Eine ruhige Atmosphäre schafft noch keine Beratungsqualität:

"Sag mir, wo die Kräne sind..."

28.03.1986

HANNOVER (bk) - Mit Spannung war sie zweifelsohne von den DV-Profis erwartet worden - die erste CeBlT ohne Industrie. Doch deren Begeisterung hielt sich in Grenzen. Zwar empfanden sie die gesamte Messeatmosphäre angenehmer, weil die Hallen geräumiger geworden sind, zu schaffen machte ihnen jedoch das immense Mehrangebot an Ausstellern. Auch die Beratungsqualität lasse nach wie vor zu wünschen übrig.

Erster Kommentar des Kasseler DV-Spezialisten Klaus Böhle zum neuen Konzept: "Ich vermisse meine Kräne." Jahrelang als willkommene Abwechslung vom DV-Spektakel genossen, mußten sich die DV-Profis in diesem Jahr ausschließlich mit Informationstechnik begnügen. Doch das, so Böhle, hatte auch seinen Vorteil: "Weniger Besucher sind mir lieber." Und in der Tat - die Besucherzahl in den ersten Tagen der CeBIT '86 war dürftig. Von den gewohnten Menschenmassen in den Hallen keine Spur. "Man kann richtig gemütlich durch die Gänge schlendern, kein Stoßen, Drücken oder Schieben", freute sich Josef Fromme, DV-Leiter aus Hamm. Dies zeige aber auch, daß doch weitaus weniger Besucher zur Messe gekommen seien als von der Messeleitung erwartet. Zwar sei die Halle 1 nach wie vor gut besucht gewesen doch in den anderen Hallen habe gähnende Leere geherrscht.

Die DV-Spezialisten genossen diesen ungewohnten Freiraum, die "ruhige" Atmosphäre. So konnte man sich in diesem Jahr selbst auf großen Ständen wie Siemens, Nixdorf oder IBM, die sonst von morgens bis abends belagert waren, durchaus unbeengt bewegen. Außerdem hatten die Aussteller mehr Zeit, um mit den Interessenten ausführliche Gespräche zu führen, und Voranmeldungen waren auch nicht unbedingt erforderlich. Die DV-Profis beklagten jedoch, daß sich dieser Vorteil nicht immer auf die Beratungsqualität niedergeschlagen habe. Obwohl mehr Zeit für detaillierte Fragen und Antworten war, sei man wie in den Vorjahren oft vom Stand gegangen, ohne mehr zu wissen als vorher.

Auch die Vielzahl der neuen Aussteller machte den DV-Leitern zu schaffen. Empfanden sie schon in den Vorjahren das Angebot als zu unübersichtlich, so war es durch das neue Konzept überhaupt nicht mehr zu überblicken. Und mit großen Sensationen konnte auch niemand aufwarten. "Das Hauptereignis", so der Kieler DV-Experte Gerhard Karck, "war Boris Becker auf dem Philips-Stand. Aber das gehört ja eigentlich nicht zur Messe."

Nur eines registierte Karck voll Staunen: "Ob mit oder ohne Industrie - die Polizei bekommt den Messeverkehr einfach nicht in den Griff." Der Kieler DV-Profi durfte gleich am Eröffnungstag eine gute Stunde aus, dem Schnellweg parken - aber immerhin kostenlos.