SAP: Gute Bilanzrelationen bei kleinen Anlegergewinnen Von Arnd Wolpers*

02.07.1993

Die Bilanzrelationen der SAP AG sind maerchenhaft. Die Eigenkapitalquoten - gemessen an der Bilanzsumme, bezogen auf das Geschaeftsjahr 1992 - von ueber 80 Prozent und mehr als 400 Millionen Mark cash (die Haelfte des Umsatzes 1992) : Solche Relationen kann kaum ein anderes boersennotiertes Unternehmen aufweisen. Dennoch kommt es immer wieder zu heftigen Kurseinbruechen in der SAP-Aktie, weil die Erwartungen der Anleger und die tatsaechliche Entwicklung auseinanderklaffen. So auch jetzt wieder.

Auf der Bilanzpressekonferenz im letzten April wurde verkuendet, man wolle im laufenden Geschaeftsjahr an die Ertragsstaerke von 1991 anknuepfen und eine Umsatzrendite vor Steuern von 25 Prozent auf einen geplanten Umsatz von einer Milliarde Mark erwirtschaften. Die Gewinnschaetzungen der Analysten fuer 1993 pendelten sich um die 70 Mark ein, Optimisten erwarteten einen Gewinn je Aktie von bis zu 75 Mark.

Wie anders lesen sich die aktuellen Berichte nach der Hauptversammlung. Nur zwei Monate nach der Bilanzpressekonferenz wird eingeraeumt, dass die anvisierte Umsatzrendite nicht erreicht werden kann, die Kosten vier Prozent ueber Budget laegen und die Steuerquote von 26 Prozent im Jahre 1992 auf gut 40 Prozent im Jahr 1993 steigen werde. Berechnet man den Gewinn je Aktie 1993 in Kenntnis dieser Zahlen, so kommt man vielleicht auf 60 Mark.

Diese Entwicklung ist zumindest teilweise im April bekannt gewesen. Eine wesentlichen Ursache der Nettogewinnverschlechterung bildet die ansteigende Steuerquote. Die in der Vergangenheit sehr niedrige diesbezuegliche Belastung der SAP AG war durch ein Steuerprivileg fuer die SAP-Tochter im schweizerischen Jura entstanden, bei der weitere Auslandsgesellschaften teilweise konsolidiert wurden. Dieses Privileg laeuft aus. Das fuehrt zu hoeheren Verpflichtungen, die planbar und voraussehbar waren. Also keine ploetzliche negative Ueberraschung seit April.

Dennoch wird der gleiche Fehler gemacht wie schon im vierten Quartal 1992. Man haelt zu lange an von Planzahlen gepraegtem Wunschdenken fest, um anschliessend von der Wirklichkeit eingeholt zu werden.

Seit Herbst 1989 haben die SAP-Aktionaere per Saldo keine Kursgewinne mehr erzielt. Im gleichen Zeitraum konnte das Unternehmen einen Umsatzzuwachs von 125 Prozent erwirtschaften.