Der CIM-Weg ist lang, aber keine Science-fiction:

Schritt für Schritt planen und realisieren

13.02.1987

Heißt die Zukunft CM - Computer Manufacturing? Wird das Fertigungssystem der Zukunft den Menschen Integrieren oder völlig ohne Ihn vollautomatisch funktionieren? Werden wir - was denkbar ist - in Zukunft den größten Teil unseres Lebens nicht mehr mit Arbeit zum Erhalt und der Sicherung unserer materiellen Existenz verbringen? Werden wir die Güter für das tägliche Leben vollautomatisch produzieren lassen können? Genau kann das heute noch niemand sagen, Aber denkbar ist es. Und wenn es denkbar ist, warum soll es dann nicht machbar sein - eines Tages !

Zugegeben, für die meisten von uns gehören solche Gedanken in die Kategorie Science-fiction. Aber was war in unserer Geschichte nicht alles schon zunächst Science-fiction und ist - später Realität geworden?

Ist CIM notwendig?

Für diejenigen, die das Denkbare für machbar halten, ist CIM sicher ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin, für die anderen wird es zur unausweichlichen Realität werden. Denn im Gegensatz zur Vision von Schlaraffia muß man kein großer Prophet sein, wenn man sagt: "CIM ist in der Produktion von Gütern neben der Mechanisierung die zweite sprungartige Entwicklung auf dem Weg zur Entlastung des Menschen von körperlicher Arbeit hin zur steuernden, über wachenden, kreativen Funktion und wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten im Verbund mit der fortschreitenden Automatisierung auf breiter Front Einzug in produzierende Unternehmen finden."

Für die meisten von uns wird das Denkbare denkbar bleiben, denn der Weg ist lang, und auf diesem Weg liegt CIM. Eine anspruchsvolle Aufgabe und Herausforderung für alle, ob sie nun lernen müssen, mit den Instrumenten dieser Entwicklung umzugehen, oder ob sie verantwortlich Entscheidungen mittragen, die diesen Weg markieren.

Daß CIM der richtige Weg ist, steht heute nicht mehr in Frage, ist es doch nicht mehr und nicht weniger als "der integrierte EDV-Einsatz in allen mit der Produktion zusammenhängenden Betriebsbereichen" (laut AWF). Die Meilensteine dieses Weges haben die Kristallisationsphase bereits verlassen und stehen als zu bewältigende Aufgaben vor uns.

Das erkannte Ziel schrittweise zu erreichen, lautet die Devise. Denn ebenso, wie wir lernen mußten, uns die Maschinen schrittweise dienstbar zu machen, müssen wir lernen, diese Instrumente nun im Orchester zu beherrschen.

Und das beginnt damit, daß wir uns auf den Boden der Realität begeben. Erkennen, wo wir stehen und von diesem Ausgangspunkt Schritt für Schritt planen und realisieren, um das Ziel zu erreichen, ohne den Weg außer acht zu lassen.

Das Ziel heißt CIM

Den AWF-Empfehlungen folgend ist die Integration der CA-Systeme (CAD/CAM/CAP/CAQ) einerseits und PPS andererseits erforderlich. Die CA-Systeme beinhalten die rechnergestützte Konstruktion, Planung, Fertigung und Qualitätskontrolle. PPS umfaßt die Produktionsplanung, die Termin- und Kapazitätsplanung und die Auftragssteuerung. Es steht außer Zweifel, daß diese Definition um betriebswirtschaftliche Funktionsbereiche wie Kostenrechnung, Finanzcontrolling, Personalmanagement und Managementinformationen (MIS) ergänzt werden muß, um CIM unter wirtschaftlichen Kategorien sinnvoll in ein Unternehmen zu integrieren. Denn als reines "technisches Spielzeug" ohne Kostenbezug, ohne die unternehmensspezifischen Ziele und ohne marktwirtschaftliche Gegebenheiten zu berücksichtigen, wäre die CIM ein bloßer Rohrkrepierer und würde nie zum sauberen Schuß in die richtige Richtung werden.

Ergänzend darf bemerkt werden, daß das Ganze auf einem soliden Fundament aufgebaut sein muß: der gemeinsamen Datenbank. Und spätestens jetzt sind wir vollends auf dem Boden der Tatsachen angelangt, denn die so skizzierte idealtypische CIM-Landschaft ist heute als Komplettlösung auf dem Markt nicht erhältlich. Leicht verständlich, wenn man bedenkt, wie die Entwicklung lief; kaufmännisch-betriebswirtschaftliche Lösungen waren die eine Seite, technisch-wissenschaftliche die andere. Heute zwingt CIM beide unter einen Hut.

