Management-Report/ Unternehmens-DV braucht ein ganzheitliches Konzept

Servicezentrum muss Fixierung auf technische Fragen ablegen

12.02.1993

Fast jedes Unternehmen hat heute einen Benutzerservice, der sich um die individuelle Datenverarbeitung kuemmert. Mittlerweile gibt es etliche BSZ-Modelle, die sich durch unterschiedliche Ansaetze hinsichtlich Taetigkeitsschwerpunkt, personeller Ausstattung und nicht zuletzt organisatorischer Einbindung unterscheiden. Dennoch haben diese Modelle eine Gemeinsamkeit: Ihr Taetigkeitsspektrum ist sehr technikorientiert.

Vielfach aus der Notwendigkeit entstanden, die existierenden Systeme am Laufen zu halten und den Anwender von technischen Problemen zu entlasten, ist der Benutzerservice meistens noch mit DV-Spezialisten besetzt, deren erstes Hobby die Technik ist. Fasziniert von immer wieder modifizierten Produkten und staendig auf der Suche nach neuen Herausforderungen, sind diese Technik- Freaks haeufig im wesentlichen mit Tuefteln und Testen beschaeftigt. So hat die IDV im Sog der Technik eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Ihre technischen Aspekte werden von den Verantwortlichen als Faszination erlebt und detailliertes technisches Know-how als hinreichende Kompetenz bewertet.

Freaks sind mit Tuefteln und Testen beschaeftigt

Diese einseitige Fixierung bringt Probleme mit sich, die im Tagesgeschaeft leider nicht als solche erkannt und deswegen auch nicht mit dem notwendigen Nachdruck bearbeitet werden.

IDV und damit auch das Hard- und Software-Know-how ist schon lange kein Privileg des Benutzerservice mehr - im Gegenteil: Die Endanwender sind mittlerweile so muendig - was vom BSZ sehr ungern gesehen wird -, dass sie teilweise ueber vergleichbares Wissen und Koennen verfuegen wie die BSZ-Spezialisten. Folge: Deren Vorgehensweisen und Entscheidungen werden - vielfach sogar zu Recht - anwenderseitig angezweifelt.

Trotz dieses Drucks von der Basis geben die BSZ-Spezialisten Kompetenzen nur widerwillig an die Endanwender ab; sie werden eben mehr als Gegenspieler und weniger als Partner gesehen.

Es ist deshalb kaum verwunderlich, wenn sich ganze Fachabteilungen mit Zustimmung und Billigung des zustaendigen Managements vom BSZ unanhaengig machen.

Die Anwender unterstellen den Benutzerservice-Zentren mangelnde Flexibilitaet und zu lange Wartezeiten. Die BSZ-Beschaeftigten zweifeln zu oft die Machbarkeit anwenderseitiger Vorschlaege an, indem sie undurchsichtige Argumente vorschieben, ohne organisatorische Loesungsmodelle mit in Betracht gezogen zu haben.

Nicht zuletzt mangelndes fachbereichsspezifisches Know-how beim BSZ-Personal lenkt Diskussionen mit Fachabteilungen sehr schnell auf eine technische Ebene. Das vielfach fehlende Bewusstsein, dass Technik immer erst der zweite Schritt zur Problemloesung sein kann, erschwert die Zusammenarbeit. Verkannt wird die Tatsache, dass Technik lediglich Werkzeugcharakter hat, mit deren Einsatz das Ziel verfolgt wird, organisatorische Prozesse durch unterstuetzende Massnahmen zu verbessern.

Technik wird zum Selbstzweck

Die Verantwortlichen schaffen Technik haeufig um der Technik willen an, geleitet von der truegerischen Hoffnung, dass damit im Unternehmen alles besser laufen wuerde. Diese Auffassung wird haeufig vom Management mitgetragen. Es betrachtet naemlich den Grad der technischen Durchdringung eines Unternehmens und die First- Class-Ausstattung der Arbeitsplaetze mit neuester Technologie immer noch gerne als motivierendes Macht- und Statussymbol.

Die Erfahrung zeigt, dass ein ganz anderer wichtiger Gesichtspunkt zu wenig beachtet wird, naemlich die durch Technik verursachten organisatorischen und menschlichen Veraenderungen und ihre Tragweite fuer das Unternehmen. Gemeint sind zum einen Folgekosten fuer die unternehmens-, abteilungs- und anwenderspezifische Adaption der Werkzeuge und deren organisatorische Einbindung in die betriebliche Gesamtorganisation, zum anderen, Prioritaet bedeutend hoeher einzuschaetzen, der Mensch. Die mehr oder weniger erfreulichen Veraenderungen an seinem Arbeitsplatz entscheiden ueber die Motivation, den Technikeinsatz zu akzeptieren und effektiv zu nutzen.

