Tiefer Sinneswandel bei CRM-Marktführer

Siebel macht Integration zur Chefsache

19.04.2002
BARCELONA (as) - Siebel Systems will seinen Alleingang bei der Integration seiner CRM-Software aufgeben. Stattdessen kündigte der Hersteller mit "Siebel Universal Application Network" eine Strategie an, in der Produkte für Enterprise Application Integration (EAI) mit XML-Standards und Web-Services-basierenden Prozessmodellen kombiniert werden sollen.

Die komplexe Anbindung von Siebel-Produkten in die bestehende IT-Landschaft erfolgte bisher über die vom Hersteller bevorzugten eigenen Connectoren und mit Hilfe von Systemintegratoren wie IBM Global Services oder Accenture. Parallel dazu bieten Hersteller von EAI-Software, auch Integration Server genannt, eigene Siebel-Connectoren an, wurden aber vom CRM-Riesen offiziell wenig beachtet. In der Praxis entstanden so oft Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu Siebel, aber keine umfassenden Integrationsszenarien.

Auf seiner europäischen Kundenveranstaltung in Barcelona stellte Siebel nun das Universal Application Network vor, mit dessen Hilfe sich die geschilderte Situation bessern soll und laut Experten den Alleingang des Herstellers bei der Anwendungsintegration beendet. Statt der Siebel-Software sollen künftig externe Integration Server die bevorzugten EAI-Plattform für CRM stellen. Zudem werde es zusammen mit den Angeboten künftig nicht mehr nur Standard-Connectoren geben, sondern auch industriespezifische und horizontale Standardgeschäftsprozesse für CRM. Rund 200 von diesen hat Siebel nach eigenen Angaben im Projektgeschäft identifiziert.

Das Universal Application Network soll zur zweiten Jahreshälfte zusammen mit "Siebel 7.5" erhältlich sein, wobei das genaue Vertriebsmodell nicht näher erläutert wurde. Seine technischen Bestandteile sind hingegen bekannt. So werden die CRM-Prozesse mit Hilfe der produktneutralen Web Services Flow Language (WSFL) erstellt und vermutlich in industriespezifischen Bibliotheken zusammengebracht. WSFL ist ein noch nicht standardisiertes, aber voraussichtlich herstellerneutrales XML-Format und dient zur Beschreibung von zusammengesetzen (orchestrierten) Web-Services und der damit abgebildeten Abfolge (Flow) von Geschäftsprozessen.

Weiter bietet Siebel mit dem Common Object Model eine abstrakte Zwischenschicht zwischen dem Anwendungsmodell und den Objekten von Siebel sowie denen anderer Standardsoftware. Die Spezifikation erfolgt hierbei per XML oder XML-Schema (XSD), und es lassen sich Industriespezifikationen wie Rosettanet und OAG berücksichtigen. Für die Umsetzung zwischen den systemspezifischen Formaten der angebundenen Applikationen und dem "Meta-Objektmodell" wartet der Hersteller zudem mit Mapping-Regeln auf (Transformation maps), die auf der Basis der Transformationssprache XSLT (Extensible Stylesheet Language Transformation) definiert sind. Siebel nannte hierzu vordefinierte Mappings zu Standardsoftware von SAP, Oracle, Peoplesoft, Amdocs, Kenan und Portal.

Für die Abbildung der Geschäftsprozesse als UML-Modelle (UML= Unified Modeling Language), ihre Bearbeitung sowie zur Definition von Transformationsregeln will Siebel mit dem "Business Process Designer" ein Modellierungswerkzeug mitliefern. Beide Bestandteile zusammen sollen als Zusatz für die Integration-Server von Tibco, Vitria, IBM/Crossworld, Seebeyond sowie Webmethods erhältlich sein, mit denen Siebel jetzt zusammenarbeitet. Laut Bhartak Kadaba, Vice President Application Network, bringt Siebel-Kunden das neue EAI-Angebot den Vorteil, dass sich nicht mehr alle Standardprozesse durch System-Integratoren wie IBM Global Services oder Accenture implementieren lassen müssen und Projekte so schneller vorankommen. Die Prozesse sollen von der Synchronisation von Kundendaten zwischen Siebel und Backoffice-Anwendungen bis hin zu komplexeren Abläufen reichen und auch branchenspezifische Abläufe darstellen, wie sie etwa in der TK-Industrie üblich sind.

Siebel gibt Monopol aufMit dem Schritt macht der Marktführer, anders als SAP oder Oracle, erstmals von seinem Monopolanspruch bezüglich der Prozesse und des Datenmodells Abstriche. Der Lösungsansatz verspricht mehr Flexbilität für Änderungen in der Business- oder Applikations-Infrastruktur durch die Entkoppelung und abstrakte Schichten sowie eine transparentere und prozessoriente Denkweise bei der CRM-Integration, statt wie bisher in funktionalen Produktsilos zu arbeiten. Eine Überschneidung zu vertikalen EAI-Lösungen, wie sie Vitria oder Tibco bieten, sieht Kabada nicht. Allerdings sagten EAI-Vertreter gegenüber der COMPUTERWOCHE, dass Siebel für sein Konzept kräftige technische und konzeptionelle Anleihen bei ihnen gemacht habe. So sei das Common Object Model praktisch identisch mit dem "Collaborative Information Model" von Vitria, während IBM/Crossworlds die Produktarchitektur für sich reklamiert. Die Auswahl der fünf genannten EAI-Hersteller erklärt sich laut Kemal Köksal, Director European Product Marketing bei Siebel, vor allem aus ihrer Marktbedeutung. Das Abkommen stehe aber anderen Anbietern offen.

Abb: Durchgängige Prozesse

Mit dem Universal Application Network vereint Siebel XML-Standards und EAI-Produkte zu einer Integrationsplattform. Quelle: Siebel