Eine Hymne auf den Stuhl in der DV:

Schlechte Sitzmöbel bremsen Kreativität

28.11.1980

MÜNCHEN (CW) - Neue Technologien verändern nicht nur die Struktur des Unternehmens, sondern auch die Arbeitsplätze in der DV-Abteilung. Vom Wandel unbetroffen fristen einfache Organisationsmittel wie die Sitzmöbel vielfach ein Mauerblümchen-Dasein. Dabei sind sich Mediziner wie Arbeitswissenschaftler inzwischen einig: Schlechte Stühle spielen im Drama Haltungsschäden eine geradezu tragende Rolle und beeinflussen Motivation und Kreativität. Warum das so ist, erklärt Dr. Horst Schlüchter von der Martin Stoll GmbH in Waldshut-Tiengen.

Die EDV spielt heute eine tragende Rolle im Organisationsgefüge eines Unternehmens. Die Computer können jedoch ihre Aufgabe nur dann funktionsgerecht erfüllen, wenn die entsprechende Manpower zur Verfügung steht und diese auch richtig motiviert ist. Hierbei zeigt sich, daß oftmals kleinen und nebensächlich erscheinenden Dingen eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt.

Es reicht heute längst nicht mehr aus, daß die Mitarbeiter in der EDV nur "irgendwie" sitzen. Vielmehr kommt es in diesem Bereich darauf an, Sitzmöbel zu finden, die sowohl den Formen des menschlichen Körperbaus als auch dem Arbeitsablauf entsprechen.

Eingeschlafene Füße

Bei der Auswahl der Sitzmöbel im EDV-Bereich ist zunächst wichtig, daß der Benutzer die Sitzhöhe auf seine Größe einstellen kann.

Der Sitz sollte dabei so hoch eingestellt werden, daß der Benutzer bequem seine Füße auf den Boden abzustellen vermag. Dies ist immer nur dann der Fall, wenn zwischen Ober- und Unterschenkel ein Winkel von etwa 90 Grad entsteht.

Ist die Sitzhöhe so hoch, daß die Beine geradezu herunterbaumeln, kann ein Abquetschen der feinen Nervenverästelungen auf der Unterseite des Oberschenkels eintreten, das dann zur Erscheinung der "eingeschlafenen Beine" führt.

Krummer Rücken

Bei der Auswahl der Sitzmöbel sollte darauf geachtet werden, daß die Sitze nicht zu tief sind. Zu tiefe Sitze führen dazu, daß die Benutzer aufgrund zu kurzer Oberschenkellängen im Verhältnis zur Sitztiefe nicht bis zur Rückenlehne mit ihrem Oberkörper heranreichen. Hierdurch kippt das Becken nach hinten ab und die Lendenwirbel kyphosieren (krummer Rücken, Rundrücken). Häufig sind Rückenschmerzen (Bandscheibenschäden) die Folge.

Bei den üblichen Sitzhaltungen am Arbeitsplatz werden etwa 80 Prozent auf die Sitzplatte übertragen. Nur 20 Prozent des Körpergewichtes werden über die Füße auf den Boden abgestützt. Von diesen 80 Prozent - was in etwa dem Gewicht des Oberkörpers entspricht - ragen etwa 4/5 von den Sitzbeinhöckern auf der Sitzplatte.

Nach japanischen Untersuchungen sollte der Druck im Bereich der Oberschenkel fünfzig Gramm pro Quadratzentimeter nicht übersteigen.

Sollte durch die Arbeitshöhe (Konsole, Schreibtisch) die Sitzfläche so hoch sein, daß der Benutzer nicht mehr unter den geschilderten Verhältnissen den Boden mit seinen Füßen erreicht, so empfiehlt sich die Verwendung von Fußstützen.

Stühle für die EDV

Worauf sollte nunmehr geachtet werden, wenn Sitzmöbel für den EDV-Bereich beschafft werden? Mitarbeiter in der EDV sitzen fast den ganzen Tag auf dem gleichen Stuhl. Ihren Sitzmöbeln ist daher auch im Hinblick auf den jeweiligen Arbeitsablauf besondere Beachtung zu schenken.

