Kaske und Sparberg bei der US-Handelskammer

SDI: Keine Waffe gegen Technologiedefizit

09.05.1986

MÜNCHEN (ujf) - Keine entscheidenden Impulse für die Entwicklung der High-Technology erwartet die Industrie in der Bundesrepublik vom amerikanischen SDI-Programm. Dies ist eins der Ergebnisse einer Podiumsdiskussion, zu der jetzt die "American Chamber of Commerce in Germany" Vertreter der deutschen Wirtschaft nach München eingeladen hatte.

Um das "Technology Gap" zwischen Deutschland auf der einen und Amerika wie auch Japan auf der einen Seite ging es beim 83. Jahrestreffen der amerikanischen Handelskammer in Deutschland. Vor Geschäftsführern und anderen Repräsentanten deutscher Firmen - meist Töchter amerikanischer Mütter - debattierten Vertreter der Industrie unter Leitung von Hans Lechleitner vom Bayerischen Rundfunk darüber, warum sich die Bundesrepublik mit der neuen Technik so schwer tue. Mit von der Partie waren Lothar F.W. Sparberg (IBM), Karlheinz Kaske (Siemens), Erich Häußer (Deutsches Patentamt), Achim Stöhr (Booz, Allen & Hamilton) und Hanns Arnt Vogels (MBB).

Mit einem Verweis auf europäische Statistiken, denen zufolge, "die Deutschen am wenigsten bereit sind, neue Technologien zu akzeptieren", eröffnete lBM-Chef Sparberg die Debatte. Achim Stöhr, deutscher Vice-President der amerikanischen Technologie-Management-Beratungsgruppe- Booz, Allen & Hamilton, verglich (in Anspielung auf eine Fortune-Reportage über Siemens) die deutsche Industrie mit einer Dampfwalze: "Sie kommt langsam, aber dann mit Macht."

Nach Seitenhieben auf die deutsche Steuergesetzgebung, die Medien und die Betriebsräte - ihrer Meinung allesamt hinderlich beim technischen Fortschritt - redeten die Chefs von Siemens und IBM Fraktur. Karlheinz Kaske, Vorstandsvorsitzender des Münchner Konzerns, warnte in diesem Zusammenhang vor übertriebenen Erwartungen: "Der Krieg ist nicht der Vater aller Dinge. Auch im Hinblick auf SDI sollte man den militärischen Aspekt beiseite lassen, weil die Gesamtvolkswirtschaft, also auch die Gesamttechnologie, viel breiter ist als die militärische Anwendung." Was Siemens an SDI interessiere, sei die Tatsache, daß von den etwa fünf Milliarden Dollar, die der Kongreß hier jährlich für Forschung und Entwicklung genehmige, etwa die Hälfte in irgendeiner Weise der amerikanischen Elektroindustrie zugute komme. Und damit sei natürlich auch ein Wettbewerbsvorteil für diese Firmen verbunden.

Seinen IBM-Kollegen Lothar Sparberg provozierte der Siemens-Boß mit Seitenhieben auf die amerikanische Subventionspolitik; in den Geschäftsberichten großer amerikanischer Gesellschaften seien über 50 Prozent der F&E-Aufwendungen "customer-founded". Oft werde im Text als Customer das Department of Defense angegeben Kaske: "Wenn wir aber mal zwei Prozent unserer F&E-Aufwendungen vom BMFT bekommen, dann ist der Teufel los in der Presse."

Sparberg protestierte; der Prozentsatz der Forschungsaufwendungen, die etwas mit Rüstung zu tun hätten, sei bei der IBM sehr niedrig. "Das wird sehr oft verwechselt, weil wir eine Division haben, die sich nur mit dem Verteidigungsthema beschäftigt", sagte Sparberg. "Es handelt sich um kleine Beträge - gemessen an dem, was wir für Forschung und Entwicklung aufwenden. Und SDI, das ist ganz ganz wenig, das ist Peanuts."

Dafür mißt der Chef des wichtigsten deutschen US-Ablegers dem Forschungsprogramm von Präsident Reagan eine innenpolitische Bedeutung für die Vereinigten Staaten bei. Sparberg: "SDI halte ich persönlich für eine sehr nette und schöne nationale Bewegung - genau wie die fünfte Generation bei den Japanern. Man muß einfach abwarten, was dabei herauskommt."

Selbst Hanns-Arnt Vogels, Vorsitzender der MBB-Geschäftsführung und somit Vertreter eines Konzerns mit Schwergewicht auf Produkten für den militärischen Bedarf, glaubt offenbar nicht daran, daß eine SDI-Beteiligung die Entwicklung von Hochtechnologie auch in der Bundesrepublik wesentlich stimulieren kann: "Viel High-Tech ist im Zusammenhang mit den Verteidigungshaushalten in Schwung gekommen - ganz deutlich in Amerika, bei uns auch stark, aber eben doch sehr viel weniger. "

Eine positivere Grundeinstellung ist es, was Lothar Sparberg bei der bundesdeutschen Bevölkerung vermißt. Ihm sei es lieber, wenn die Fragestellung nicht lautete "wo hinken wir nach?", sondern "wo sind wir führend?".

Mit einem anderen Problem konfrontierte Manfred Siebert (Intergraph Deutschland GmbH) die Diskussionsrunde, nämlich dem Manko bei der Software. Hier gebe es große Schwierigkeiten, wenn man außerhalb der USA gute Entwickler suche.