AMD fordert 500 Millionen Dollar Schadensatz

Schallende Ohrfeige für Intels Geschäftsgebaren

26.10.1990

MÜNCHEN (gg) - Als ein "klassisches Beispiel für einen Bruch der Gesetze von Treu und Glauben und fairem Umgang" bezeichnete Richter J. Barton Phelps Intels Verhalten gegenüber Vertragspartner Advanced Micro Devices (AMD) in den Jahren 1982 bis 1987. AMD fordert jetzt 500 Millionen Schadensersatz sowie das Recht, Intels 80386-Prozessor zu produzieren.

1982 schlossen die beiden Chip-Hersteller ein auf zehn Jahre gültiges Abkommen über einen wechselseitigen Technologieaustausch. Es erweiterte eine Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen aus dem Jahr 1976, die AMD das Recht auf sämtliche Patente einräumt, die Intel bis einschließlich 1995 erwirbt. Der Hintergrund: IBM, auf der Suche nach einer Prozessorbasis für ihren ersten Mikro, hatte von den Bewerbern einen Alternativ-Anbieter gefordert, der hohe Stückzahlen garantieren konnte. Intel wandte sich an AMD, die schon für den 8085 "Second Source" gewesen war. Am Ende machte Intels 8088 das Rennen gegen Motorolas 68000.

1984, nachdem der IBM-PC ein durchschlagender Erfolg geworden war, traf InteI eine geheime Entscheidung, die Abmachung zu unterlaufen, wie der als Schlichter eingesetzte pensionierte Richter Phelps jetzt befand. In der Folge habe Intel "Treu und Glauben gepredigt und Falschheit praktiziert", seinen Partner schikaniert und explizite wie implizite Verpflichtungen gebrochen.

So sei Intels Weigerung, AMD den Mathematik-Koprozessor 8087 vertragsgemäß zur Verfügung zu stellen, "ein bewußter, gezielter und ungerechtfertigter Vertragsbruch" gewesen. Einen Prozeß, mit dem AMD die Produktion eines neuen Koprozessors verboten werden sollte, hat Intel kürzlich erst verloren.

Noch schärfer ging Phelps mit Intels Verhalten 1986 ins Gericht, als Intel "gezielt unvollständige, gezielt unverständliche und gezielt für die AMD-Ingenieure unbrauchbare" Informationen zum 80286-Prozessor lieferte. Er wolle nicht "alle schäbigen Tatsachen in diesem Zusammenhang" aufzählen, aber "die verspätete Lieferung der Informationen und die Lieferung irreführender Informationen" seien Ausfluß einer Politik gewesen, die von der Unternehmensleitung des Chip-Herstellers veranlaßt und gebilligt worden sei. Das Reverse Engineering des 80286, mit dem AMD sich die vorenthaltenen Informationen beschaffte, sei deshalb gerechtfertigt gewesen.

Nach eigenen Angaben hat AMD seit 1985 über 13 Millionen Prozessoren dieses Typs verkauft und dabei die Architektur und den technischen Stand des Chips kontinuierlich verbessert. Für den durch Intels Vertragsbruch entstandenen Schaden sprach Phelps AMD das Recht auf Schadensersatz zu. Über die Höhe wird ab 15. November 1990 verhandelt. Dann will der Schiedsrichter auch darüber entscheiden, ob AMD das Recht erhält, Intels derzeitigen Goldesel, den 80386 zu produzieren.

Solange Intel kein AMD-Produkt übernimmt, ist sie laut Vertrag nicht verpflichtet, AMD ein eigenes Produkt zu überlassen. Sämtliche als Kompensation für den 80386 angebotenen Produkte hat Intel bislang abgelehnt. Offizielle Begründung: AMD hat einfach keine interessanten Produkte. Daß das Chip-Monopol zugleich recht lukrativ ist, zeigen die jüngsten Quartalsergebnisse: Bei einem Umsatz von erstmals mehr als einer Milliarde Dollar betrug der Gewinn 172 Millionen Dollar. Währenddessen machte der ehemalige Partner bei 254 Millionen Dollar Umsatz 17,8 Millionen Dollar Verlust.

AMD-Chef W.J. Sanders beziffert den seinem Unternehmen durch Umsatz- und Gewinneinbußen sowie nutzlose Forschungs- und Entwicklungsausgaben entstandenen Schaden auf über 500 Millionen Dollar. Die fordert er nun von Intel - und dazu das Recht, den 80386 zu produzieren: AMD habe entscheidend dazu beigetragen, die Intel-Architektur zum Industriestandard zu machen und besitze ein moralisches und ein verbrieftes Recht, an diesem Markt teilzuhaben. Angeblich ist eine eigene Version des Prozessors bereits fertig, die vermutlich zur Comdex vorgestellt werden soll. Intel hat vorsorglich schon mal eine einstweilige Verfügung erwirkt, die AMD verbietet, im Namen irgendeines Produktes die Zahlen "80386" oder "386" zu verwenden.