Integrierte Textsysteme: Personelle Auswirkungen erst ab 1990

Schaumgebremste Automation im Zeitungswesen

04.09.1981

WIEN - (eks) - Kräftigen Schutz vor der Elektronik estritten sich die Mitarbeiter bei Tages- und Wochenzeitungen. Nach dem Kollektivvertrag über die Einführung von integrierten Texterfassungssystemen (ITS-Vertrag) sind die von der Einführung neuer Techniken in Redaktion und Setzerei betroffenen Mitarbeiter auf die Dauer von zehn Jahren unkündbar.

Den sozialen Besitzstand auf längere Zeit gesichert hat die Gewerkschaft Druck und Papier mit dem kürzlich in Kraft getretenen ITS-Vertrag. Auch von Gewerkschaftern wird informell die Nachgiebigkeit der Unternehmer zugegeben. Sie ist darauf zurückzuführen, daß Österreichs Zeitungsunternehmen zu kapitalschwach sind, um einen auch nur kurzen Arbeitskonflikt durchzustehen, und Österreich ist zu klein, als daß sich Möglichkeiten, auf unbestreikte Betriebe auszuweichen, böten.

Ob die Integration innerhalb eines Betriebes oder zwischen mehreren Unternehmen stattfindet, ist gleichgültig. Direkte Eingabe von Texten schließt jedoch die Verarbeitung von Datenträgern ein. Abgesehen von klassischen Datenträgern sind dies beispielsweise auch Schreibmaschinen-Manuskripte, die mit speziellen Lesegeräten gelesen werden können.

Angelpunkt des ITS-Vertrages ist, daß sämtliche Arbeitsplätze am Textsystem für die Dauer von acht Jahren nach Inbetriebnahme des Systems nur mit graphischen Facharbeitern des Unternehmens besetzt werden dürfen. Im einzelnen sind dies Arbeitsplätze, an denen

- Texterfassung,

- Gestaltung nicht standardisierter Anzeigen,

- Seitenrevision,

- Bildschirm-Korrektur,

- satztechnische oder typographische Eingriffe,

- Seitenumbruch

erfolgen. Wenn durch Einführung eines integrierten Textsystems Arbeitsplätze wegfallen, so haben graphische Facharbeiter Anspruch auf alle im Betrieb frei werdenden oder neu geschaffenen Arbeitsplätze. Dies auch dann, wenn Um- und Einschulungen auf Kosten des Unternehmens erforderlich sind. Darüber hinaus können graphische Facharbeitern sofern sie bereits fünf Jahre im Betrieb beschäftigt sind, zehn Jahre lang nicht gekündigt werden. Dienstnehmer, die älter als fünfzig Jahre sind, sind bis zur Pensionierung unkündbar. Der Grundkündigungsschutz gilt auch unvermindert bei Versetzungen auf andere Arbeitsplätze innerhalb des Unternehmens, Versetzungen sind nur auf einen zumutbaren Arbeitsplatz zulässig. Dieser muß so beschaffen sein, daß er den Vorkenntnissen und der Schulung des Arbeitnehmers weitgehend entspricht, eine gewisse fachliche Durchdringung erfordert die Tätigkeit nicht rein mechanischer Art ist.

Auch Gewerkschafter geben zu, daß diese Bestimmungen einer "Quasi-Pragmatisierung" für graphische Facharbeiter gleichkommen (unter Pragmatisierung wird in Österreich die lebenslange Unkündbarkeit von Beamten verstanden).

Sofern keine zumutbare Tätigkeit gefunden werden kann, erhalten Dienstnehmer, die nicht für den Rest der Behaltezeit spazierengehen wollen, bei Festkündigung eine sogenannte Mobilitätshilfe in der Höhe von bis zu 1,5 Jahresgehältern und die Abfertigung in jeweils zustehendem Aufwand.

Zeitungsunternehmen, die ITS einführen wollen, werden damit also auf die Dauer von zehn Jahren Einsparungskosten kaum lukrieren können.

Als Ausweg könnte sich folgendes anbieten: Da auch mit nur "teilweiser Einführung eines ITS alle Fristen zu laufen beginnen, kann es sinnvoll sein, einen redaktionellen Arbeitsgang zu automatisieren, die Frist abzuwarten und dann Ende der 80er Jahre den Schritt zur Elektronik zu vollenden. Grundsätzlich gelten diese Regelungen für Tages- und Wochenzeitungen. Letztere haben aber ein Hintertürchen.

Erscheinen sie nur 49mal jährlich, so gilt der ITS-Vertrag nicht.