Die dargestellte Situation schafft Handlungsbedarf, denn der Sinn der IDV kann, ueberspitzt ausgedrueckt, nicht darin liegen, fuer die einen als Prestigeobjekt und fuer die anderen als technologische Test- und Spielwiese zu fungieren.

Die Sinnfrage zu stellen, erscheint vor dem Hintergrund mangelnder Zielausrichtung der IDV erforderlich, um eine Orientierungsbasis fuer die Taetigkeit im BSZ zu schaffen.

Das Problem laesst sich relativ einfach auf den Punkt bringen. Datenverarbeitung soll eingesetzt werden, um den Informationsbedarf des Unternehmens zu decken, und zwar ueber alle Hierarchie-Ebenen und raeumliche Grenzen hinweg. Ziel ist, die richtigen Informationen in der richtigen Form zur richtigen Zeit und am richtigen Ort verfuegbar zu machen. Das Ganze muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass der wachsende Wettbewerbsdruck, die Internationalisierung der Taetigkeit der Unternehmen und die Notwendigkeit, die Entscheidungswege so kurz und flexibel wie moeglich zu gestalten, die Information zum vierten Produktionsfaktor neben Boden, Arbeit und Kapital gemacht haben.

Damit haben sich die Anforderungen an die Datenverarbeitung und mit ihr an die Gestaltung von Informations- und Kommunikationswege veraendert. Das unternehmerische Handeln wird gepraegt durch die Erfordernis, Arbeitsprozesse produktiver und kostenguenstiger zu gestalten, um damit Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Kombination von Technik und Betriebswirtschaft

Die Technik zu beherrschen ist eine Sache, sie im Sinne des Unternehmens gemaess der Geschaeftsstrategie als Werkzeug einzusetzen und wirtschaftlich zu optimieren ist eine andere.

Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass in der sinnvollen Kombination der beiden Elemente Technik und Betriebswirtschaft das Erfolgspotential der Zukunft liegt.

Dies stellt gleichermassen eine Herausforderung fuer die Geschaeftsfuehrung und die Mitarbeiter des Benutzerservice dar, die sich gemeinschaftlich und darueber hinaus zusammen mit Endanwendern und Fachabteilungsleitungen dieser Aufgabe stellen muessen.

Ziel dieser komplexen Kooperation muss sein, das Unternehmen als Ganzes zu betrachten und ganzheitliche DV-Loesungen aufzubauen.

An den gesteckten Unternehmenszielen orientiert, quasi als Leitlinie, soll ein funktionierendes, den Mensch, die Organisation und die Technik beruecksichtigendes Gesamtsystem geschaffen werden und dies abweichend von den bisherigen, rein technikorientierten Teilloesungen.

Der Eigendynamik der IDV Einhalt gebieten

Hinsichtlich IDV, ihrem Einsatz und ihrer Nutzung muss ein neues Rollenverstaendnis gepraegt und Verantwortungsbewusstsein geschaffen werden. Dieser anstehende Wandlungsprozess muss, verbunden mit einer Reihe organisatorischer Gestaltungselemente zur unternehmensweiten Durchsetzung, in den Koepfen der mit der IDV betrauten Mitarbeiter einschliesslich der Geschaeftsfuehrung vollzogen werden. Daraus ergeben sich Konsequenzen, die im folgenden kurz skizziert werden sollen.

Um ihre Eigendynamik zu steuern, muss die IDV zur Chefsache erklaert werden. Damit ist die Geschaeftsfuehrung aufgefordert, ueber die Ausformulierung einer IV-Strategie lenkend auf die technische Entwicklung des Unternehmens einzuwirken. Dabei sollte die heute vielfach verbreitete, sehr abstrakte Zieldarstellungsform verlassen werden, um die Transparenz der Strategie im Unternehmen sicherzustellen und konkrete Ansaetze und Richtlinien fuer die Umsetzung im Tagesgeschaeft zu liefern.

Die IV-Strategie darf nicht dahingehend missverstanden werden, Regeln zu definieren, welche Hard- und Software kuenftig zum Einsatz kommt. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, abgestimmt auf die unternehmensspezifischen Geschaeftsfelder, den Informationsbedarf zu planen und zu optimieren.

Die IDV hat schon laengst einen hoeheren Stellenwert, als zuweilen vom Management und den DV-Verantwortlichen wahrgenommen wird. Immer noch wird ueber theoretische Konstrukte diskutiert, ohne den Schritt zur praktischen Umsetzung zu wagen.

