Schöne neue MiFID-Welt

Schöne neue MiFID-Welt

02.01.2008
Am 1. November 2007 ist die Finanzmarktrichtlinie MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) in 30 Ländern, so auch in Deutschland, in Kraft getreten. Im April 2004 hatte sie Einzug in die europäische Gesetzessammlung gehalten. Das Beratungsunternehmen Bearing Point hat die Auswirkungen auf die Institute der Finanzdienstleistungsbranche analysiert.

Eigentlich sollte die MiFID-Richtlinie bereits Ende Januar dieses Jahres in geltendes Recht umgesetzt werden. Doch bis Anfang Oktober hatten es nur zwei Drittel der Länder geschafft, der Verpflichtung zumindest teilweise nachzukommen. Betroffen von den Veränderungen sind neben den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch Finanzdienstleister in Norwegen, Island und Lichtenstein.

Nach Meinung des Bearing-Point-Experten Ralf Temporale werden die Veränderungen im Markt, die die MiFID mit sich bringt, bereits in den ersten zwölf bis 18 Monaten zu sehen sein. Vor allem hätte die neue gesetzliche Regelung Auswirkungen in den Bereichen der Marktdaten, dem Wettbewerb zwischen den Handelsplätzen bzw. dem entsprechenden „Order-Routing“ der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, der Gestaltung von Produkt- und Service-Konditionen, sowie im Bereich des Outsourcings.

„Die zur Verfügung stehenden Marktdaten, welche verarbeitet werden müssen, werden stark zunehmen“, sagt Bearing Point voraus. „Bestehende Handelsplätze werden ihre Kurse häufiger aktualisieren, während neue Handelsplätze zusätzlich Handelsdaten veröffentlichen werden.“ Ralf Temporale von Bearing Point geht davon aus, dass die Menge der Daten auf das Zwei- bis Vierfache ansteigen wird. Vor allem im Bereich der technischen Infrastruktur müssten auf Seiten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen hierfür die Voraussetzungen geschaffen werden. Die Chance zur Vermarktung dieser zusätzlichen Marktdaten, sieht der Experte aber „für die breite Masse der Marktteilnehmer eher kritisch.“

Mehr Wettbewerb für die Börsen

Durch die neue Regelung wird der Börsenzwang abgeschafft, der vorsieht, dass Wertpapiere an den nationalen Börsen zu notieren und die Order darüber abzuwickeln sind. Deswegen würden in Zukunft verstärkt Multilateral Trading Facilities (MTFs) und Systematische Internalisierer (SIs) zu beobachten sein. Die Börsen müssen sich in Zukunft zusätzlich auch gegen diese Wettbewerber am Markt durchsetzen. Zusätzlich würden die Handelsplätze die MiFID-Kriterien für die so genannte „Best Execution“ der Order als weiteres Differenzierungsmerkmal nutzen und vermarkten könne. Dies umfasse vor allem die Kriterien Preis, Ausführungsgeschwindigkeit und -wahrscheinlichkeit.

Seit Inkrafttreten der MiFID müssen alle Wertpapierdienstleistungsinstitute im Rahmen ihrer „Best Exceution Policy“ die Order ihrer Kunden bestmöglich ausführen. Eine große Herausforderung werde es in Zukunft deswegen sein, herauszufinden, welcher Handelsplatz sich am besten für eine bestimmte Kundenorder eignet. Für den Kunden ist ein weiterer Vorteil der MiFID, dass die Dienstleister jetzt ihre Kosten und Gebühren detailliert und vollständig ausweisen müssen. Leistungen von Dritten wie zum Beispiel Kick-Backs sind nur noch unter bestimmten Voraussetzungen möglich, nämlich wenn sie keinen Interessenkonflikt zur Folge haben. „Eine auf Quersubventionierung basierende Mischkalkulation übe alle Services und Produkte wird dadurch stark erschwert“, schreiben die Bearing-Point-Experten. Deswegen stelle sich die Frage, ob die Beratungsleistung wie auch individuelles Reporting in Zukunft weiterhin kostenlos angeboten werden können.

Auswirkungen auf Outsourcing unklar

Durch die erhöhte Transparenz werde die MiFID auch auf das Produktangebot Auswirkungen haben. Vermehrt würden die Institute eigene Produkte anbieten, auch würde das Angebot von Echange Traded Funds (ETFs) zunehmen.

Ob die MiFID auch Auswirkungen auf vermehrtes Outsourcing habe, sei, so die Experten vom Business Financial Service bei Bearing Point unklar. Einige Analysten meinten, dass Outsourcing durch die neuen Vorschriften schwieriger und kostenintensiver werde. Andererseits gebe es aber für Outsourcer, die Dienstleistungen anbieten, die aufgrund der MiFID erforderlich werden. Diese könnten durch das Erfordernis der Best Excecution als Spezialisten insbesondere in den Bereichen Effizienzüberwachung und Backtesting erfolgreich sein.

Die MIFID hat natürlich auch neue technologische Herausforderungen mit sich gebracht: „Nahezu alle nationalen Börsen, Clearing-Stellen und Depotbanken verfügen über eigene Programmierschnittstellen. Die MiFID versucht nun die Marktteilnehmer auf bestimmte Standardprotokolle zu fokussieren“, heißt es in der Analyse. Es zeichne sich dabei ab, dass das FIX-(Financial Information eXchange)Protokoll der vorherrschende Standard für Pre-Trade und direkte Post-Trade-Daten sein werde. Die Transaktionsdaten, die nach einem Handel an die Regulierungsbehörden gesendet werden müssen, seien bereits teilweise standardisiert worden. SWIFT sei zusammen mit anderen Dienstleistungsunternehmen dabei, die Einrichtung eines ISO 20022-Standardformats voranzutreiben.

Normalisierung nach 12 bis 18 Monaten

Während in den ersten zwölf bis 18 Monaten Markt- und Wettbewerbsauswirkungen zu sehen sein würden, würde sich die Situation danach wieder normalisieren. Denn bis dahin hätten sich die Institute auf die neuen Anforderungen eingestellt und sich neu in der MiFID-Welt positioniert. Im Ergebnis werde es eine zunehmende Spezialisierung geben, Konsolidierung und eine verstärkte Zusammenarbeit.

Allgemein würde es durch die MiFID einfacher, Filialen in anderen Ländern zu eröffnen, sie erleichtere es Unternehmen aber auch, Geschäfte in anderen Ländern zu tätigen, ohne dafür eigenes eine eigene Filiale zu errichten. Mittelfristig hätten jedoch große, europaweit agierende Marktteilnehmer einen Wettbewerbsvorteil vor kleineren nationalen Anbietern. Zudem würden sich die Intermediäre einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt sehen.

Wer Verlierer und wer Gewinner der Zeit nach der MiFID sein wird, sei heute noch unklar. Denn hier komme es nun vor allem darauf an, wie sich die Institute auf die neuen Gegebenheiten einstellen, und ob und wie sie in der Lage sein werden, ihre bisherigen Geschäftsmodelle zu überarbeiten oder anzupassen.