwohl ferner die Anzahl der Bibliotheken für Unix-Applikationen - besonders für CAD- und andere Grafikanwendungen - schnell wachsen würden, sähe es bei der Verfügbarkeit von Allerwelts-Anwendungen wie etwa Textverarbeitung oder Tabellenkalkulationen für SGI-Rechner recht mager aus.

An dieser Situation könnte sich etwas ändern, wenn SGI den in Arbeit befindlichen DOS-Emulator für High-end-Maschinen (386/ 486) und hierfür geschriebene Anwendungen fertigstellt.

Der bislang verfügbare Emulator "Soft PC" zumindest heimst wegen seiner geringen Leistungsfähigkeit nicht einmal bei SGI selbst größere Lorbeeren ein.

Neben den fünf neuen Indigo-Workstations präsentierte SGI das Grafik-Subsystem "Reality Engine". Mit ihm kann der Anwender nach Herstellerangaben mehr als 550 000 texturierte, anti-aliasierte Dreiecke und mehr als 320 Millionen Pixel verarbeiten.

Mit ersterem lassen sich 3D-Objekte durch 2D-Texturen überziehen und realitätsnaher gestalten. Mit der Anti-Aliasing-Funktion bügelt der Anwender die bei der Pixel-Rasterung auftretende Treppchenbildung mehr oder weniger aus.

Die Reality Engine vermag bis zu 64 Milliarden Farben darzustellen und unterstützt eine Auflösung von bis zu 1600 x 1200 Pixeln auf einem 21-Zoll-Monitor und 12-Bit-Genauigkeit pro Pixel-Komponente.

Schatten-Bildung, projizierte Texturen, Verwischung bewegter Objekte und verworfene Oberflächen (sog. Warping) gehören ebenso in die Trickkiste der Reality Engine.