Innerhalb der kommenden zwei Jahre

SAG restrukturiert Produkte nach dem Client-Server-Prinzip

02.11.1990

HAMBURG (qua) - Nun hat auch die Darmstädter Software AG (SAG) das Client-Server-Konzept entdeckt: Innerhalb der nächsten zwei Jahre, so Vorstandsmitglied Peter Pagé, wird das umsatzstärkste deutsche Software-Unternehmen den größten Teil seiner Produkte an die Erfordernisse verteilter Funktionen in heterogenen Netzen anpassen.

"Immer mehr Unternehmen wollen ihre zentralen Großrechner in Netzwerke aus Abteilungs- und Arbeitsplatz-Rechnern einbinden, sie zum Teil sogar dadurch ersetzen. Damit reagieren sie auf den allgemeinen Wandel der Unternehmens. strukturen, bei dem herkömmliche Hierarchien zunehmend durch kundennahe, dezentrale Organisationsformen abgelöst werden." So begründet der hessische Software-Anbieter sein jüngstes Statement of Direction. Auf die Anforderungen ihrer Kunden wollen die Darmstädter innerhalb der kommenden 24 Monate mit einer Lösung antworten, die jetzt als "Entire-Function-Server-Technology" angekündigt wurde. Die zugehörigen Produkte und Schnittstellen basieren auf der 1987 vorgestellten integrierten Software-Architektur (ISA) und sollen das "Distributed Computing Environment" der Open Software Foundation unterstützen.

Wenn das Vorhaben in die Tat umgesetzt ist, wird eine ganze Reihe von neuen Produkten das SAG-Angebot abrunden. Wie der Hersteller mitteilt, realisiert er die Neukonzeption jedoch im wesentlichen durch die Restrukturierung vorhandener Systeme. "Das gesamte Funktionsangebot der ISA", so formuliert der Anbieter sein Ziel, "Wird in Form von Clients und Servern verfügbar gemacht."

Voraussetzung und Kernstück des vorgestellten DV-Modells ist eine Kommunikationstechnik, die eine Schnittstelle mit einheitlicher Funktionalität anbietet, so daß die Anforderungen der Clients auch in einem heterogenen Netz automatisch in ein für den Server erkennbares Format umgesetzt werden. Die Antwort der SAG auf dieses Problem heißt "Entire Open Communications".

Die so bezeichnete Kommunikationslösung setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: Für die Programm-zu-Programm-Kommunikation wurde das Entire Open Communication Network konzipiert, das gemäß Ankündigung die Protokolle LU6.2, TP, RDS, TCP/IP und Decnet unterstützt. Das Entire Function Server Protocol hingegen soll "Inhalt und semantische Struktur der funktionalen Anforderungen definieren".

Fremde Software soll nicht integriert werden

Damit der Anwender selbst die Client-Server-Prinzipien in seine Software-Entwicklung einbeziehen kann, benötigt er eine Reihe zusätzlicher Softwarekomponenten. Dabei handelt es sich auf der Client-Seite um den auf "Natural" basierenden "Portable Application Agent" auf der Server-Seite zum einen um den "Cooperative Application Agent" für das Zerschneiden von Anwendungen, zum anderen um den "Open Function Server" für die Integration bestehender Anwendungen.

Dazu kommen zwei weitere Softwareprodukte, die voraussichtlich schon in ersten Halbjahr 1991 ausgeliefert werden: Der "Open SQL Server" ist dafür ausgelegt, ANSI- beziehungsweise ISO-SQL für das Datenbank-Management-System Adabas verfügbar zu machen; laut Anbieter wird er neben den proprietären Betriebssystem von IBM und DEC auch unter verschiedenen Unix-Derivaten laufen

"Natural Geographic" wurde als System für Analyse, Modellierung und Darstellung von Unternehmensdaten auf Basis ihrer geographischen Positition angekündigt. Das Produkt besteht aus den Modulen Entire Geographic Server und Natural Geographic Workstation, die unter MVS beziehungsweise OS/ 2 ablauffähig sind.

Mit ihrem Konzept will die Software AG nicht nur dem Trend zu Client-Server-Architekturen folgen, sondern auch der immer lauter geäußerten Kundenforderung nach offenen Systemen entgegenkommen. "In acht Jahren wird jeder das offene Spiel spielen oder er ist tot", kommentiert Pagé die Strategie. Dabei umfasse die SAG-Implementierung auch die traditionell proprietäre Mainframe-Welt - mit den Worten des SAG-Vorständlers: "die Welt, wie sie heute existiert."

Allerdings wird die beschworene Offenheit ihre Grenzen haben: Für eine Integration fremder Softwareprodukte in das SAG-Konzept gibt es derzeit keine konkreten Absichten. Immerhin verspricht das Management der Darmstädter Softwareschmiede, das Function Server Protocol zu veröffentlichen und an die Third Parties weiterzugeben. Darüber hinaus will sich das mit 3500 Mitarbeitern und mehr als einer halben Milliarde Mark Jahresumsatz nicht ganz unbedeutende Softwarehaus "nach Partnern umsehen", die ihre Anwendungen auf den SAG-Schnittstellen aufbauen.