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Thema des Tages

Sapphire: Plattner schwört aufs Internet

16.09.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - SAP-Mitgründer Hasso Plattner versuchte in seiner Keynote-Ansprache auf der Hausmesse Sapphire ´99 in Philadelphia vor allem eine Botschaft unter das Volk zu bringen: Die Walldorfer setzen alles auf das Internet. "Wir wollen den Desktop. Wir wollen das Portal sein, von dem aus Business-Anwender auf Geschäftsanwendungen zugreifen."

Mit dieser Strategie will die deutsche Vorzeige-Softwareschmiede einen Makel beseitigen, der dem Unternehmen seit Jahren anhaftet - man will endlich das Image des Legacy-Anbieters loswerden. "Der Markt hat SAP als Internet-Player nie ernstgenommen", so Plattner.

Nun soll die Portal-Strategie "Mysap.com" auch die letzten Zweifler eines besseren belehren. Sie soll nicht nur den Zugriff auf SAP-Anwendungen, sondern auch auf die Produkte anderer Anbieter ermöglichen und diese in die Unternehmensprozesse integrieren. Zentrales Hilfsmittel ist dabei die Definitionssprache XML (Extensible Markup Language). Das Konzept besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: Der "Workplace" stellt jedem SAP-Anwender abhängig von seiner Funktion ein individuelles "Informationsportal" zur Verfügung und soll durch das vertraute Web-Seiten-Outfit einen neuen Anwender-zentrischen Ansatz dokumentieren. "Das ist nicht einfach ein Marketing-Slogan", betonte Plattner. "Wir haben das ganze Design-Prinzip verändert, um den Benutzer in den Vordergrund zu rücken". Womit er im Prinzip einräumen mußte, daß dieser in der Vergangenheit wohl eher zu kurz kam.

Der ergänzende "Marketplace" ist eine Sammlung Business-to-business-orientierter Handels- und Informationsdienste für vertikale Märkte, über die Firmen miteinander kommunizieren und Transaktionen abwickeln können. Auch wenn die Idee solcher Unternehmensnetze nicht gerade neu ist, sieht sich der Hersteller laut Henning Kagermann, neben Plattner der zweite Vorstandssprecher, mit seiner installierten Basis von rund 12 000 Firmen ausgezeichnet positioniert.

Mit dem neuen Internet-Ansatz muß folgerichtig auch ein neues Lizenzmodell einhergehen. Wie die SAP ihren Kunden künftig Software in Rechnung stellen will, blieb allerdings ein wenig nebulös. Zumindest hat der Hersteller für verschiedene Branchen in sogenannten Business Scenarios Rollen vom Buchhalter bis zum CEO (Chief Executive Officer) definiert, die verschiedene Rechte erhalten und mit unterschiedlichen Beträgen zur Kasse gebeten werden. Bei Unternehmen, in denen die alle Mitarbeiter die betriebswirtschaftliche Standardsoftware nutzen, soll alternativ ein Durchschnittspreis pro Anwender angesetzt werden. Weitere Details will SAP im Laufe dieser Woche bekanntgeben.

Kevin McKay, Chef von SAP America, ließ aber zumindest schon ein Kätzchen aus dem Sack: Im Vergleich zu einer herkömmlichen R/3-Installation werde Mysap.com wohl etwas teurer. "Wer sich für die neue Strategie entscheidet, bekommt dafür auch Zugang zur gesamten SAP-Software und nicht bloß zu R/3 - man kann sich genau das heraussuchen, was man braucht." SAP wird laut McKay dem Kunden bei Bedarf auch gegen eine jährliche Gebühr die Wartung der Software abnehmen, wenn er die Anwendungen im eigenen Hause installiert hat. Genauso gut könnten Kunden auch einem der ASP-Partner (Application-Service-Provider) gegen eine Benutzer-pro-Monat-Gebühr Betrieb und Management der Applikationen überlassen. Auch hier soll das Rollenkonzept greifen. Als Outsourcing-Partner sind bereits eine Reihen von Unternehmen zertifiziert, darunter Siemens, EDS und British Telecom.

Zum 30. September sollen die Produkte verfügbar sein. SAP wähnt sich damit auf einen Schlag weit vor der Konkurrenz - Oracle beispielsweise könne seine mit der Version 11i ebenfalls Internet-lastigen "Applications" erst Anfang kommenden Jahres ausliefern. Allerdings sind sich auch die Walldorfer der Tatsache bewußt, daß sie nicht mehr jeden Bedarf befriedigen können. "Wir sind nicht mehr so defensiv", erläuterte Plattner. "Wir wissen, daß wir nicht alles für jeden sein können." Die zweifellos vorhandenen Lücken dürfen und sollen nun Partner füllen.

Überhaupt gibt sich die SAP mit Mysap.com ausgesprochen offen. Man will neben den eigenen Konzepten auch viele andere gerade erblühende Entwicklungen im Kommunikationsmarkt für den elektronischen Handel unterstützen, unter anderem Hewlett-Packards "E-Speak", Microsoft "Biztalk" und "Websphere" von der IBM. Selbst der ärgste Mitbewerber Oracle ist eingeladen, sich auf dem Mysap.com-Marktplatz zu tummeln.

Joshua Greenbaum von Enterprise Application Consulting geht kritisch mit dem neuen Ansatz ins Gericht. "Nicht gerade viel Neues - die SAP bringt noch keine Botschaft rüber. Was wir gehört haben, war ein Durcheinander von Ideen und Konzepten ohne Struktur." Steve Cole von Forrester Research bescheinigt der Ausrichtung auf das Internet indes gute Erfolgsaussichten. "Das ist auf jeden Fall ein Weg, wieder mehr Daten durch SAP-Anwendungen zu schleusen", meint der Analyst. Die Company müsse daran ausgesprochen interessiert sein, weil die Nachfrage nach ihren "klassischen" ERP-Modulen (Enterprise Resource Planning) wie Human Resources, Manufacturing oder Financials zurückgehe. Auch für den Mysap.com-Workplace fand Cole lobende Worte. "Der Ansatz, nur das zu bezahlen, was man als Anwender wirklich nutzt, ist gut."