In Anlehnung an das neue Rollenverstaendnis handelt das BSZ im Auftrag der Geschaeftsfuehrung und ist gefordert, den IDV-Einsatz mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen.

In diesem Zusammenhang kommt dem BSZ eine steuernde und koordinierende Funktion zu, so dass es seine bisher eher reagierende und technikorientierte Rolle durch eine agierende, an oekonomischen Gesichtspunkten orientierte Haltung zu ersetzen.

Konsequenterweise hat dies eine Umstrukturierung des BSZ zur Folge, und zwar derart, dass eine Entlastung von bestimmten Aufgaben stattfindet.

Dies geschieht durch gezielte Auslagerung von Taetigkeiten an interne Fachabteilungen oder an externe Dienstleister. Das kann zum Beispiel Installation von Geraeten, Auslieferung, Wartung und Reparatur betreffen.

Wer sich mit diesem Trend zum Outsourcing noch nicht anfreunden kann, hat die Moeglichkeit, firmenintern in mehreren Schritten dezentrale Koordinatoren in den Fachabteilungen einzusetzen.

Das zentrale BSZ kann sich folglich das in den Fachabteilungen vorhandene, die IDV betreffende Know-how zunutze machen und diese Mitarbeiter als wertvolle Mitstreiter fuer ein gesteuertes Wachstum der IDV gewinnen.

Mit der Konzentration des BSZ auf agierende Elemente, ist der BSZ-Mitarbeiter aufgerufen, sich mit dem Endanwender und seiner Fachaufgabe auseinanderzusetzen, und zwar primaer unter Beruecksichtigung organisatorischer Gesichtspunkte. Es gilt Arbeitsprozesse zu erfassen, zu analysieren und den tatsaechlichen Unterstuetzungsbedarf der Anwender in Erfahrung zu bringen. Darauf aufbauend, gilt es in einem zweiten Schritt, den Technikeinsatz unter Einbezug existierender Systeme und der unternehmerischen Ziel zu planen.

Die verstaerkte Auseinandersetzung des BSZ mit Arbeitsprozessen und fachspezifischen Aufgabenstellungen bedingt die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit von BSZ und klassischer Betriebs- und Bueroorganisation. Mit Ruecksicht darauf, dass generell jeder Technologieeinfuehrung organisatorische Grundueberlegungen vorangestellt sind, koennen ueber eine abteilungsuebergreifende Kooperation Synergieeffekte genutzt werden.

Eine gezielte Unterstuetzung fuer das BSZ bietet die Organisationsabteilung zum einen bei der Ausarbeitung von Konzeptionen und zum anderen bei der Einbindung der Loesung in den unternehmensspezifischen, organisatorischen Kontext.

Sowohl die Fachaufgaben von Abteilungen als auch die spezifischen Arbeitsablaeufe sind der Organisationsabteilung sehr gut bekannt, so dass das Rad nicht zweimal erfunden werden muss und Schwachstellen schneller erkannt werden koennen.

Strategischer Mitdenker und zentraler Koordinator

Der Mitarbeiter des zentralen BSZ muss zentraler Koordinator und strategischer Mitdenker, also Partner fuer Geschaeftsfuehrung und Endanwender sein. Die aktive Wahrnehmung dieser Schnittstellen- Funktion traegt zur Wertschaetzung des BSZ im Unternehmen bei.

Abweichend von der bisherigen Arbeitsweise verlangt die neue Rolle des BSZ einen partnerschaftlichen und teamorientierten Arbeitsstil auf allen Ebenen (Unternehmensleitung, Fachabteilung, Endanwender), der gepraegt ist durch unternehmerisches Denken und Handeln sowie Dialogfaehigkeit.

Deshalb ist es noetig, das Handwerkszeug im zentralen BSZ der neuen Rolle anzupassen. Business-Know-how gepaart mit organisatorischem Geschick und sozialer Kompetenz, sind die Schluesselqualifikationen im BSZ der Zukunft.

Technisches Know-how ist zwar nach wie vor wichtig, sollte jedoch im Rahmen des konzeptionellen und strategischen Ansatzes nicht ueberschaetzt werden.

Kaufmaennische und technische Sicht

Die primaer technische Sichtweise eines BSZs alten Stils muss um eine organisatorische und kaufmaennische Perspektive ergaenzt werden, so wie dies eine betriebswirtschaftliche Ausbildung mit sich bringt.

Die Geschaeftsfuehrung muss dafuer sorgen, dass die neue Denkweise im gesamten Unternehmen transparent ist und von allen Mitarbeitern getragen wird.

*Diplombetriebswirtin (FH) Brunhilde Gooss ist Consultant bei der Pica Personalberatung GmbH, Muenchen.