Vorstandschef von Pierer erwartet schwieriges Jahr

Siemens ICN belastet die Konzernbilanz

22.11.2002
MÜNCHEN (CW) - Die kriselnde Netzwerksparte der Siemens AG hat die Quartals- und Jahresbilanz erneut belastet. Vorstandschef Heinrich von Pierer erwartet für ICN zwar das Erreichen der Gewinnschwelle im nächsten Jahr, rechnet aber konzernweit mit weiteren Umsatzrückgängen.

Im vierten Quartal schrieb Siemens Information and Communication Networks (ICN) einen Verlust von 325 Millionen Euro. Für das gesamte Geschäftsjahr 2001/02 (Stichtag 30. September) beläuft sich der Fehlbetrag auf 691 Millionen Euro nach 861 Millionen Euro im Vorjahr. Dass der von Thomas Ganswindt geleitete Netzwerkbereich im letzten Quartal besonders schlecht abschnitt, liegt vor allem an den hohen Restrukturierungsaufwendungen, sprich Kosten aus dem Stellenabbau, in diesem Zeitraum. Der Siemens-Konzern gründet dazu unter anderem eine neue Serviceeinheit, in die rund 6500 Mitarbeiter aus der Netzwerk- und der Sparte Industrielösungen (I&S) wechseln sollen (siehe Kasten "Siemens baut um").

ICN sei vom schwierigen Umfeld in der Telekommunikationsindustrie besonders betroffen, erklärte von Pierer. Er erwarte jedoch eine Rückkehr in die Gewinnzone bis zum vierten Quartal des neuen Geschäftsjahres. Weniger Kopfzerbrechen bereitet dem Konzernchef die Mobilfunksparte Information and Communication Mobile (ICM), die einen Jahresgewinn von 96 Millionen Euro schaffte, nachdem im Vorjahr noch ein Verlust von 307 Millionen Euro ausgewiesen wurde. Im letzten Quartal habe Siemens 900000 Handys mehr als noch vor zwölf Monaten verkauft, so die Angaben. Im Geschäftsjahr konnten die Münchner den Absatz von Mobiltelefonen von 28,7 Millionen auf 33,3 Millionen Stück steigern.

Restrukturierungsmaßnahmen verfolgte auch der IT-Dienstleistungsarm Siemens Business Services (SBS), der mit einem Ebit-Gewinn von 101 Millionen Euro ebenfalls wieder schwarze Zahlen schreibt. Mögliche Risiken aus langfristigen Business-Process-Outsourcing-Verträgen blieben aber weiterhin ein wichtiges Thema für das SBS-Management, betonte von Pierer. Der Jahresumsatz des Serviceanbieters ging um vier Prozent auf 5,77 Milliarden Euro zurück.

Dass die Siemens AG insgesamt noch einen um 24 Prozent gestiegenen Konzerngewinn von 2,6 Milliarden Euro erwirtschaftete, ist vor allem auf das Kraftwerksgeschäft und die Medizintechnik zurückzuführen. Den weiterhin schwachen Sparten I&S (Industrielösungen) und Siemens Dematik verlängerte der Vorstand die Frist für das Erreichen der vorgegebenen Renditeziele um ein Jahr auf 2004. Dies war zuvor schon den I&C-Organisationen ICN, ICM und SBS zugestanden worden.

Der Jahresumsatz der Siemens AG sank von 87 auf 84 Milliarden Euro nur leicht. Von Pierer gab sich für die Zukunft allerdings wenig optimistisch. 2003 werde "ein Jahr der Herausforderungen". (wh)

Siemens baut um

Rund 2400 ICN-Mitarbeiter und 4100 Kollegen aus der Sparte Industrial Services und Solutions (I&S) will der Siemens-Konzern in eine neue Service- und Montagegesellschaft einbringen. Darauf einigte sich das Management mit dem Gesamtbetriebsrat nach mehrmonatigen Verhandlungen. Eigentlich wollte Siemens die Stellen streichen. Personalvorstand Peter Pribilla bezeichnete die Maßnahme als "wichtigen Beitrag zur Restrukturierung der Bereiche ICN und I&S". Die betroffenen Organisationen seien nach Unternehmensangaben in ihrer bestehenden Form nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen.

Auch Arbeitnehmervertreter werteten die zunächst für vier Jahre gültige Einigung als Erfolg. Für die Mitarbeiter bringt die Serviceeinheit allerdings auch Nachteile mit sich. So werden sie nicht mehr nach dem Metalltarifvertrag entlohnt; Siemens besteht stattdessen auf einem Servicetarifvertrag, der unter anderem "flexible Arbeitszeitregelungen und erfolgsabhängige Einkommensbestandteile" enthalte. Die neue Gesellschaft soll im Januar 2003 an den Start gehen.