Kolumne

Sensible Blogosphere

14.06.2005

Blogs sind in Unternehmen angekommen. Firmen beginnen, die "Online-Tagebücher" für den Dialog mit Kunden und Mitarbeitern zu nutzen. Aufgrund ihrer professionellen Nähe zur IT und zum Internet tun sich vor allem IT-Anbieter als Corporate Blogger hervor (siehe Seite 10). Bei Sun, Microsoft, IBM und vielen anderen bringen Topmanager und ganz normale Mitarbeiter ihre Botschaften via Blog unters Volk. Natürlich posten sie, weil es schick ist zu bloggen, weil es eine einfache und direkte Art der Kommunikation darstellt. Aber vor allem wollen sie vom Image unabhängiger Blogs profitieren. Die gelten vor allem in den USA als ehrlich, authentisch und aufklärend. Dort - und immer mehr auch hierzulande - liefern Blogs interessante Insiderinformationen und Meinungen sowohl zu Spezialgebieten wie der IT als auch zu kulturellen und politischen Themen.

Im letzten US-Wahlkampf bemühten sich beide politische Lager um die Bloggerszene fast ebenso stark wie um die etablierten Medien. Die Wahlkampf-Manager haben früh erkannt, welche Durchschlagskraft diese Art des privaten, gleichwohl extrem vernetzten Publizierens hat. Blogs verbreiten nicht nur Wissen und Meinung des jeweiligen Bloggers. Sie repräsentieren durch Hyperlinks und Kommentare zu verschiedensten Veröffentlichungen im Web auch immer einen Teil der öffentlichen Meinung. Die Querverweise führen außerdem dazu, dass Blog-Einträge von Suchmaschinen, die die Relevanz am Grad der Verlinkung messen, sehr oft weit oben in den Trefferlisten angezeigt werden. So verbreiten sich die Postings rasend schnell.

Doch Blogs sind auch potenziell gefährlich. Anders als Rundfunk und Zeitungen unterliegen sie nicht dem Presserecht. Blogger müssen sich beispielsweise nicht - obwohl es viele tun - an die journalistische Sorgfaltspflicht halten. Sie veröffentlichen, was ihnen in den Sinn kommt - auch haltlose Gerüchte, falsche Tatsachenbehauptungen oder krude Verschwörungstheorien.

Allerdings steht eines fest: Blogs stellen das erste originäre Internet-Medium dar. Bisher orientierten sich Veröffentlichungen im Web in Form, Sprache und Präsentation an den traditionellen Medien. Blogs sind anders - in ihrer Art zu veröffentlichen und vor allem in der Interaktion mit ihren Nutzern.

Deshalb sollten sich Unternehmen, die in die Blogosphere einsteigen, sehr genau überlegen, wie sie mit diesem neuen Medium umgehen. Es ist keine kommunikative Einbahnstraße, auf der sich Pressemitteilungen an ein ahnungsloses Publikum verschicken lassen. Die Nutzer sind weder unwissend, denn ihnen steht das gesamte Web zur Recherche offen, noch sind sie länger sprachlos. Hohe kommunikative Sensibilität ist daher erste Pflicht des Corporate Bloggers.

Dieser Kommentar wird übrigens auch im CW-Notizblog gepostet. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare auf blog.computerwoche.de.