Serveranwendungen der Zukunft MPP-Rechner werden beim TV bald in der ersten Reihe sitzen Von Horst Gietl*

09.09.1994

Der Grundstein fuer eine neuartige Technologie, die uns in den naechsten Jahren vom passiven Zuschauer zum aktiven Teilnehmer der Ereignisse auf dem Bildschirm macht, wird bereits in diesen Tagen gelegt. Massiv-parallele Computersysteme von Ncube mit der Media- Server-Software von Oracle spielen bei der Bereitstellung der hierfuer erforderlichen riesigen Datenmengen eine entscheidende Rolle.

Kaum ein anderes Gebiet wird derzeit mit solchem Hochdruck vorangetrieben wie das der multimedialen Informationsverarbeitung und -verbreitung. Telekommunikationsgesellschaften, Soft- und Hardwarehersteller, TV-Anstalten und andere Anbieter im Informationsgeschaeft sind gerade dabei, den Sprung ins Informationszeitalter zu vollenden. Der Zugriff auf weltweit vorliegende Informationen aller Art - von der individuell zusammengestellten elektronischen Tageszeitung bis hin zu digital uebertragenen Spielfilmen in Kinoqualitaet - wird unser taegliches Leben im privaten und im beruflichen Bereich grundlegend beeinflussen.

Sowohl in den USA als auch in Europa laufen derzeit die ersten Feldversuche mit Video-on-Demand - dem Fernsehen auf Abruf. Dabei werden auf einem zentralen Video-Server Filme digital gespeichert, die daran angeschlossene Kunden nach Belieben abrufen. Zu Hause uebernimmt eine sogenannte Set-Top-Box die Decodierung der ankommenden Daten und gibt diese auf dem Fernsehgeraet aus. Ein Rueckkanal mit einer geringeren Uebertragungsrate ermoeglicht die Bedienung wie bei einem Videorekorder. Auch andere interaktive Anwendungen wie zum Beispiel Home-Shopping werden damit moeglich.

Ein zweistuendiger Film wuerde, einfach digitalisiert, mehr als 200 GB an Speicherplatz beanspruchen - der Inhalt von 150 000 Disketten oder 300 CD-ROMs. Daher ist zum Speichern und Uebermitteln von Video- und Audiodaten eine Komprimierung unerlaesslich. Der internationale Standard MPEG-I (Moving Pictures Experts Group) erlaubt die Reduzierung der Datenrate auf zirka 1,5 Mbit/s (zwei Stunden entsprechen zirka 1,4 GB) bei einer Qualitaet, die in etwa der eines Videorekorders gleichkommt.

Der demnaechst verabschiedete MPEG-II-Standard legt auch die Kompression von HDTV-Signalen (High Definition Television) bei entsprechend hoeheren Uebertragungsraten von zirka vier bis zehn Mbit/s fest. MPEG nutzt zur Kompression zum einen die in der Regel nur geringen Unterschiede zwischen aufeinanderfolgenden Bildern aus, zum anderen werden Bildinformationen unterdrueckt, die das menschliche Auge ohnehin nicht oder nur kaum wahrnimmt. In aehnlicher Weise werden auch die Audiosignale auf die wahrnehmbaren Anteile reduziert.

Die Uebermittlung in die Haushalte erfolgt ueber Glasfaser- oder Koaxialkabel. Mittels eines neuartigen Modulationsverfahrens namens ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Loop) ist sogar der Transfer ueber gewoehnliche Telefondraehte mit Raten bis zu 1,6 Mbit/s oder gar sechs Mbit/s moeglich. ADSL wurde speziell fuer die Uebertragung von digitalen Videos entwickelt und gestattet es, die bereits vorhandenen Kupferdrahtleitungen in die Haeuser zu nutzen, wobei der normale Telefonbetrieb weiterhin moeglich ist.

Die Speicherung der Videos erfolgt ebenfalls digital im MPEG- Format auf Festplatten. Dies erlaubt im Gegensatz zu den bisher ueblichen Magnetbandaufzeichnungen den freien Zugriff auf beliebige Stellen eines Films. Auch ist dadurch nur eine Kopie eines Videos notwendig, um mehrere Kunden unabhaengig mit demselben Film zu versorgen.

Auf einer Platte mit drei GB Fassungsvermoegen ist etwa Platz fuer ein bis zwei abendfuellende Spielfilme. Fuer ein akzeptables Angebot sind dann schon ganze Diskfarmen mit Hunderten bis Tausenden von Platten erforderlich, die alle im Online-Zugriff gehalten werden muessen. Die Speicherung der Videos erfolgt dabei verteilt ueber mehrere Platten (Striping, vgl. Abbildung 2). Dies vermeidet Engpaesse beim Zugriff auf eine bestimmte Disk, wenn ploetzlich viele Kunden gleichzeitig den neuesten Film sehen wollen.

Wenn nur ein angeschlossener Kunde einen Film vom Oracle-Media- Server abruft, tritt auf dem Ncube eine sogenannte Videopumpe in Aktion. Dies ist ein Programm, das die erforderlichen Daten in der richtigen Reihenfolge von den einzelnen Platten liest und ueber eine Schnittstelle in das oeffentliche Kommunikationsnetz "pumpt".

Das klingt zwar recht einfach. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, Tausende von Kunden gleichzeitig mit einem kontinuierlichen Strom von Videodaten zu versorgen. Verzoegerungen sind hier - im Gegensatz zu einem Reisebuchungssystem, wo es in Stosszeiten schon mal laenger dauern darf - nicht tolerierbar, da dies zu Unterbrechungen bei der Wiedergabe fuehren wuerde.

Bei konventionellen Computerarchitekturen laufen saemtliche Daten auf dem Weg von den Festplatten zu den Netzwerkschnittstellen ueber den gemeinsamen Hauptspeicher. Man kann sich gut vorstellen, dass dieser schon bei wenigen Videostroemen schnell zu einem Flaschenhals wird. Nicht so bei der massiv-parallelen Ncube- Architektur. Hier sind einige hundert bis tausend Prozessoren, die ihren eigenen Hauptspeicher besitzen, ueber schnelle Kommunikationsleitungen, dem sogenannten Hypercube, miteinander verbunden. Auf diesem Netz koennen die Daten mehrerer tausend Videos von den Platten ueber Videopumpen zu den Netzwerkschnittstellen transportiert werden, ohne sich gegenseitig zu behindern.

Video-on-Demand stellt hoechste Anforderungen an die Systeme, die als zentrale Multimedia-Server in einem globalen Informationsnetz groesste Datenmengen in Echtzeit verarbeiten muessen.