Verträge in der Gig Economy

Schneller loslegen mit der QES

14.03.2022
Von   IDG ExpertenNetzwerk
Mario Voge ist Lead Strategic Growth Manager bei Swisscom Trust Services AG. Als Experte für digitale Signaturen und digitale Identität bietet er besonderen Einblick in die Anwendungsbereiche für e-Health, Retail und HR.
Befristete Verträge können eine Alternative zu Gig Jobs sein. Da bei dieser Form der Beschäftigung ein rascher Vertragsabschluss oft eine Rolle spielt, kann der Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) sinnvoll sein.
Lieferservices sind weltweit zum Sinnbild der Gig Economy geworden.
Lieferservices sind weltweit zum Sinnbild der Gig Economy geworden.
Foto: PictMotion - shutterstock.com

An der sogenannten Gig Economy scheiden sich die Geister: Bieten Gig-Economy-Jobs den Menschen mehr Selbstbestimmung und flexible Erwerbsformen oder werden die Beschäftigten von den Plattform-Betreibern teilweise unter Gefahr für Leib und Leben ausgebeutet? Gerade in größeren Städten gehören Essens- und Lebensmittellieferanten auf Fahrrädern und E-Bikes inzwischen zum Stadtbild. Aber auch Dienstleistungen wie Handwerkstätigkeiten, Putzleistungen oder Übersetzungsarbeiten lassen sich heute über digitale Plattformen beziehen. Die Betreiber dieser Gig-Economy-Plattformen verstehen sich dabei als Vermittler von Jobs für unabhängige Auftragnehmer, und nicht als deren Arbeitgeber.

Diese Haltung steht – auch aufgrund von arbeitsrechtlichen Aspekten – immer wieder in der Kritik. Es stellt sich die Frage, ob Auftragnehmer als Selbstständige gelten können oder ob sie sich tatsächlich in einem Angestelltenverhältnis befinden. Liegt eine Scheinselbstständigkeit vor, kann das vor allem für Arbeitgeber teuer werden, da sie die Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend einzahlen müssen. Die Europäische Kommission hat deshalb vor Kurzem neue Maßnahmen vorgeschlagen, um Scheinselbstständigkeit einzudämmen. Dazu gehören verschiedene Kriterien anhand derer kontrolliert werden soll, ob eine Plattform als Arbeitgeber zu gelten hat.

Befristete Verträge gelten nur in Schriftform

Wer Rechtssicherheit haben möchte, ohne den Brüsseler Gesetzgebungsprozess und die anschließende Umsetzung hierzulande abzuwarten, kann mit Auftragnehmern alternativ einen befristeten Vertrag abschließen. Dies ist natürlich nicht nur für Plattformbetreiber und Gig Worker eine Option, sondern beispielsweise auch für Unternehmen, die einem Freelancer ein hohes Auftragsvolumen erteilen möchten.

Bei nahezu allen Verträgen in Deutschland gibt es keine spezifische Form, die einzuhalten ist. So können Arbeitsverträge auch mündlich geschlossen ewrden. Oder sogar durch schlüssiges Verhalten – wenn etwa der Arbeitnehmer seine Arbeit aufnimmt und der Arbeitgeber dies ohne Widersprich geschehen lässt. Eine Ausnahme dieser Formfreiheit gilt allerdings für befristete Arbeitsverhältnisse: Hier müssen bei einer Zeitbefristung Anfangs- und Enddatum festgehalten werden oder bei einer Zweckbefristung eben dieser Zweck, zum Beispiel ein konkretes Projekt und dessen Abschluss. Existiert kein schriftliches Dokument ist diese Absprache entweder unwirksam oder das Arbeitsverhältnis gilt als unbefristet.

Gerade bei Gig Jobs wollen aber gemeinhin beide Seiten, dass der Auftragnehmer möglichst schnell seine Tätigkeit aufnimmt. Muss erst noch ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt, ausgedruckt, verschickt, unterschrieben und wieder zurückgeschickt werden, kann sich der Arbeitsbeginn allerdings um Tage oder gar Wochen verzögern. Eine elektronische Signatur ermöglicht es diesen Prozess erheblich zu beschleunigen.

