Hersteller verlängert Wartungszeiträume für die Standardsoftware

SAP bittet Nutzer älterer R/3-Releases zur Kasse

05.04.2002
MÜNCHEN (fn) - Anwender älterer SAP-R/3-Releases, die nicht upgraden wollen, müssen künftig einen Wartungsbeitrag zahlen. Der Hersteller will damit die Anzahl der zu pflegenden Versionen verringern und Kunden für Mysap.com gewinnen.

Der erste Teil der Ankündigung betrifft das R/3-Release 4.6C, dessen Wartungszeitraum von Ende März 2005 auf Ende März 2006 verlängert wurde. Wie aus Walldorf verlautet, gilt dies für alle R/3-Komponenten und -Standardländerversionen der lokalisierten Module Human Resources (HR) und Financials/Logistics (FI/LO). Nach Angaben der SAP sind in dem verlängerten Angebot Korrekturen in Form von SAP-Hinweisen und Support-Packages, gesetzliche Änderungen, Unterstützung für Plattformen und die Integration anderer Mysap.com-Komponenten über Plugins enthalten.

Auch die Wartungszeiträume der Releases 3.1I, 4.0B, 4.5B und 4.6B verlängert der Hersteller, allerdings nur um vier Monate, also bis Ende 2003. Bis dahin entstehen für die Kunden keine zusätzlichen Kosten. Geld verlangt die SAP indes, wenn ein Unternehmen den Wartungsvertrag um ein Jahr verlängern möchte. Nach vorheriger kostenloser Machbarkeitsprüfung kann der Kunde diese Offerte gegen eine zusätzliche Wartungsgebühr von zwei Prozent im Rahmen des jeweiligen Kundenvertrags in Anspruch nehmen. Bisher beträgt die jährliche Gebühr 17,5 Prozent der Lizenzkosten, künftig wird sie somit auf 19,5 Prozent steigen. Der Leistungsumfang im Rahmen der Wartungsverlängerung werde dem Standard-Wartungsangebot ähneln, heißt es bei SAP.

Die Leistungen umfassten Korrekturen und gesetzliche Änderungen, Unterstützung für Plattformen sowie Integrationssupport für Mysap.com-Komponenten wie "Advanced Planner und Optimizer" (APO), "Business Information Warehouse" (BW) oder "Customer Relationship Management" (CRM). Die Strategie, ältere Releases nur noch gegen Aufpreis zu pflegen, soll Kunden zum Kauf der neuesten Produkte bewegen. Nach diesem Konzept will SAP auch bei anderen R/3-Versionen verfahren, die sich zurzeit noch in der Standardwartung befinden.

Laut Andreas Bitterer, Analyst für den Bereich Application Delivery Strategies bei der Meta Group, dürfte sich vor allem für Firmen mit vielen SAP-Installationen die Migration auf das neue R/3-Release lohnen. Dann allerdings wäre zu überlegen, ob das Unternehmen nicht gleich auf Mysap.com umsteigt statt auf R/3 4.6C. Der Aufwand für ein Upgrade eines älteren Release, etwa 3.1I auf 4.6C, sei vergleichbar mit einem Wechsel zu Mysap.com. Der Analyst kann den Schritt der SAP durchaus nachvollziehen, denn der Hersteller könne nicht daran interessiert sein, auf Dauer zehn verschiedene Releases seiner Software zu pflegen. Andererseits bedeutet gerade für kleinere Kunden, die viel in ihre Installation investiert haben und verhältnismäßig wenig Personal beschäftigen, ein Release-Wechsel einen hohen Aufwand.

Unterstützend will SAP nun sein Leistungsangebot erweitern, um Upgrades auf neuere Release-Stände noch stärker als bisher zu fördern. Der "Upgrade Planning Service" soll Kunden dabei helfen, den Aufwand einer Aktualisierung einzuschätzen. "Damit macht die SAP die Weiterpflege von Releases von der Prüfung der technischen Gegebenheiten abhängig", so Nils Niehörster, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Raad Consult aus Münster. Der Hersteller wolle so herausfinden, ob die Pflege eines Release für ihn überhaupt noch wirtschaftlich sei. Mit sanftem Druck und Überzeugungsarbeit versuche SAP, konservative Kunden zu einer Aktualisierung ihrer R/3-Installation zu bewegen. Ein Aspekt dieser Strategie sei die verlängerte Wartung gegen Aufpreis.

Über die Erfolgsaussichten der SAP, durch diese Maßnahme mehr Kunden für Mysap.com zu begeistern, äußert sich Niehörster skeptisch. "Man wird keinen Kunden, der 4.6 einsetzt, dazu bewegen auf Mysap.com zu migrieren, wenn er dies nicht ohnehin schon vorhatte." Raad Consult ermittelt in Umfragen, welche Releases die etwa 8000 deutschen SAP-Kunden einsetzen. Nach den Erfahrungen des Unternehmens lehnen Mysap.com-Verweigerer eine Migration weniger aus technischen als aus Kostengründen ab. Sie können sich mit SAPs neuem Preismodell nicht anfreunden.

Abb: Release-Verteilung bei R/3-Anwendern

Ein großer Teil der Anwender hat bereits neuere R/3-Releases im Einsatz, doch wegen des geänderten Preismodells scheuen immer noch viele den Umstieg auf Mysap.com. Quelle: Raad Consult