Bis zum Start sind 3,5 Milliarden Mark erforderlich

Satcon wagt den Einstieg in den Markt für Satellitentelefonie

07.07.2000
MÜNCHEN (CW) - Iridium ist pleite, ICO geschluckt und Globalstar schwächelt - der Markt für satellitengestützte Handy-Netze ist ins Trudeln geraten. All das hält das Ingenieursbüro Satcon aus dem brandenburgischen Teltow nicht davon ab, für rund 3,5 Milliarden Mark das Satellitensystem "Leo Sat Courier" an den Start zu bringen.

Es sind sehr ehrgeizige Pläne, die Hans-Holger Kirchhoff, Geschäftsführer der Satcon GmbH, verfolgt. Bis zum Jahr 2003 wollen er und seine Mitarbeiter 72 Satelliten in eine niedrige Erdumlaufbahn schießen, wo sie dann vornehmlich die Telefonbedürfnisse von vielreisenden Anwendern befriedigen, aber auch SMS-, E-Mail- und Faxdienste übernehmen sollen. Dieses Portfolio soll um Navigations-, Ortungs- und Überwachungsservices ergänzt werden. Die Datenraten, die unter anderem Videoübertragungen ermöglichen sollen, erstrecken sich zwischen 64 Mbit/s zwischen Gateway und Satelliten und 9,6 Kbit/s zwischen mobilen Handys und dem Orbit.

Im Jahr 2003 geht es an die BörseBis zum Jahr 2011, so prognostiziert Kirchhoff, werde man rund eine Million Kunden mit Telefondiensten gewinnen können. Insgesamt sollen zu diesem Zeitpunkt 27 Milliarden Mark Umsatz erwirtschaftet werden. Die Investitionen für die erste und zweite Satellitengeneration belaufen sich dagegen auf rund sechs Milliarden Mark. Die Renditeerwartung beziffert der Satcon-Manager auf 50 Prozent - verlockende Aussichten für Investoren.

Doch handfeste Geldgeber will oder kann Kirchhoff derzeit nicht nennen, er verweist auf ein alternatives Finanzierungsmodell. Satelliten- und Raumfahrtspezialisten wie Astrium - dieser Anbieter entstand durch die Fusion der Raumfahrtsparten von Daimler-Chrysler Aerospace (Dasa), der französischen Aerospatiale Matra und der britischen Bae Systems - und Bosch Telecom sind laut Kirchhoff "designierte Generalauftragnehmer unseres Systems." Sie sollen bestimmte Vorleistungen erbringen, die zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Topf der Gesamtfinanzierung getilgt werden.

Ein wesentliches Standbein der Finanzierung soll der für das Jahr 2003 geplante Börsengang sein. Bereits im Lauf dieses Jahres plant Kirchhoff, die Leo Sat Courier Aktiengesellschaft zu gründen. Zweifel angesichts der Probleme sämtlicher bis dato gestarteten mobilen Satellitennetze kommen dem eloquenten Manager nicht. Iridium habe sich fälschlicherweise auf die Sprachkommunikation konzentriert und sei zu teuer gewesen (Satcon wird durchschnittlich 42 US-Cent pro Minute verlangen, bei Iridium waren es mehrere Dollar), und Globalstar sei kein globales System, da es etwa die Weltmeere nicht abdecke. Teledesic, der von den Multimilliardären Craig McCaw und Bill Gates initiierte Dienst, sei als reiner Multimedia-Breitbanddienst, der große Endgeräte erfordere, mit Leo Sat Courier nicht vergleichbar. Und auch die in sämtlichen Industriestaaten entstehenden terrestrischen Mobilfunknetzen sieht Kichhoff nicht als Konkurrenz. Man sei eine Ergänzung für unter- oder nicht versorgte Regionen, die Satelliten-Handys werden dazu auch einen GSM-Empfangs- und Sendebaustein enthalten. Verträge mit GSM-Betreibern gibt es aktuell noch nicht, "wir haben diesbezüglich konkrete Vorstellungen, müssen aber nicht in Eile verfallen, denn wer die Infrastruktur hat, der bestimmt den Preis und die Politik", erklärt Kirchhoff.