Verspätete Auslieferung der Front-Office-Produkte erwartet

SAP-Vorstände üben sich in Zweckoptimismus

02.04.1999
HEIDELBERG/MÜNCHEN (gh/qua) - Die SAP AG, Walldorf, rechnet für das erste Quartal 1999 mit einem im Vorjahresvergleich deutlichen Ergebnisrückgang, zeigt sich aber optimistisch. Marktbeobachter prophezeien jedoch, das SAP-Geschäft werde langsamer wachsen, weil die Front-Office-Produkte später und zunächst ohne Web-Anbindung auf den Markt kämen.

Steht dem Geschäft mit Lösungen für das Enterprise Resource Planning (ERP) eine Flaute bevor? Auf diese Frage gab der Marktführer SAP bei der Vorlage seiner Bilanz 1998 keine schlüssige Antwort. Nach der Bestätigung bekannter Kennzahlen (Umsatzsteigerung um 41 Prozent auf 8,47 Milliarden Mark; Gewinn nach Steuern plus 14 Prozent auf 1,05 Milliarden Mark) stellte Vorstandssprecher Henning Kagermann für das Ende März abgeschlossene erste Quartal 1999 vorsorglich schon einmal ein wenig berauschendes Ergebnis in Aussicht. Es gebe Anzeichen, daß das Umsatzwachstum "leicht unter dem erwarteten Jahreskorridor von plus 20 bis 25 Prozent" liegen werde. Deshalb dürfte sich der Gewinn vor Steuern "deutlich unter dem Niveau des Vorjahres" einpendeln. Im ersten Quartal 1998 hatte SAP beim Bruttoertrag um 72 Prozent auf 322 Millionen Mark zugelegt und die Einnahmen um 63 Prozent auf 1,68 Milliarden Mark verbessert.

Seine vorsichtige Prognose begründete Kagermann mit dem "anhaltend schwierigen Umfeld in der ersten Jahreshälfte 1999", das von einer ungünstigen Währungsentwicklung und einer Jahr-2000-bedingten Investitionszurückhaltung geprägt sei. Mit der Bemerkung, SAP müsse seine Ergebnisse in diesem Jahr an einem überaus erfolgreichen Vorjahr messen, deutete er an, daß die Geschäfte nicht mehr so gut gehen.

Trotzdem redeten sowohl Kagermann als auch sein Vorstandskollege Hasso Plattner einem Aufschwung des ERP-Marktes in der zweiten Jahreshälfte das Wort. SAP werde folglich nicht nur das Wachstumsziel für 1999 von mindestens 20 Prozent erreichen, sondern in den kommenden drei Jahre den Umsatz verdoppeln.

Als Wachstumsmotor ist vor allem die "New-Dimension"-Initiative vorgesehen, die in fünf Jahren bereits ein Drittel zu den Einnahmen beisteuern soll (siehe Seite 15: "SAP und Co. entdecken den Mittelstand"). Dabei handelt es sich um die Entwicklung von Stand-alone-Produkten für Supply-Chain-Management (SCM), Sales Force Automation (SFA) und Customer-Relationship-Management (CRM). In diesen Marktsektoren tummeln sich vorwiegend kleinere Anbieter, aber auch der Softwareriese Oracle Corp. greift hier an. Gerade hat er ein Tool mit der Bezeichnung "Oracle Application Interconnect" angekündigt, das die eigenen CMR-Anwendungen über SAPs "Business API Server" mit den R/3-Modulen verbindet.

In den nächsten Tagen wollen die Walldorfer ebenfalls ihre Produkte "Mobile Sales" und "Mobile Service" an eine Handvoll Pilotkunden ausliefern - nachdem, so Insider, zumindest die "Sales"-Software eigentlich schon zum Jahresende hätte verfügbar sein sollen. Vor dem Ende des zweiten Quartals ist mit einer Marktfreigabe der Produkte kaum zu rechnen.

Analysten von Morgan Stanley, Dean Witter und AMR Research argwöhnen sogar, daß sich die Auslieferung weiter verzögern wird. Darüber hinaus kämen die Produkte zunächst ohne Web-Anbindung auf den Markt. Für die Produktversion, die demnächst bei 20 bis 25 ausgewählten Kunden getestet werde, bestätigte SAP dies. Wann die Web-Anbindung folgen werde, gab das Unternehmen nicht bekannt.