Entbündelung der Kosten stellt die Weichen neu:

Service-Rechenzentren: Überlebenschance bei Spezialisierung

05.10.1979

MÜNCHEN (CW) - Positiv beurteilen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion in München die Zukunft der Service-Rechenzentren. Bei einem Round-table-Gespräch im Rahmen des Symposiums "Software für Kleincomputer und dezentrale Systeme" warf Diskussionsleiter Professor Dieter B. Pressmar (Universität Hamburg) die Frage nach dem weiteren Schicksal der Datenverarbeitung außer Haus auf. Unterschiedlich war die Begründung der Gesprächspartner Rudolf Gierse (Finanzministerium Nordrhein-Westfalen), Helmut Krefft (Siemens), Dr. Gert Bindels (Kienzle), Dieter Eckbauer (COMPUTERWOCHE) und Carl S. Meissner (IBM).

Pressmar: Hat die Datenverarbeitung außer Haus heute noch eine Zukunft angesichts des wohl deutlichen Trends, den eigenen Computer im Haus zu haben?

Hat Datenverarbeitung außer Haus noch eine Zukunft, heißt genauer: Haben die vielen Rechenzentren, die es auf diesem Sektor heute immer noch gibt, in Zukunft eine betriebswirtschaftliche, eine marktpolitische Basis?

Eckbauer: Das Problem dürfte sich von allein lösen, denn eines kam auf dieser Veranstaltung von seiten der Hersteller klar heraus: Kein Hersteller kann heute mehr Software als kostenlose Dreingabe bieten. Kurz: Mit der Berechnung der Software wird die Kalkulation durchschaubar, die Dinge werden transparent und der mittlere Unternehmer muß nichts von Datenverarbeitung verstehen, rechnen kann er. Er kann dann entscheiden, ob die Rechenzentrumslösung für ihn die bessere ist, ob der eigene Computer für ihn die bessere Lösung ist. Und vielleicht gut, daß das gerade hier in diesem Bereich der Erstanwender passiert, weil hier zuerst für die Hersteller diese Notwendigkeit besteht, die Kalkulation offenzulegen.

Gierse: Ich bin der Auffassung, daß die Außer-Haus-Rechenzentren nicht sterben werden, zumindest nicht kurzfristig. Ich bin auch der Meinung, diesmal mit Herrn Eckbauer, daß die Schmalspur-EDV auch bei den Rechenzentren außer Haus wohl eine Seltenheit geworden ist.

Es gibt ja doch beachtliche Außer-Haus-Verarbeitung, ein Beweis dafür, daß in der Vergangenheit viele von Außer-Haus-Rechenzentren gut bedient wurden. Auch dieses ist sicherlich eine Alternative und auch heute noch eine Möglichkeit für den Ersteinsteiger, sich auf dem Markt umzuschauen.

Krefft: DV außer Haus ist immer dann interessant, wenn in einem Unternehmen nicht unbedingt das EDV-Know-how gegeben ist und wenn man nicht unbedingt Personal für die Belange der Datenverarbeitung investieren möchte. Wir als Hersteller können eigentlich sagen, Rechenzentren sind auch wieder Kunden von uns.

Was sollten wir also gegen unsere eigenen Kunden einzuwenden haben? Mit der steigenden Leistung unserer Kleincomputer oder Basisdatensysteme werden auch diese natürlich interessanter für die Service- Rechenzentren. Eigentlich ist es nur die Wettbewerbsfähigkeit, die darüber entscheidet, ob ein solches Rechenzentrum existieren kann oder nicht. Das heißt Qualität der Anwendersoftware, Qualität der Dienstleistungen wie Unternehmensberatung und so weiter. Das bedeutet, wir sehen weiterhin auch für kleine Häuser unter den Rechenzentren große Chancen und damit keine Gefahr.

Dr. Bindels: Ich sehe in der Existenz von Rechenzentren und von Kleincomputern als Stand-alone-Lösung keinen Gegensatz, sie schließen sich nicht gegenseitig aus. Ich glaube allerdings, daß Rechenzentren es schwer haben werden, die sich nicht in irgendeiner Weise auf einen bestimmten Dienst spezialisiert haben.

Allerdings bin ich der Auffassung - und hier gibt die DATEV ein typisches Beispiel -, daß sie durchaus einen Stand-alone-Computer zu Hause haben und daß sie sich für die speziellen DATEV-Dienste an das Rechenzentrum dranhängen können. Ich glaube, das wird sicherlich die Zukunft der Rechenzentren sein.

Meissner: Kleine Computer, Rechenzentren, Datenverarbeitung außer Haus ist keine Entweder/Oder- sondern eine Und/Oder-Entscheidung. Kriterien dafür sind der Preis auf der einen Seite und die Aktualität der Verarbeitung auf der anderen Seite, sprich: Es gibt zum Beispiel Auftragsbearbeitung, die ich im Dialog im eigenen Haus bis zur Lieferscheinschreibung sofort durchführen möchte. Dagegen habe ich beispielsweise eine sehr komplexe Lohnabrechnung, die im Stapel ein- oder zweimal im Monat läuft. Sie kann ich durchaus auch außer Haus fahren. Darüber hinaus bieten ja auch die größeren Rechenzentren die Chance, kleinere Computer - genau wie große Firmen es auch machen - direkt im Wege der Datenfernverarbeitung anzuhängen, sprich, auch dort Daten über die Leitung zu übertragen, zu verarbeiten, wieder zurückzubekommen. Für meine Begriffe handelt es sich also um eine Und/Oder-Entscheidung, die von ganz klaren Aktualitäts- und Kostenüberlegungen entschieden werden muß.