Die qualifizierte elektronische Signatur als Alternative

Bereits vor einigen Jahren hat die EU-Kommission mit der eIDAS-Verordnung die Verwendung elektronischer Signaturen neu geregelt. Infolgedessen ist die qualifizierte elektronische Signatur (QES) der händischen Unterschrift in fast allen Bereichen gleichgesetzt. Hinter einer solchen Signatur müssen sichere kryptografische Verfahren stehen und sie muss auf einem qualifizierten Zertifikat basieren. Vertrauensdiensteanbieter dürfen qualifizierte elektronische Signaturen nur anbieten, wenn sie durch die entsprechenden Stellen anerkannt und auf die EU-Vertrauensliste aufgenommen wurden.

Die QES kann demnach auch bei Arbeitsverträgen rechtssicher verwendet werden. Dies macht zum einen den gesamten Prozess für HR-Verantwortliche einfacher, da sie intern nicht mehr bei verschiedenen Personen persönlich vorstellig werden müssen, um Unterschriften einzusammeln. Zum anderen können Auftragnehmer den Vertrag innerhalb weniger Minuten unterschrieben zurückschicken, wenn er statt im Briefkasten im E-Mail-Postfach landet und ohne Medienbruch unterschrieben werden kann.

Um die QES auszulösen, wird eine eindeutige Willensbekundung benötigt. Diese erfolgt zum Beispiel einfach via App, ähnlich der Freigabe von Transaktion beim Online Banking: Sie sendet eine Push-Nachricht und mittels eines zweiten Faktors wird die Willensbekundung eingeholt, um den Signaturprozess zu starten. Zuvor muss sich der Nutzer einmalig durch den Vertrauensdienstanbieter identifizieren lassen. Auch das lässt sich inzwischen einfach und schnell von Zuhause aus erledigen, beispielsweise mit dem elektronischen Personalausweis, dem Video- oder Bank-Ident-Verfahren.

Lesetipp: FAQ Digitale Unterschrift - Was Sie über die elektronische Signatur wissen müssen

Die richtige Wahl treffen

Bei der Wahl der richtigen Lösung sollten Unternehmen verschiedene Aspekte beachten, insbesondere regulatorische und datenschutzrechtliche Anforderungen. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage, ob es eine klassische On-Premises-Lösung oder als Software-as-a-Service (SaaS) aus der Cloud bezogen werden soll. Auch kann es sinnvoll sein, eine Lösung zu wählen, die leicht in andere Systeme integriert werden kann, wie ein Application-Tracking-Programm oder ein Personalmanagementsystem. Somit lässt sich der Recruiting-Ablauf vom ersten bis zum letzten Schritt digitalisieren. Ähnliches kann auch für weitere Abteilungen gelten, etwa den Einkauf oder Sales-Teams, die ihre eigenen Prozesse mithilfe elektronischer Signaturen gestalten wollen. Da SaaS-Lösungen in der Regel nach Nutzung abgerechnet werden, sollte deshalb das geplante Volumen der zu signierenden Dokumente bei der Auswahl beachtet werden.

Gig-Plattformen werden immer stärker in die Pflicht genommen, ihre Auftragnehmer unter Vertrag zu nehmen und Sozialleistungen anzubieten. Befristete Arbeitsverträge können eine Lösung sein, um diese Forderung umzusetzen und gleichzeitig die Zahl der Auftragnehmer an den eigenen Bedarf anzupassen. Mithilfe von elektronischen Signaturen wird der Start als Angestellter schnell möglich. Unternehmen sollten jedoch darauf achten, dass sie dafür eine Lösung implementieren, die ihren Bedürfnissen gerecht wird und sich gerade bei einer Vielzahl von zu unterzeichnenden Verträgen rechnet. (bw)

Lesetipp: Cloud vs. On Premises - Kosten-Nutzen-Vergleich