Japanisches Management bei deutschen Töchtern unter der Lupe:

Samurais lehren deutschen Entscheidern die Präsenz

20.12.1985

BERLIN (lo) - Mehr Mystik als Methode schreiben westliche Mitbewerber häufig dem japanischen Management zu. Verwunderung und Anerkennung sind daher nicht selten die Reaktion auf die Art, wie Unternehmenslenker in Nippon Arbeiter und Angestellte im Griff haben. Über den Führungsstil japanischer Entscheider in deutschen Tochterunternehmen will ein Forschungsteam der FU Berlin Aufschluß geben.

Professor Sung-Jo Park und Hans-Peter Merz vom Ostasiatischen Seminar der FU führten mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk eine statistische Erhebung über Rekrutierungspolitik, Entscheidungskompetenz, Ausbildung wie auch Konflikte der "bundesdeutschen" Japaner durch.

Ein herausragender Unterschied des Entscheiders aus Fernost: die Präsenz unmittelbar im Produktionsprozeß. Die Bereitschaft, überall in dem Unternehmen anwesend zu sein, würde auch auf die deutschen Manager in der zweiten Ebene übertragen, weiß der Mitautor Merz: "Es ist Pflicht, einmal am Tag durch die gesamte Anlage zu gehen."

Das Fazit der FU-Wissenschaftler lautet: "Ungeheuer professionell und clever" verhalten sich nur die großen, konzerngebundenen Unternehmen während die deutschen "Töchter" japanischer Konzerne mit einem Minimum an japanischen Managern auskommen. Die abgesandten Japaner der nichtkonzerngebundenen Firmen würden auch "wegen Kleinkram" zu Hause anrufen und nach Anweisung fragen.

Gehe es allerdings um Entscheidungen über Finanzierung und Investition, unterscheiden sich die "Großen" nicht so sehr von den "Mittleren" oder "Kleinen": Das Rechnungswesen wird immer vom japanischen Mutterhaus kontrolliert. Auch im Verbund mit deutschen Firmen sind die Positionen an "Geldhahn und Rechenmaschine" eher von Japanern besetzt: Wenn ein japanischer Konzern eine "Ehe" mit deutschem Partner eingeht, sitzen Japaner auf 70 Prozent aller Chefsessel im Rechnungswesen: "Der deutsche Partner soll vor allem dafür sorgen, daß Beschaffung, Personalwesen und Marketing gut funktionieren", fanden die FU-Forscher heraus.

Insgesamt versandten die Berliner Wissenschaftler Fragebögen an alle rund 650 Nippon-"Töchter" in der Bundesrepublik, von denen etwa ein Drittel antworteten. Nach der Auswertung in einer speziell entwickelten Datenbank, die jetzt an der Freien Universität zur Erfassung japanischer Wirtschaftsaktivitäten in ganz Westeuropa im Aufbau ist, wurden ergänzende "Tiefen-Interviews" mit vier japanischen Tochterunternehmen in der Bundesrepublik durchgeführt: nicht nur nach allgemeiner Personalpolitik, sondern auch nach Betriebsklima oder dem Verhältnis der Japaner zu deutschen Gewerkschaften.

Japanisches Ja zu Informationssystemen

Während das Betriebsklima in den Auslandsniederlassungen von den japanischen Managern eher positiv bewertet wurde - auf einer Skala, die Bewertungen von 1 (ganz vorzüglich) bis 6 (miserabel) zuließ, gaben sie "3 und besser" an - scheinen sich die Japaner mit bundesdeutschem Arbeitsrecht nur schwer abzufinden.

Die Übersicht durch computergestützte Systeme findet sowohl bei der Managementinformation über Produktionsdaten wie auch bei der Qualitätskontrolle der Produktion japanischen Zuspruch. Bei Personalinformationssystemen halte sich das japanische Management, so Merz, allerdings ebenso bedeckt wie die europäischen Kollegen. Leistungsbeurteilungssysteme der Japaner seien allgemein stark an die hierzulande üblichen Kategorien angeglichen.

Die Studie erscheint Mitte Dezember in der Berliner "Express Edition" unter dem Titel "Japanisches Management in der Bundesrepublik Deutschland". Sie umfaßt 300 Seiten und kostet 198 Mark.