Die Zweifel am Erfolg von OSF1 wollen nicht verstummen

Siemens und Hitachi angeblich auch heimliche UI-Mitglieder

03.08.1990

MÜNCHEN (gfh) - Die Glaubwürdigkeit der Bekenntnisse zur Open Software Foundation (OSF) bleibt nach wie vor umstritten. Sprecher von Hewlett-Packard haben gegenüber dem britischen Branchendienst "Computergram" Zweifel am Erfolg des OSF/1-Betriebssystems geäußert, und die Siemens AG, heißt es gar, sei heimlich Mitglied der konkurrierenden Unix International Inc. (UI) geworden.

Zwar sind solche Doppelmitgliedschaften - 16 waren es bereits im März vergangenen Jahres - durchaus nicht selten; als OSF-Mitbegründer streitet Siemens seinen Ul-Beitritt allerdings vehement ab. Von der Hitachi Corp., die mit demselben Vorwurf konfrontiert wird, war bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme zu erhalten.

Kein Dementi von Unix-International

Im Falle Siemens gab das Unternehmen allerdings selbst Anlaß für derartige Gerüchte. So haben die Münchner angekündigt, daß sie ab Ende des Jahres ihre neuerdings auf 486er Intel-Prozessoren basierenden MX-Rechner mit dem von Unix International empfohlenen AT&T-Betriebssystem Unix V.4 ausliefern werden (siehe auch CW Nr. 26 vom 29. Juni 1990, Seite 2: "Siemens läßt Nixdorfs Targon-Reihe nicht sterben").

Hinzu kommt, daß Patricia Arundel, Director Marketing Europe von Unix International, die Mitgliedschaft von Siemens und Hitachi nicht dementieren wollte. Arundel vieldeutig: "Zu diesem Zeitpunkt können wir diesen Sachverhalt noch nicht kommentieren."

Anders als Siemens ist die englische Hewlett-Packard-Niederlassung mit einem Zeitplan für die Einführung von OSF/1 ins Gerede gekommen. Darin heißt es, daß das Unix-Betriebssystem zwar im kommenden Jahr erhältlich sein werde, eine größere Verbreitung auf HP-Rechnern aber frühestens ab 1994 oder 1995 zu erwarten sei. Diesen Prognosen wollten sich die deutschen Kollegen allerdings nicht anschließen. HP-Geschäftsführer Wolfgang Rucker zu der Vermutung, sein Unternehmen favorisiere das hauseigene Unix-Derivat HP/UX gegenüber OSF/1: "Wir stehen nach wie vor zur OSF. Beide Betriebssysteme sollen langfristig zusammengeführt werden. Unser HP/UX werden wir allerdings auch nach 1992 nicht aufgeben."

Paul Wahl, Europa-Chef der OSF, glaubt nicht, daß Siemens und HP abtrünnig geworden sind. Seinen Aussagen zufolge gehören diese beiden Firmen nach wie vor zu den aktivsten Stützen seiner Organisation. Die Entscheidung der Münchner für das Betriebssystem Unix V.4 erklärt er damit, daß OSF/1 derzeit noch nicht verfügbar sei und Siemens mit der Ankündigung seiner neuen Unix-Rechner vom Typ MX 300 nicht mehr länger warten wollte.