Falsch wäre, daraus zu schließen, es sei besser zu warten, bis es soweit ist, denn einerseits wird das noch einige Jahre dauern (Experten rechnen mit fünf bis zehn), und zum anderen würde ein Unternehmen dadurch wesentliche Wettbewerbsvorteile verschenken, die bereits mit den heute vorhandenen Produkten erzielbar sind. Ganz zu schweigen von dem "Riesenschritt" der getan werden müßte, um zum Zeitpunkt X vom heutigen Integrations- und Organisationsgrad auf CIM aufzuspringen.

Der Weg ist vorgezeichnet

Deshalb sollte eine jetzt anstehende Planung drei wesentliche Probleme berücksichtigen:

- die Schnittstellenproblematik der beteiligten Module,

- der Expertenengpaß (das fehlende CIM-Know-how),

- die stufenweise Realisierung.

Die Schnittstellenproblematik besteht in der Abstimmung zwischen technischer Informationsverarbeitung einerseits (CAD/CAM) und kaufmännisch-betriebswirtschaftlicher andererseits (PPS + Vertrieb + Finanzen + Kosten + Personal). Hierbei ist für die strategische Entscheidung zugunsten Produkt X oder Y die technische Machbarkeit eines Datenausschusses von zentraler Bedeutung. Einfach gesagt - kann eine Datei übergeben werden, oder gibt es bereits eine Anbindung über Dateien, oder müßten die Daten "zu Fuß" übertragen werden? Denn wenn diese Fragen nicht positiv beantwortet werden können, rückt der geplante Endzustand - die gemeinsame Datenbank oder die Programmintegration in weite Ferne.

Breite Akzeptanz in allen Fachbereichen notwendig

Schwieriger, weil oft unterschätzt, wird die Aufgabe, das fehlende CIM-Know-how aufzubauen. Die zu Recht erwarteten Vorteile der integrierten rechnergestützten Produktion - mehr Transparenz, höhere Flexibilität. Verringerung der Durchlaufzeiten, höhere Auskunftsbereitschaft, kürzere Reaktionszeiten - können nur erreicht werden, wenn die neuen Systeme auf eine breite Akzeptanz und aktive Nutzung in allen Fachbereichen trifft. Das heißt Schulung, Schulung, Schulung! Allenthalben sind vielfältige Anstrengungen zu beobachten, die voraussehbare Lücke im Ausbildungsstand der Mitarbeiter zu schließen (zum Beispiel CIM-Ausbildungsangebot der Uni Hannover, produktbezogene Schulungen durch die Hersteller, Fachtagungen und Kongresse schießen wie die Pilze aus dem Boden). Das allein enthebt das jeweilige Unternehmen noch nicht der Aufgabe, für seine Anforderungen gezielte Maßnahmen zu planen lind durchzufahren. Denn auf dem Arbeitsmarkt sind CM-Experten auch in Zukunft Mangelware.

Ausschlaggebend ist das Gesamtkonzept

Die stufenweise Realisierung letztlich heißt, daß auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes die jetzt nötigen Schritte abgeleitet und durchgeführt werden müssen. Die Betonung liegt dabei auf dem Gesamtkonzept. Dies muß, eine konkrete CIM-Zielvorstellung beinhalten, woraus sich dann zwangsläufig Realisierungsschritte ableiten lassen. Mit anderen Worten - das Gesamtkonzept enthält Komponenten wie CAD/CAM/ CAP/CAQ, PPS, BDE, Finanzen und Kosten, die zu einem CIM-System zusammengefügt werden sollen.

Vorhandene Integration

muß genutzt werden

Ein Patentrezept zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe gibt es nicht. Aber klar ist auch, daß die möglichen Schnittstellen auf ein Minimum reduziert werden müssen.

Im Klartext: Bereits vorhandene Integration muß genutzt werden. Die Summe der Schnittstellen muß gering sein, wenn die Teilsysteme in eine Gesamtlösung passen sollen.

Vorhandene Integration nutzen heißt:

- PPS, Finanzen und Kostenrechnung muß ein Paket sein.

- Der Anschluß der CA-Systeme von CAD/CAM und BDE muß vorgesehen sein.

Der Weg zu CIM ist vorgezeichnet, über das, was danach kommt, darf noch spekuliert werden.

Friedrich Wegehingel ist Berater bei der SAP GmbH, Walldorf.