Die Arbeitsvorbereitung in großen Rechenzentren ist im wesentlichen für die Effizienz des Rechenzentrums verantwortlich. Als planerische Tätigkeit spielt sich die Arbeit mehr im geistig-konzeptionellen als im körperlich-manuellen Bereich ab.

Die Arbeit bietet relativ wenig Bewegung. Dagegen wird von den Gehirnzellen ein relativ großes Arbeitspensum verlangt. Mit Bewegungsabnahme wird auch die Blutumwälzgeschwindigkeit herabgesetzt. Dies führt zwangsläufig zu einer Minderdurchblutung auch des Kopfes. Die Folgen hiervon sind frühzeitige Ermüdung und das Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit. Durch einen häufigeren Wechsel zwischen verschiedenen Sitzhaltungen (vordere, mittlere, hintere Sitzhaltung) wird eine stärkere Durchblutung gefördert. Darüber hinaus führt ein häufiger Wechsel der Haltung auch zu einem häufigerem Wechsel der Druckverteilung bei den Zwischenwirbelscheiben (Bandscheiben). Die Diffusion von Nährstoffen ins Innere der Bandscheiben wird begünstigt, und somit werden vorzeitige Abnutzungserscheinungen verhindert.

Sitz und Rückenlehne der Stühle für diesen DV-Bereich sollten so gestaltet sein, daß sie nicht zu ungewollten Reflexen aufgrund von Druckstellen führen. Am besten eignet sich eine verstellbare Rückenlehne, die man auf die jeweilige Oberkörperlänge des Benutzers einstellen kann. Bei nicht verstellbaren Rückenlehnen sollte darauf geachtet werden , daß im Lendenwirbelbereich der Sessel eine entsprechende Abstützung bietet.

Die Rückenlehne sollte so beweglich sein, daß der Körperwinkel (Winkel zwischen Oberschenkel und Oberkörper) sich möglichst groß verändern läßt. Das heißt, daß der Benutzer sich sehr weit mit der Rückenlehne zurücklehnen kann. Hierbei ist darauf zu achten, daß nicht nur beim Vorbeugen des Oberkörpers die Lehne Kontakt zum Oberkörper hält, sondern auch bei weitem Zurücklehnen nicht den Kontakt zum Körper verliert .

Die gleichen kreislaufaktivierenden Sitzmöbel sollten auch die Programmierer in der EDV-Abteilung und im Rechenzentrum erhalten. Denn die Qualität eines Mitarbeiters wird nicht allein durch seinen Wissens- und Erfahrungsstand bestimmt. Sie ist auch abhängig davon, wie ihn sein Arbeitsmittel in die Lage versetzt (oder hindert), diesen Fundus in seine tägliche Arbeit einzubringen.

Sitzmöbel im RZ

Das Operating ist zum Beispiel größtenteils durch bewegungsreiche Arbeit (Einlegen und Entfernen von Karten, Bändern, Disketten, Einspannen von Papier) gekennzeichnet. Um es hier nicht zu Minderdurchblutungen der Muskulatur, besonders im Beinbereich, kommen zu lassen, was zwangsläufig zu einer frühzeitigen Ermüdung, aber auch zu schmerzhaften Verhärtungen (Hartspann) führt, empfiehlt es sich, zu kurzzeitiger Entlastung Maschinenstühle ohne Armlehnen, aber mit Rollen und Höhenverstellbarkeit zum kurzzeitigen Entlasten der "Operator-Beine" einzusetzen.

Die Nachbereitungsarbeit ist im wesentlichen durch Abstimmen, Trennen, Verteilen gekennzeichnet. Diese Tätigkeiten sind mit sehr viel Bewegung verbunden, so daß vom Sitzgestühl her weniger auf Bewegungsfreundlichkeit geachtet werden muß. Diese Mitarbeiter müssen kurzzeitig ihre Beine entlasten können.

Beachtet man diese wenigen Faktoren, so wird die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter auch vom Sitzgestühl her im EDV-Sektor optimiert.